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Unter allen Münchner Stadtvierteln hat die Maxvorstadt zweifelsohne die glanzvollste und zugleich die problematischste Geschichte. Die Vorstadt jenseits des ehemaligen Schwabinger Tors war das Muster aller kühnen Stadterweiterungsprojekte, ihr allein galt die Zuneigung König Ludwigs I. und auf ihrem Areal wurde durch die Architektenpersönlichkeiten Karl von Fischer, Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner jenes unvergleichbare "Isar-Athen" Wirklichkeit. Die einzigartige Ausstrahlung der Maxvorstadt hat dann jedoch auch früh die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten erregt, die hier ihre…mehr

Produktbeschreibung
Unter allen Münchner Stadtvierteln hat die Maxvorstadt zweifelsohne die glanzvollste und zugleich die problematischste Geschichte. Die Vorstadt jenseits des ehemaligen Schwabinger Tors war das Muster aller kühnen Stadterweiterungsprojekte, ihr allein galt die Zuneigung König Ludwigs I. und auf ihrem Areal wurde durch die Architektenpersönlichkeiten Karl von Fischer, Leo von Klenze und Friedrich von Gärtner jenes unvergleichbare "Isar-Athen" Wirklichkeit. Die einzigartige Ausstrahlung der Maxvorstadt hat dann jedoch auch früh die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten erregt, die hier ihre Parteizentrale errichteten und den prächtigen Königsplatz zu einer primitiven Aufmarschbasis und banalen Kultstätte erniedrigten. Der ehemalige Leiter des Münchner Stadtarchivs Dr. Richard Bauer erzählt von der politisch-kulturellen Ambivalenz dieses Stadtteils, der noch heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Die exzellenten, zum großen Teil bislang unveröffentlichten Bilder aus den umfangreichen Fotosammlungen des Münchner Stadtarchivs laden zu einer Reise in die Geschichte der Maxvorstadt ein.
Autorenporträt
Dr. phil. Richard Bauer ist Stadtdirektor und Leiter des Münchner Stadtarchivs. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte Münchens.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2013

Von der Kuhweide zur Kunstmeile
Der ehemalige Stadtarchivar Richard Bauer erzählt in einem Bildband mit historischen Fotos die Entwicklung
der Maxvorstadt. Dabei werden auch städtebauliche Fehlentscheidungen im Viertel erwähnt
VON SVEN LOERZER
Maxvorstadt – Vor 200 Jahren dienten Teile der Maxvorstadt noch als Weidegrund für Milchkühe und Schlachtvieh, doch schon wenig später begann die Aufwertung der einstigen Grünflächen vor den Toren der Stadt. Auf den Flächen, die einst der Milch- und Fleischversorgung der Stadtbevölkerung innerhalb des Burgfriedens dienten, entstanden im 19. Jahrhundert Prachtbauten, Horte von Kunst, Kultur und Geist.
   Heute ist die Maxvorstadt bekannt als Universitäts- und Museumsviertel, in dem 50 000 Menschen leben und tagsüber etwa viermal soviel Menschen arbeiten. Das Kunstareal soll zum neuen internationalen Aushängeschild des Viertels und der Landeshauptstadt werden, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die breite Schneise des Altstadtrings, Zeugnis der Planung einer autogerechten Stadt, durchschneidet ganz brutal den Zugang von der Altstadt her, schwer überwindbar wie einst die Stadtmauer.
  Wie die nach 1808 angelegte Maximiliansvorstadt, benannt nach Bayerns erstem König Maximilian I. Joseph, vor den Toren des alten München entstanden ist, beschreibt ein neuer Band der vom Stadtarchiv München herausgegebene Reihe „Zeitreise ins alte München“. Der ehemalige Leiter des Stadtarchivs, Richard Bauer, beleuchtet die Geschichte des Viertels und belegt die Entwicklung umfangreich mit historischen Bildern.
  Als Kurfürst Karl Theodor aus der Pfalz mit seinem Hofstaat zu seinem Regierungsantritt Ende 1777 nach München übersiedelte, verschärfte der Zuzug den Wohnraummangel, der die Entwicklung Münchens immer wieder begleiten sollte. Der neue Herrscher startete deshalb einen Wettbewerb: 100 Dukaten sollte es für einen praktikablen Plan zur Anlage einer Vorstadt geben. Der Siegerentwurf sah ein nahezu quadratisches Neubaugebiet vor, dessen Wohnblocks streng geometrisch ausgerichtet sein sollten, doch der blieb unverwirklicht.
  Erst am Anfang des 19. Jahrhunderts begannen Überlegungen, wie sich München planmäßig und seiner Bedeutung als Hauptstadt des neuen Königreichs Bayern entsprechend erweitern lässt. Danach sollte eine weiträumige, durchgrünte Vorstadt entstehen. Doch unter dem Einfluss von Leo von Klenze dominierte dann nicht mehr „das für Gartengrün offene Pavillonsystem“, sondern schon bald die geschlossene, „unmittelbar aneinander gerückte Bebauung“, wie Bauer anmerkt. „Ausgenommen von der rasch um sich greifenden Verdichtung der Maxvorstadt blieben die bereits von Karl von Fischer baulich akzentuierten Bereiche um den Karolinenplatz und natürlich das Umfeld der auf freie Sicht angelegten ludovizianischen Kunsttempel, der Glyptothek und der beiden Pinakotheken.“
  Unter Klenzes Federführung sei die gesamte urbane Anlage vor dem 1808 beseitigten Schwabinger Tor des alten München mit dem Odeonsplatz, ferner die hellenistische „Herzkammer“ Neumünchens, der prächtige Königsplatz und die imperiale Ludwigstraße entstanden. Ludwig I., der seit 1825 als König regierte, habe es als seine Lebensaufgabe angesehen, „seiner Residenzstadt hier eine beeindruckende Fassade vorzublenden, deren hohes künstlerisches Niveau die Schwächen und Unzulänglichkeiten seiner nur im europäischen Mittelmaß angesiedelten Monarchie überdecken sollte“, erklärt der Buchautor.
  So habe sich ein „wahrhaft faszinierender Spannungsbogen“ gebildet zwischen der in den Baumassen aufgelockerten frühklassizistischen Architektur Fischers und der maximal verdichteten, hochklassizistischen Monumentalität Klenze’scher Prägung, bevor die Eingriffe der NS-Zeit und die kriegsbedingten Zerstörungen die Brienner Straße veränderten.
  Die triumphal angelegte Ludwigstraße zwischen Feldherrnhalle und Siegestor weise einen „nicht minder dramatischen Übergang von der hochklassizistischen Architektur Klenzes zu dem im nördlichen Bereich dominierenden italo-romanischen Baustil Friedrich von Gärtners“ auf. Bauer nennt deshalb das Gebiet zwischen den beiden Prunktoren (Siegestor und Propyläen) den „Kampfplatz hochmotivierter Architekten, deren zermürbender Konkurrenz um die wankelmütige Gunst des Königs die Maxvorstadt einzigartige Palais- und Staatsbauten verdankt“.
  In der Maxvorstadt entstanden prächtige Museen, aber auch die Ludwig-Maximilians-Universität erhielt 1840 ein großzügiges Gebäude. Später kam die Akademie der Bildenden Künste hinzu. Studenten und Künstler, dann zunehmend Schriftsteller machten das Karree zwischen Theresien-, Akademie-, Ludwig- und Barer Straße zu einer Art Quartier Latin.
  In den Läden und Lokalen der nördlichen Maxvorstadt, etwa im Café Stephanie, der Osteria Bavaria, dem Schelling-Salon und dem Café Simplicissimus habe sich ein ganz spezifisches Lebensgefühl entwickelt, das zum Teil noch heute spürbar sei, meint Bauer. „Die aus Literaten, Malern, Geistesriesen und Spinnern zusammengesetzte Boheme im vielfältig schillernden Zwischenreich Maxvorstadt-Schwabing setzte jedenfalls der viel gerühmten ,Kunststadt München‘ um 1900 ein besonderes Glanzlicht auf.“
  In der NS–Zeit wurde die Maxvorstadt bevorzugtes Ziel der Umgestaltung, die auf den Geltungsdrang des Regimes ausgerichtet war. Das „Braune Haus“ und der „Führerbau“ gehören zu den bekanntesten Gebäuden, die von einer Vielzahl von NS-Dienststellen umgeben waren, sodass Bauer von einem „Spinnennetz“ spricht, einer „Topografie der totalen Kontrolle, der Unterdrückung und des Schreckens rund um den Karolinenplatz“. Die Maxvorstadt sei eine „bevorzugte Projektionsfläche des NS-Bauwahns“ geworden. Pläne sahen sogar eine gigantische „Halle der Partei“ mit einem Hitler-Mausoleum vor.
  Im Zweiten Weltkrieg wurde in manchen Teilen der Maxvorstadt bis zu 70 Prozent der Bausubstanz zerstört. Das begünstigte die autogerechte Umgestaltung, wie sie schon Ende der Dreißigerjahre angestrebt wurde. Nach und nach entstand der Altstadtring, der die einst von der Stadtmauer umfasste Altstadt nun durch „einen fluktuierenden ,Wall‘ von Autos“ von der Vorstadt trennt, wie Bauer bedauert: „Diese Isolation des Zentrums durch den Ringverkehr entwertete auch die ineinander übergehenden einzigartigen Anlagen von Maximiliansplatz, Lenbachplatz und Karlsplatz-Stachus“, klagt der Autor, die zuvor „das noble Entree der Innenstadt und zugleich das stilvolle Vorgelände der Maxvorstadt gebildet hätten“. Er ärgert sich auch über die „ideenlose Verlegenheitsarchitektur“, die auf leergeräumte Trümmergrundstücke „langweilig gestaltete Wohnkästen“ gesetzt habe.
  Bauer lässt erkennen, dass er ebenso wenig ein Freund der „großen und glänzenden Betonwürfel“ ist, doch einer weiteren Bewertung aktueller Entwicklungen enthält er sich leider. Das ist schade – entspricht aber der Vorgabe der Buchreihe, nur „eine Zeitreise in die Vergangenheit“ zu sein. Gerade aber von Bauer mit seinem umfassenden Wissen würde man sich den „Kontrollflug über die Gegenwart“, wie er es nennt, durchaus ausführlich wünschen.
Richard Bauer: Maxvorstadt. Volk-Verlag, 192 Seiten, 24,90 Euro.
Richard Bauer ärgert sich
über die „ideenlose
Verlegenheitsarchitektur“
Die Maxvorstadt von einst: Das Englische Café am Lenbachplatz gibt es längst nicht mehr (die Aufnahme oben entstand um 1880), auch der Maximiliansplatz (um 1905) ist kaum wiederzuerkennen. Das Bild unten zeigt den Leichenzug Ludwig II. im Jahr 1886 entlang des Alten Botanischen Gartens. Die Bilder entstammen dem Band „Maxvorstadt“.
FOTOS: VOLK-VERLAG
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