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Mit Mechthild von Magdeburg (gestorben um 1282) erreicht die deutschsprachige Frauenmystik einen einzigartigen Höhepunkt. Die empfindungsstarke, zugleich sprachmächtige Dichterin hat man mit den deutschen Minnesängern und den südfranzösischen Trobadors verglichen und sie selbst eine spirituelle Trobadoura genannt. Seit Jugendtagen mit den Erfahrungen einer bewegten Innerlichkeit begabt, hat sie ihre glühende Gottesliebe nach Art des biblischen Hohenliedes in anmutigen erotischen Bildern und Vergleichen von erstaunlicher Kühnheit gestaltet. Ihre Schilderungen eines spirituell-intimen Erlebens…mehr

Produktbeschreibung
Mit Mechthild von Magdeburg (gestorben um 1282) erreicht die deutschsprachige Frauenmystik einen einzigartigen Höhepunkt. Die empfindungsstarke, zugleich sprachmächtige Dichterin hat man mit den deutschen Minnesängern und den südfranzösischen Trobadors verglichen und sie selbst eine spirituelle Trobadoura genannt. Seit Jugendtagen mit den Erfahrungen einer bewegten Innerlichkeit begabt, hat sie ihre glühende Gottesliebe nach Art des biblischen Hohenliedes in anmutigen erotischen Bildern und Vergleichen von erstaunlicher Kühnheit gestaltet. Ihre Schilderungen eines spirituell-intimen Erlebens sind von poetischen Geständnissen durchzogen, die ihrerseits einladen, den Seelenwegen der immer noch neu zu entdeckenden Mystikerin und Poetin nachzugehen.

"O du brennender Gott an deiner Sehnsucht, o du inniger Gott an deiner Einung, o du ruhender Gott an meiner Liebe - ohne dich ich nicht am Leben bliebe." -- Mechthild von Magdeburg
Autorenporträt
Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2010

Im Baumgarten der Liebe
Praktizierte Gotteserotik: Mechthild von Magdeburgs sprachglühende Mystik

Mystik hat Konjunktur. Nicht nur Esoterik-Shops preisen ihre Räucherstäbchen als mystisch an, man kann auch mystische Urlaube buchen oder sich ein mystisches Tattoo applizieren lassen. Mystisch heißt heutzutage alles, was irgendwie übersinnlich sein soll. Der diffundierende Sprachgebrauch hat einen durchaus nicht diffusen Ursprung. Als mystisch, "geheim(nisvoll)" (griechisch mystikós), verstehen sich spirituelle Lehren und Praktiken, die es in vielen Religionen gibt, im Christentum so gut wie im Judentum, im Islam oder im Buddhismus. Im Christentum zielt diese Art von Spiritualität auf die unmittelbare Erfahrung Gottes schon im diesseitigen Leben. Sie gipfelt in der Vereinigung der Seele mit Gott, in der unio mystica.

Von den Kirchenvätern begründet, spielen mystische Frömmigkeit und mystisches Denken in der geistlichen und geistigen Kultur des Mittelalters eine wichtige Rolle. Die Literaturgeschichte verdankt ihnen eine Reihe bedeutender Texte, als "erstes Buch der deutschen Mystik" (Gustav Ehrismann) gilt das "St. Trudperter Hohelied" aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Es ist eine Auslegung des "Hohen Liedes" der Bibel. Ein unbekannter Verfasser hat sie für Nonnen verfasst, um sie über die "Erkenntnis Gottes in der Liebe" zu belehren. Als Bräute Christi sollen sie die Liebe zwischen der Braut und dem Bräutigam des "Hohen Liedes" als Modell für ihr eigenes Verhältnis zu Gott begreifen. "Brautmystik" nennt man das. Sie ist über das Mittelalter hinaus eine der wirkungsmächtigsten Formen mystischer Spiritualität. Ihr ist auch das erste mystische Bekenntnisbuch in deutscher Sprache verpflichtet, das "Fließende Licht der Gottheit" der Mechthild von Magdeburg. Entstanden in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, protokolliert es die geistlichen Erfahrungen und Einsichten seiner Verfasserin. Wer diese Frau war, können wir nur annäherungsweise erschließen. Sie dürfte als Begine in Magdeburg gelebt haben, hat sich gegen Ende ihres Lebens offenbar zu den Zisterzienserinnen des Klosters Helfta bei Eisleben zurückgezogen und scheint dort in den frühen achtziger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts gestorben zu sein.

Das "St. Trudperter Hohelied" belehrt über die geistliche Brautschaft der Seele - und stimmt die Adressatinnen mit einer raffiniert rhythmisierten Prosa emotional auf sie ein. Das "Fließende Licht der Gottheit" dagegen macht uns zu Zeugen einer praktizierten Gotteserotik, in der das "Hohe Lied" gewissermaßen "experimentiert" wird (Alois Haas). Die Vereinigung der Seele mit Gott erscheint als Geschlechtsakt: "Ich warte auf dich im Baumgarten der Liebe", spricht der himmlische Bräutigam, "und breche dir die Blumen der süßen Vereinigung."

Die bildliche Rede hier ist nicht bloß äußerliche Form der Darstellung. Bildlich ist zuallererst die Form der Erfahrung selbst. Denn als das ganz Andere kann die Gotteserfahrung nicht hinübergenommen werden in das Bewusstsein, das dem diesseitigen Menschen zugehört. Es kann sich in ihm nur abbilden in Gestalt diesseitiger Erlebnismuster. Und ein solches Erlebnismuster ist das der geschlechtlichen Liebe.

Indem es bekenntnishaft Zeugnis ablegt von der Erfahrung Gottes, ist das "Fließende Licht der Gottheit" zugleich ein Buch der Offenbarung der göttlichen Geheimnisse. Durch den Mund Mechthilds, so wird dem Leser versichert, spricht Gott. Er selbst, heißt es zu Beginn, hat das Buch gemacht, in seinem Unvermögen, seine Gnade zurückzuhalten. Und er hat dem Buch auch den Titel gegeben: "Es soll heißen: Das Licht meiner Gottheit, fließend in alle Herzen, die da leben ohne Arg."

Für uns ist dieses Buch vor allem ein sprachliches Kunstwerk von außergewöhnlichem Rang. Mechthild verfügt über alle Register des Sprechens vom nüchternen Bericht bis zum entzückten Gesang. Ihre Prosa schwingt sich immer wieder auf zu rhythmischer Rede, zu Vers und Reim. Überreich ist die Bildlichkeit, die in mystischer Tradition als Vehikel jener Erkenntnis des Bildlosen fungiert, die - wie es dann im vierzehnten Jahrhundert Johannes Tauler formulieren sollte - durch Bilder über die Bilder hinauszukommen trachtet. Es kann diese Bildlichkeit aber auch jäh umschlagen in Abstraktion, in ein "Schrumpfen der Rede", wie man gesagt hat, die "das Vielfältige zur Einheit" zwingt (Kurt Ruh). Man möchte das virtuos nennen, wenn sich der Begriff nicht verböte angesichts einer Autorin, die sich gerade nicht als selbstmächtige Künstlerin verstanden hat, sondern "unter heißen Tränen" bekennt, dass sie sich ihrer Berufung, das Buch "aus Gottes Herzen und Mund zu schreiben", schämte, weil ihr ihre "vollkommene Unwürdigkeit deutlich vor Augen" stand.

Vor sieben Jahren hat Gisela Vollmann-Profe im Deutschen Klassiker Verlag eine exzellente zweisprachige Ausgabe des faszinierenden Werks vorgelegt (F.A.Z. vom 17. Juni 2004). Der Verlag der Weltreligionen hat sie jetzt neu herausgebracht. Text und Übersetzung sind unverändert geblieben, Nachwort und Kommentar hat die Herausgeberin gründlich überarbeitet und aktualisiert; die rein sprachlichen Kommentare, die nur den Philologen interessieren können, wurden getilgt. Es ist ein auch äußerlich schönes Buch geworden, dem man viele Leser wünscht - nicht zuletzt solche, die Mystik bisher nur aus dem Esoterik-Shop kannten.

JOACHIM HEINZLE

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