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A wonderfully evocative, superbly written and highly acclaimed account of the world's first megalopolis.

Produktbeschreibung
A wonderfully evocative, superbly written and highly acclaimed account of the world's first megalopolis.
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Autorenporträt
Suketu Mehta is a fiction writer and journalist based in New York. He has won the Whiting Writers Award, the O.Henry Prize, and a New York Foundation for the Arts Fellowship for his fiction. His work has been published in the New York Times Magazine, Granta, Harper's Magazine, Time and Conde Nast Traveler. Mehta also co-wrote Mission Kashmir, a Bollywood movie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Wir wir heute leben
Suketu Mehtas überragende Reportagen über Bombay / Von Nils Minkmar

Ein wahnsinnig gutes Buch über eine völlig chaotische Stadt, geschrieben von einem Autor, der eines Tages wahnsinnig genug ist, sich in einem kleinen Hotelzimmer in Bombay mit einer Guppe von Killern zu treffen.

Suketu Mehta führt Interviews mit Profikillern. Er trifft sie in einem Hotel: "Das Zimmer ist kahl, zweckmäßig eingerichtet, perfekt geeignet, um Sex zu haben oder zu sterben." Alles paßt zusammen: Für Arbeit, Sex und Tod haben die Jungs der Bombayer Unterwelt dasselbe Wort.

"Maximum City" ist ein Buch, das man ganz liest, jedes Kapitel, weil man bald merkt, daß die schönsten Passagen unangekündigt kommen. Fast achthundert Seiten hat er über Bombay geschrieben, aber Bombay ist ganz egal. Auch wer noch nie dort war, nie hin will, kein Interesse am Aufstieg Indiens, am Phänomen der Megacities hat, wer nie einen Rushdie zu Ende gelesen hat und Arundahti Roy nicht erträgt, sollte ruhig und gespannt die Maximum City betreten.

Der Autor hatte die Wahl: Suketu Mehta, 1963 in Kalkutta geboren und in Bombay aufgewachsen, hat nicht nur eine geisteswissenschaftliche Ausbildung und Erfahrungen als Journalist und Drehbuchautor, er hat auch das hervorragende Iowa Writers Program absolviert. Es hätte also nahegelegen, daß Mehta die fette Welle der anglo-indischen Belletristik nutzt und uns passend zum Indien-Schwerpunkt einen herkömmlichen, womöglich überdurchschnittlichen Bombay-Roman serviert. Statt dessen beginnt Suketu Mehtas Buch über Bombay mit Haß. Ein halbes Leben hat er in der Fremde verbracht, zuletzt in New York und ist Vater geworden. Nun möchten seine Frau und er, daß ihre Söhne nicht als Entwurzelte aufwachsen, sondern zu Hause in Indien.

Bloß gibt es dieses Indien nicht mehr, das Zuhause ist expandiert wie ein Science-fiction-Planet, alles ist wüst und überdimensioniert und komplett überfüllt. Das Vorhaben der Familie Mehta, sich Bombay anzueignen, droht zu scheitern, die Enttäuschung schlägt in unbändigen Haß um: "In den Monaten nach der Ankunft meiner Familie jage ich hinter Klempnern, Elektrikern und Zimmerern her wie seinerzeit Werther hinter seiner Lotte . . . was meinen Klempner betrifft, so könnte ich ihn umbringen." Der Leser erfährt: mit gutem Grund! Nur einen Weg weiß Mehta aus dieser verzweifelten Lage, das ist der Handel mit Geschichten. Er zieht mit seinem Laptop los und hört sich an, wie die Leute in Bombay so leben, dafür erzählt er ihnen was vom fernen, strahlenden Amerika. Daher hat das Buch zwei Spuren: auf einer verfolgen wir die für uns Leser spannenden, für die Betroffenen höchst komplizierten Lebensläufe von Bewohnern der Maximum City, Bewohnern der extremen Branchen wie Auftragsmord, Tanz und Film, auf der anderen erfahren wir, wie das Leben des Untersuchenden, der Familie Mehta vorangeht.

Besonders dicht gelingen jene Kapitel, in denen die Erzählspuren eng nebeneinander geführt werden, etwa wo Mehta seinen Besuch bei dem radikalen Hinduführer Bal Thackeray beschreibt. Der Faschist, der sich gern "Tiger" nennen läßt, gewährt selten Interviews. Mehta schreibt: "Wenige Minuten nachdem wir den Empfangsraum betreten haben, erscheint der Sahib. ,Jai Maharashtra', sagt er, dann reiche ich jenem Mann die Hand, der persönlich dafür verantwortlich ist, daß die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, so heruntergekommen ist."

Im Kapitel zuvor hatte Mehta die Männer beschrieben, die während der Unruhen 1992 und 1993 in Thackerays Auftrag ihre muslimischen Nachbarn abgeschlachtet angezündet hatten. Sein Widerwillen ist bei der Beschreibung der Audienz in jeder Zeile spürbar, dennoch gelingt ihm eine präzise Beschreibung eines Typs von Politikern, zu dem auch europäischen Lesern viele Beispiele einfallen: "Er denkt in Bildern und in Action, aber nicht in Ideen. Seine Reden sind durchsetzt mit Verweisen auf Hindi-Filme oder Zitaten aus Kinderversen. Seine Antworten sind häufig keine Antworten auf meine Fragen, sondern eher flüchtige Assoziationen, die irgendwo in seinem Kopf entstehen und sich verselbständigen." Dennoch verfügt ein Thackeray über beträchtlichen Einfluß, manipuliert die Bombayer Stadtregierung und startet Kampagnen gegen den verderblichen Einfluß ausländischer, vor allem muslimischer Künstler. Er hat keine andere Wahl, denn seine Macht stützt sich, wie Mehta schlüssig darlegt, auf Banden von sechzehn- bis dreißigjährigen Männern, die beschäftigt werden wollen.

Der enge Zusammenhang zwischen Gangstern, Politikern, Geschäftsleuten und der Filmindustrie ist der rote Faden, der durch die Maximum City führt, eine feine Blutspur, für deren Unterhalt Profis zuständig sind, etwa die Männer von der "D-Company". Es sind oft schmächtige, wenig eloquente Typen, die sich die Zeit zwischen ihren Aufträgen mit Drogen und Pornos vertreiben. Sie sind selbst Opfer, fast alle wurden schon von Kindesbeinen an regelmäßig zusammengeschlagen oder von der Polizei gefoltert. Irgendeine Form von Empathie mit den Opfern ist ihnen fremd, schon die Frage macht sie wütend, weil man ihnen unterstellt, zu weich zu sein für den Job.

Ein Buch im Buch, wohl versteckt zwischen anderen, gewichtigen Kapiteln, ist die Geschichte von Monalisa. So nennt Mehta eine Tänzerin aus dem "Sapphire", einer der angesagtesten Go-go-Bars der Stadt. Das Nachtleben ist die eigentliche Kraftquelle der Maximum City, und Monalisa strahlt so intensiv, daß es Mehta erkennbar schwerfällt, die Distanz des Beobachters, auch noch die minimalste Entfernung zwischen den beiden narrativen Spuren - Geschichten aus der Stadt gegen Geschichten von ihm - zu gewährleisten. Es liest sich wie die Ankündigung eines totalen Zusammenstoßes. Monalisa ist ein Wrack, sie tanzt seit Jahren, verliebt sich in die falschen Männer, neigt zur Selbstverstümmelung - aber sie sieht nicht aus wie eines. Wenn sie sich tagsüber auf der Straße treffen, um Gespräche über das Bombayer Nachtleben für das Buch zu führen, fangen die Hunde an zu bellen, die Männer staunen und die Frauen fluchen. Mehta will bei den Beschreibungen der umwerfenden erotischen Energie dieser Frau die Klischees vermeiden, aber er hat schwer zu kämpfen. Einmal fügt es sich, daß er Monalisa nirgendwo anders treffen kann als in der kleinen Arbeitswohnung, die er unterhält, um von Frau und Kindern ungestört schreiben zu können: "Ich muß mich anstrengen, daß meine Hand nicht zittert, als ich den Schlüssel ins Schloß stecke." In einem Roman wäre diese Episode erwartbar und banal, inmitten eines Sachbuchs ist sie eine unerhörte Disgression, die das Werk in der Erinnerung unverwechselbar macht.

Bombay wird immer riesiger, das kann man lesen und lernen. Aber begreifen kann man das Maximum am wirksamsten in Geschichten, die oft nur von minimaler Tragweite scheinen. Ein Klassentreffen zählt dazu. Mehta, der gefeierte Schriftsteller, wird von seiner alten Schule eingeladen. Dort erblickt er einen Klassenkameraden und möchte am liebsten im Boden versinken. In der Kinderzeit war dessen Mutter gestorben, und der kleine Suketu wollte ihn, nachdem es im Kampf durch Schläge nicht gelang, zum Heulen bringen. Also rief er: "Ich weiß doch, daß deine Mama krepiert ist." Nun stand ihm sein Opfer als glatzköpfiger Mann mit Brille gegenüber und plauderte über Beruf und Familie, als habe er alles vergessen. Ein Klassentreffen kann beängstigender sein als ein Hotelzimmer voller Killer, bemerkt Mehta. Es ist eine von unzähligen Einsichten, die dieses Buch für den bereithält, der sich auf die Maximum City einläßt, die hier Bombay genannt wird, die jede Stadt der Welt sein könnte und jedes Dorf.

Maximum City hat keinen Untertitel. Der einzig passende wäre ein journalistischer, der des Magazins der New York Times: The way we live now - wie wir heute leben.

Suketu Mehta: "Bombay". Maximum City. Mit einem Nachwort von Carolin Emcke. Aus dem Englischen von Anne Emmert, Heike Schlatterer und Hans Freundl. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 781 S., geb., 26,80 [Euro].

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2010

DEFGH Bibliothek
Metropolen

Gott stehe
uns bei
„Bombay – Maximum City“
von Suketu Mehta
Mumbai, das frühere Bombay, ist eine gewaltige Umwälzpumpe, alles auf diesem blinddarmartig ins Meer ragenden Landzipfel ist vermischt zu einem Klumpatsch aus Muschelkalk, fauligen Palmenblättern und ausgeblichenem Plastik, aus viktorianischer Architektur, postmodernen Malls mit Rolls-Royce-Showrooms und rostigem Wellblech. Neben Dharavi, dem dichtest besiedelten Slum der Welt, wuchern Wolkenkratzer von Milliardären in die Höhe, hier leben mehr Millionäre als in Manhattan, und jeden Tag pressen sich aus dem restlichen Indien weitere 1000 Menschen auf diese Halbinsel, die nicht expandieren kann. Dabei leben schon heute mehr Menschen in Mumbai als in Australien.
Suketu Mehta ist ein Glücksfall für diese Stadt. Er wurde dort geboren, lebte dann lange in New York, Paris und London, trug all die Jahre das Traumbild einer „wunderschönen Stadt“ und eines „Inselstaats der Hoffnung“ in sich und kam in den neunziger Jahren als Journalist und Drehbuchautor zurück in einen chaotischen Moloch, dem er in seinem Schock zunächst mit Hass begegnet ist: „In den Monaten nach der Ankunft jage ich hinter Klempnern, Elektrikern, Zimmerern her wie seinerzeit Werther hinter Lotte. Was meinen Klempner betrifft, so könnte ich ihn umbringen.“ Statt gewalttätig zu werden, zieht er aber bald los in die Stadt, mit Laptop, und lauscht den Bewohnern ihre Geschichten ab.
In seinem gewaltigen, ja epochalen Buch scheinen stets zwei Menschen zugleich auf diese Megacity zu blicken: Da ist der Eingeborene, der um die Strukturen der Mafiaclans weiß, mit Handwerkern streiten kann, seine Kinder in die Schule bringt und die kulturellen, politischen und sozialen Codes von innen heraus kennt. Und dann ist da der Kosmopolit mit dem ethnologischen Interesse und der ruhelosen journalistischen Neugier: Mehta porträtiert Nachtclubtänzerinnen und fanatische Hindus, er begleitet einen wabbeligen Filmmogul einen Jahr lang durch die Produktion eines Filmes und heftet sich an die Fersen des karrieristischen Polizeichefs Ajay Lal, eines unbestechlichen aber auch grausamen Mannes, dessen Prügelfolterorgien Mehta ohne Wertung beschreibt. Sein Porträt eines fanatischen Hindukillers, der sich nach seinen Taten mit vegetarischen Mahlzeiten zu reinigen glaubt, die Diamantenhändlerfamilie, die auf einem Fest ihr ganzes Vermögen verschenkt, um fortan besitzlos nach den strengen Regeln des Jainismus zu leben – diese Kapitel könnte man als eigene Novellen auskoppeln, so reich an Stoff sind sie, so interessant, vielschichtig und widersprüchlich erscheinen die darin charakterisierten Personen.
Das Buch beginnt mit den Sätzen: „Bombay verkörpert die Zukunft der urbanen Zivilisation auf Erden. Gott stehe uns bei.“ Suketu Mehta verwebt all seine Einzelporträts zu einem labyrinthischen Text, aus dem das gewaltige Bild einer Megalopole der Zukunft entsteht, ungeordnet, wildwuchernd, grausam, wunderschön – „Maximum City“, wie es im Untertitel des Buches heißt.
ALEX RÜHLE
Foto:SZ-Foto / Brigitte Friedrich
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