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Ernest Mayday, englischer Bestsellerautor, hat es nach Hollywood verschlagen. Er leidet unter Schreibsperre und hat einen bereits angekündigten Roman noch nicht einmal angefangen. Da entdeckt der fieberhaft nach einer Handlung Suchende in der Zeitung eine Kleinanzeige, in der eine Weiblichkeit mit Namen Joanna auf sich aufmerksam macht. Die erste Begegnung ist enttäuschend, doch dann liefert Joanna Mayday eine Story, die es in sich hat. "'Mayday' verschafft uns authentische Einblicke in das Amerika und Hollywood der 90er. Es ist wunderbar unterhaltend und provokativ." (Jewish Chronicle.)

Produktbeschreibung
Ernest Mayday, englischer Bestsellerautor, hat es nach Hollywood verschlagen. Er leidet unter Schreibsperre und hat einen bereits angekündigten Roman noch nicht einmal angefangen. Da entdeckt der fieberhaft nach einer Handlung Suchende in der Zeitung eine Kleinanzeige, in der eine Weiblichkeit mit Namen Joanna auf sich aufmerksam macht. Die erste Begegnung ist enttäuschend, doch dann liefert Joanna Mayday eine Story, die es in sich hat. "'Mayday' verschafft uns authentische Einblicke in das Amerika und Hollywood der 90er. Es ist wunderbar unterhaltend und provokativ." (Jewish Chronicle.)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.1995

Ein Pekinese will Dogge werden
Auch britische Drehbuchschreiber müssen in Hollywood aufpassen

Raymond Chandler war schon nach drei Jahren mit Hollywood fertig. Was sind die unmoralischen Angebote, denen Philip Marlowe widerstand, gegen ein System, das jeden Autor verheizt, der nicht zynisch genug ist, um korrupt zu sein, und dumm genug, seine Lohnschreiberei als Prostitution zu empfinden? Filmreife Drehbücher zu verfassen, klagt Chandler in seiner Abrechnung "Schriftsteller in Hollywood", böte einem seriösen Autor so viele Chancen, sich auszuzeichnen, wie ein Pekinese habe, eine dänische Dogge zu werden.

Als Feuerprobe und literarisches Material hat Chandler seine "verdammte Wurstelei" in Hollywood freilich nicht missen mögen. "Die hochtrabende Nichtigkeit, der ganze schwindelhafte Enthusiasmus, die permanente Sauferei und Hurerei, die pausenlose Balgerei ums Geld, die Allgegenwärtigkeit der Agenten, die Blasiertheit der Großkopfeten, die unablässige Angst, dieses ganze märchenhafte Gold zu verlieren und wieder das Nichts zu werden, das sie immer geblieben sind", schrieb er 1946 an den Verleger Alfred A. Knopf, "es wäre ein großes Sujet für einen Roman."

Der britische Film- und Theaterregisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Jonathan Lynn hat nicht nur, mit beträchtlichem Erfolg, den Panthersprung nach Hollywood gewagt, sondern nun auch den nicht minder kühnen vom Film zum Roman. Natürlich sind seine Komödien mit Eddie Murphy ("Ein ehrenwerter Gentleman") oder demnächst Steve Martin nicht ganz so sophisticated wie seine legendären Fernsehsatiren "Yes, Minister" und "Yes, Prime Minister". Aber sie verschaffen ihm wertvolle Einblicke in die Tricks eines Genres, das sich nur als Gaunerkomödie beschreiben läßt. "Mayday" ist nicht der große Hollywood-Roman, von dem Chandler träumte, aber eine streckenweise brillante Satire auf die Situation, unter der er litt. Daß noch der Spötter sich der special effects und Klischees bedient, die er sarkistisch enthüllt, gehört zur Geschäftsgrundlage seiner Doppelbegabung.

Ernest Mayday, so viel autobiographische Koketterie muß sein, ist ein erfolgreicher englischer Schriftsteller und Drehbuchautor in Hollywood, ein sympathischer Zyniker und geistreicher Versager, wie sie britische Autoren von Anthony Burgess bis David Lodge und Stephen Fry so lieben. Abgebrüht und ausgebrannt, ist er auf fremde Ideen angewiesen, auf den frischen Mut und namentlich das Geld der Yankees, über die er sich schon um seiner Selbstachtung willen erheben muß. Den Vorschuß seines Verlegers hat er längst verschleudert. Zwar hat Mayday das Drehbuch für "Lügen" bereits fertig, aber vor die Verfilmung haben die Götter Agenten, Anwälte und Therapeuten, hemdsärmelige Produzenten und zickige Stars gesetzt, die den europäischen Künstler als den "kleinen popeligen Autor" behandeln, der er ist.

Mit dem Roman geht es erst voran, als er eine junge Frau trifft, die sich in einer Kleinanzeige erbötig zeigt, für 10000 Dollar "alles" mitzumachen. Jeder andere würde dabei an das eine denken; nicht so der weltfremde Mayday, der in seinem Leben vor dem literarischen Ruhm Beamter war. Und so hält seine Muse ihn mit dosiert gewährten Reizen und einer Räuberpistole hin, von der beide profitieren: Joanna, die Koautorin in Geldnot, bekommt ihr Sündengeld, der Autor in Seenot eine wasserdichte Story. Ihr Plot ist hollywoodlike: Sex und Crime im Milieu der bigotten Wanderprediger vom Schlage eines Jim Bakker oder Jimmy Swaggert. Sie sei, so souffliert Joanna in ihrem Drehbuch, von der "Kirche der Gemeinschaft der persönlichen Wahrheit" dazu angestiftet worden, einen Geschworenen zu verführen, um so den Prozeß gegen deren Guru Abel Pile zum Platzen zu bringen.

Mayday, unter dem albernen Pseudonym Norm de Plume nur unzureichend getarnt, ergreift den Strohhalm mit dem Feuereifer des bedürftigen Romanciers; er ermuntert die Intrige um so lieber, als er auch ein persönliches Interesse am Fall des geschäftstüchtigen Propheten hat: Seine Freundin Randi, eine Jüngerin Piles, nervt ihn nämlich schon lange mit Missionsarbeit und Heiratswünschen. Das Heikle an der Sache ist nun, daß die Inspiration der Muse sich mit den Männerphantasien des gehemmten Autors bald so unentwirrbar kreuzt und überlagert, daß der Betrüger am Ende als der Gefoppte dasteht: Während er noch Herr wenn nicht des Geschehens, so doch seines Romans zu sein glaubte, ist er längst die Marionette seiner Ghostwriterin.

Gewiß, der Schluß ist lieblos hingehauen, und die Sottisen über political correctness, Dekonstruktivismus und kalifornischen Fitnesskult sind eher Sahnehäubchen auf dem englischen Pudding als originelle Beobachtungen. Aber das Sittenbild Hollywoods ist immerhin so intelligent und kenntnisreich gemalt, daß man fast vergessen könnte, daß "Mayday" auch eine kritische Selbstreflexion des Dichters als Lohnschreiber ist - und damit womöglich eine brauchbare Filmvorlage. MARTIN HALTER

Jonathan Lynn: "Mayday". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Stegers. Haffmans Verlag, Zürich 1995. 408 S., geb., 44,- DM.

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