Die Geschichte beginnt in einer Sommernacht in naher Zukunft. Auf einer Party in München sorgt die neueste Initiative der Europäischen Union für reichlich Gesprächsstoff: Das "Hero"-Programm, dessen europaweite Einführung kurz bevorsteht, erfasst und evaluiert Nutzerdaten in den Bereichen Gesundheit (Health), Sozialverhalten (Equality), ressourcenschonende Lebensführung (Responsability) und Demokratiefähigkeit (Openness). Das digitale Steuerungsinstrument, das »uns alle zu Helden im Kampf um eine bessere Welt« machen soll, ist offenbar auch Gegenstand eines Streits gewesen, den meine Frau Ruth, ihre Freundin Vera und ein mir nicht näher bekannter Wissenschaftler in der Küche ausgetragen haben. Als ich auf das Trio stoße, fragt mich die sichtlich in die Enge getriebene Vera nach meiner Meinung zu "Hero". Bevor ich mich äußern kann, spricht der Wissenschaftler das abschließende Machtwort: »Die Zahlen sprechen gegen dich, Vera«. Daraufhin stürzt die Dissidentin aus dem Raum und verschwindet in der Nacht. Ich laufe ihr nach, weil ich ihr eine Antwort schulde ...Doch was sagen? Dass wir dabei sind, uns zu Zahlenknechten zu machen, zu logischen Maschinen, zu Werkzeugen unserer Werkzeuge? Erst kürzlich hatte ich diese Fragen in einem Brief an zwei alte Freunde aufgeworfen und damit begonnen, die eigene Biografie in die Antwort einzubeziehen. Ich blicke auf die ländliche Welt, in die ich 1954 hineingeboren wurde. Logik, Technik und Rethorik formten diese Welt, aber die Kräfte der »instrumentellen Vernunft« beherrschten sie keineswegs total. Noch bildeten naturwüchsige Bindungen und kindliche Spontaneität einen Gegenpol. Infolgedessen war ich in dieser Zwischenzeit, die bis in die 1970er Jahre hinein reichte, beides: folgsam und frei, naiv und kritisch, arm und reich, »links« und »rechts«. Ich fühlte mich heimisch in den interpolaren Spannungsfeldern. In der Kunstwelt der identitären Zuschreibungen indes, in die ich hineinwuchs, blieb ich ein Fremder.