Das organisierte Verbrechen ist ein Gewinner der Globalisierung das ist die bittere Erkenntnis des britischen Journalisten Misha Glenny nach jahrelangen Recherchen in der Unterwelt. In seinem spektakulären, oft erschreckenden und bahnbrechenden Buch enthüllt er die brutalen Profiteure der weltumspannenden Schattenwirtschaft von der kasachischen Kaviarmafia über ukrainische Waffenhändler bis zu kanadischen Drogensyndikaten.
Waffenschmuggel, Frauenhandel, Drogengeschäfte, Geldwäsche, Internetbetrügereien, Korruption: Das organisierte Verbrechen hat von den politischen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der Jahre nach dem Mauerfall enorm profitiert und sickert in fast alle Lebensbereiche ein. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts aus kriminellen Aktivitäten stammen.
Bei seinen jahrelangen mutigen Recherchen hat Misha Glenny mit Gangstern, Opfern, Politikern und Polizisten auf der ganzen Welt gesprochen und die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge der organisierten Kriminalität durchleuchtet. Ob er von der russischen Mafia berichtet, von kolumbianischen Drogenbaronen oder chinesischen Menschenschmugglern es wird deutlich, aus welchen Quellen sich das hydragleiche Verbrechen speist: aus der Armut der Entwicklungsländer, der unablässigen Gier nach Drogen und Waffen, dem materiellen Überfluss der westlichen Industrienationen. Glenny öffnet uns die Augen für eines der großen Probleme unserer Zeit.
Eine fesselnde und furchtlose Recherche in der internationalen Unterwelt Zeigt viele bisher unbekannte Aspekte des organisierten Verbrechens.
Waffenschmuggel, Frauenhandel, Drogengeschäfte, Geldwäsche, Internetbetrügereien, Korruption: Das organisierte Verbrechen hat von den politischen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen der Jahre nach dem Mauerfall enorm profitiert und sickert in fast alle Lebensbereiche ein. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts aus kriminellen Aktivitäten stammen.
Bei seinen jahrelangen mutigen Recherchen hat Misha Glenny mit Gangstern, Opfern, Politikern und Polizisten auf der ganzen Welt gesprochen und die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge der organisierten Kriminalität durchleuchtet. Ob er von der russischen Mafia berichtet, von kolumbianischen Drogenbaronen oder chinesischen Menschenschmugglern es wird deutlich, aus welchen Quellen sich das hydragleiche Verbrechen speist: aus der Armut der Entwicklungsländer, der unablässigen Gier nach Drogen und Waffen, dem materiellen Überfluss der westlichen Industrienationen. Glenny öffnet uns die Augen für eines der großen Probleme unserer Zeit.
Eine fesselnde und furchtlose Recherche in der internationalen Unterwelt Zeigt viele bisher unbekannte Aspekte des organisierten Verbrechens.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2008Die Mafia lizenziert ihr Geschäftsmodell
Das gut organisierte Verbrechen bedient sich neuer Managementmethoden. Arbeitsteilung und Franchising lassen die Branche blühen wie nie.
VON CARSTEN GERMIS
Die Weltwirtschaft lahmt, doch eine Branche boomt wie noch nie: das organisierte Verbrechen. Ob Russenmafia, chinesische Triaden oder kolumbianische Drogenbarone - in der grenzenlosen Welt der Globalisierung boomen ihre Geschäfte.
Bis zu 20 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts stammen heute aus kriminellen Aktivitäten, schätzen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Diese Verbrecher sind nicht nur Räuber und Mörder, sondern "auch gute Kapitalisten und Unternehmer", sagt der britische Experte Misha Glenny, dessen Buch über den Siegeszug des organisierten Verbrechens am Mittwoch in die Buchhandlungen kommt. "Sie suchten sich ihre Partner und Märkte auf allen Kontinenten und waren in jeder Hinsicht ebenso kosmopolitisch wie Shell, Nike und McDonald's."
Was unterscheidet organisierte Kriminalität von den Verbrechen gewöhnlicher Gauner? In Deutschland ist das seit 1992 sogar gesetzlich klar definiert: "Unter organisierter Kriminalität ist eine von Gewinnstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehrere Beteiligte zu verstehen", heißt es. Die Verbrecher müssen "auf längere und unbestimmte Zeit arbeitsteilig" zusammenarbeiten. Sie müssen geschäftsähnliche Strukturen haben, Gewalt anwenden und versuchen, "auf Politik, Medien, Justiz oder Wirtschaft Einfluss zu nehmen".
Dabei kann organisierte Kriminalität positive Folgen haben. Als Anfang der 90er Jahre in Russland und früheren Sowjetrepubliken die staatliche Ordnung zusammenbrach, suchte die neue Klasse der Geschäftsleute schnell Schutz bei der russischen Mafia. Glenny zitiert einen Geschäftsmann aus Omsk mit den Worten: "Wir sind bereit, mit Schutzgeldern zu arbeiten, denn das kostet uns nur zehn Prozent." Der Staat verlangte mehr, konnte aber - anders als die straff organisierten Verbrecherbanden - nicht garantieren, dass die Unternehmen ihre Geschäfte ungestört fortsetzen können. Ohne die Mafia hätte sich die russische Variante der Marktwirtschaft so schnell nicht durchgesetzt.
Dabei haben russische Verbrechergruppen gegenüber Organisationen wie der Mafia oder der Cosa Nostra einen entscheidenden Vorteil. Während in der italienischen Mafia Familienbanden eine starke Rolle spielen, wird die russische Mafia nur vom gemeinsamen Geschäftsinteresse zusammengehalten. Das lässt sie ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln: Die tschetschenische Mafia zum Beispiel wurde in Russland wegen ihrer Gewalt schnell zu einem Markennamen. Ihre Bosse nutzen das aus, um ein riesiges Franchiseunternehmen aufzubauen - McMafia orientierte sich an großen Vorbildern wie McDonald's. "Sie verkauften den Namen ,tschetschenisch' an Schutzgeldkartelle in anderen Städten", berichtet Glenny. Die zahlten dafür und mussten zudem zusichern, bei Widerstand ebenso brutal aufzutreten wie das Original.
Ob Drogenhandel, Waffenschiebereien oder Frauenhandel - überall arbeiten organisierte kriminelle Banden arbeitsteilig in einer genau ausgearbeiteten Infrastruktur zusammen. Glenny zeigt das am Beispiel einer jungen Frau aus Moldau, Ludmilla, die zur Prostitution an ein Bordell in Israel verkauft wurde. "Als sie in Tel Aviv ankam, war sie durch die Hände von Moldauern, Russen, Ägyptern, Beduinen, russischen Juden und einheimischen Israelis gegangen", schreibt er. Jeder verdiente an diesem Geschäft, nur Ludmilla nicht. Und ihr Albtraum hatte mit dem Transport erst begonnen.
Deutschland ist wegen seiner offenen Grenzen beim organisierten Verbrechen besonders beliebt. Die Fahnder des Bundeskriminalamtes klärten 2007 Fälle organisierter Kriminalität auf, die rund eine halbe Million Euro Schaden angerichtet hatten. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Experten rechnen mit 35 Milliarden Euro, die organisierte Verbrecherbanden in der Bundesrepublik verdienen. Durch die Öffnung der Grenzen werden auch immer mehr Banden aus dem Ausland aktiv (siehe Grafik). Dabei funktioniert die Arbeitsteilung zwischen ihnen hierzulande und weltweit immer noch entlang ethnischer Grenzen. Deutsch dominierte Gruppen sind vor allem bei der Wirtschaftskriminalität und beim Drogenhandel stark. Türkische Gruppen kontrollieren den Heroinhandel über den Balkan. Polnische Gruppen sind nach wie vor für die Verschiebung gestohlener Autos nach Osteuropa zuständig. Die Russen sind spezialisiert auf Geldwäsche.
Auf dem Vormarsch sind - wie in der Weltwirtschaft auch - die Chinesen. 60 Prozent der gefälschten Markenwaren, die auf der Welt verkauft werden, stammen aus China. 20 bis 25 Prozent der chinesischen Exporte sind Fälschungen. Ein großes Problem ist dabei, dass viele chinesische Politiker die organisierte Kriminalität und die verbreitete Korruption dulden, solange sie die Herrschaft der Kommunistischen Partei nicht gefährden.
In Japan haben chinesische Triaden schon Fuß gefasst. Die japanische Yakuza, das wohl mächtigste Schutzgeldkartell, beschäftigt wegen ihrer Rekrutierungsprobleme in der alternden Gesellschaft immer mehr Chinesen als Subunternehmer. Als Glenny einen Yakuza-Veteranen darauf ansprach, sagte der grinsend: "Wenn ich Anlageberater wäre, würde ich meinen Klienten sagen, sie sollten ihre Yakuza-Aktien verkaufen und stattdessen in die Triaden investieren."
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das gut organisierte Verbrechen bedient sich neuer Managementmethoden. Arbeitsteilung und Franchising lassen die Branche blühen wie nie.
VON CARSTEN GERMIS
Die Weltwirtschaft lahmt, doch eine Branche boomt wie noch nie: das organisierte Verbrechen. Ob Russenmafia, chinesische Triaden oder kolumbianische Drogenbarone - in der grenzenlosen Welt der Globalisierung boomen ihre Geschäfte.
Bis zu 20 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts stammen heute aus kriminellen Aktivitäten, schätzen die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Diese Verbrecher sind nicht nur Räuber und Mörder, sondern "auch gute Kapitalisten und Unternehmer", sagt der britische Experte Misha Glenny, dessen Buch über den Siegeszug des organisierten Verbrechens am Mittwoch in die Buchhandlungen kommt. "Sie suchten sich ihre Partner und Märkte auf allen Kontinenten und waren in jeder Hinsicht ebenso kosmopolitisch wie Shell, Nike und McDonald's."
Was unterscheidet organisierte Kriminalität von den Verbrechen gewöhnlicher Gauner? In Deutschland ist das seit 1992 sogar gesetzlich klar definiert: "Unter organisierter Kriminalität ist eine von Gewinnstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten durch mehrere Beteiligte zu verstehen", heißt es. Die Verbrecher müssen "auf längere und unbestimmte Zeit arbeitsteilig" zusammenarbeiten. Sie müssen geschäftsähnliche Strukturen haben, Gewalt anwenden und versuchen, "auf Politik, Medien, Justiz oder Wirtschaft Einfluss zu nehmen".
Dabei kann organisierte Kriminalität positive Folgen haben. Als Anfang der 90er Jahre in Russland und früheren Sowjetrepubliken die staatliche Ordnung zusammenbrach, suchte die neue Klasse der Geschäftsleute schnell Schutz bei der russischen Mafia. Glenny zitiert einen Geschäftsmann aus Omsk mit den Worten: "Wir sind bereit, mit Schutzgeldern zu arbeiten, denn das kostet uns nur zehn Prozent." Der Staat verlangte mehr, konnte aber - anders als die straff organisierten Verbrecherbanden - nicht garantieren, dass die Unternehmen ihre Geschäfte ungestört fortsetzen können. Ohne die Mafia hätte sich die russische Variante der Marktwirtschaft so schnell nicht durchgesetzt.
Dabei haben russische Verbrechergruppen gegenüber Organisationen wie der Mafia oder der Cosa Nostra einen entscheidenden Vorteil. Während in der italienischen Mafia Familienbanden eine starke Rolle spielen, wird die russische Mafia nur vom gemeinsamen Geschäftsinteresse zusammengehalten. Das lässt sie ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln: Die tschetschenische Mafia zum Beispiel wurde in Russland wegen ihrer Gewalt schnell zu einem Markennamen. Ihre Bosse nutzen das aus, um ein riesiges Franchiseunternehmen aufzubauen - McMafia orientierte sich an großen Vorbildern wie McDonald's. "Sie verkauften den Namen ,tschetschenisch' an Schutzgeldkartelle in anderen Städten", berichtet Glenny. Die zahlten dafür und mussten zudem zusichern, bei Widerstand ebenso brutal aufzutreten wie das Original.
Ob Drogenhandel, Waffenschiebereien oder Frauenhandel - überall arbeiten organisierte kriminelle Banden arbeitsteilig in einer genau ausgearbeiteten Infrastruktur zusammen. Glenny zeigt das am Beispiel einer jungen Frau aus Moldau, Ludmilla, die zur Prostitution an ein Bordell in Israel verkauft wurde. "Als sie in Tel Aviv ankam, war sie durch die Hände von Moldauern, Russen, Ägyptern, Beduinen, russischen Juden und einheimischen Israelis gegangen", schreibt er. Jeder verdiente an diesem Geschäft, nur Ludmilla nicht. Und ihr Albtraum hatte mit dem Transport erst begonnen.
Deutschland ist wegen seiner offenen Grenzen beim organisierten Verbrechen besonders beliebt. Die Fahnder des Bundeskriminalamtes klärten 2007 Fälle organisierter Kriminalität auf, die rund eine halbe Million Euro Schaden angerichtet hatten. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Experten rechnen mit 35 Milliarden Euro, die organisierte Verbrecherbanden in der Bundesrepublik verdienen. Durch die Öffnung der Grenzen werden auch immer mehr Banden aus dem Ausland aktiv (siehe Grafik). Dabei funktioniert die Arbeitsteilung zwischen ihnen hierzulande und weltweit immer noch entlang ethnischer Grenzen. Deutsch dominierte Gruppen sind vor allem bei der Wirtschaftskriminalität und beim Drogenhandel stark. Türkische Gruppen kontrollieren den Heroinhandel über den Balkan. Polnische Gruppen sind nach wie vor für die Verschiebung gestohlener Autos nach Osteuropa zuständig. Die Russen sind spezialisiert auf Geldwäsche.
Auf dem Vormarsch sind - wie in der Weltwirtschaft auch - die Chinesen. 60 Prozent der gefälschten Markenwaren, die auf der Welt verkauft werden, stammen aus China. 20 bis 25 Prozent der chinesischen Exporte sind Fälschungen. Ein großes Problem ist dabei, dass viele chinesische Politiker die organisierte Kriminalität und die verbreitete Korruption dulden, solange sie die Herrschaft der Kommunistischen Partei nicht gefährden.
In Japan haben chinesische Triaden schon Fuß gefasst. Die japanische Yakuza, das wohl mächtigste Schutzgeldkartell, beschäftigt wegen ihrer Rekrutierungsprobleme in der alternden Gesellschaft immer mehr Chinesen als Subunternehmer. Als Glenny einen Yakuza-Veteranen darauf ansprach, sagte der grinsend: "Wenn ich Anlageberater wäre, würde ich meinen Klienten sagen, sie sollten ihre Yakuza-Aktien verkaufen und stattdessen in die Triaden investieren."
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit einer Situationsbeschreibung zu Ausmaß und Charakter der organisierten Kriminalität heute leitet Reporter Hans Leyendecker seine Rezension zu Misha Glennys "McMafia" betitelter, international ausgerichteter Studie ein. 'Mafia' sei kein Geheimbund, erklärt Leyendecker, sondern eine Definition des Zustands einer Gesellschaft. Wie der Rezensent ausführt, hat sich das organisierte Verbrechen in Europa nach dem Ende des Kommunismus eher ausgeweitet, nicht zuletzt auch aufgrund der Aktivitäten früherer Sicherheitsdienste, wie der britische Autor, ein Experte für Mittel- und Südosteuropa, für den Rezensenten überzeugend darstellt, etwa in der Verknüpfung der Kriege im ehemaligen Jugoslawien mit dem organisierten Verbrechen. Eine Kernthese Glennys lautet, die Verbrechensstrukturen in Osteuropa hätten in der Übergangszeit den Aufbau des Kapitalismus überhaupt möglich gemacht. Der Rezensent referiert, die heutigen Verbrechergruppen bilden keine parallele Gegenmacht zu staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen, sondern bevorzugen eine unauffällige und ebenso ungestörte Teilnahme am Wirtschaftskreislauf. Ohnehin sei es schwierig, eine scharfe Trennlinie zwischen der organisierten Kriminalität und "gewöhnlicheren" Formen der Korruption im Kapitalismus zu ziehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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