Nach dem Beginn der Luftangriffe auf die Taliban fragte die BBC einen afghanischen Hufschmied, wie er sich die plötzlichen Bombardements erkläre. Die Al-Qaida, antwortete dieser, habe wohl viele Amerikaner mitsamt ihrer Esel getötet und zwei ihrer Burgen zerstört.
Die Episode belegt die Bedeutung der Medien für unsere Interpretation der Welt. Im globalen Zeitalter ist diese notwig ungleichzeitig und polyperspektiv. Damit sind viele demokratische Modelle überholt, die von der Retrofiktion der griechischen Polis ausgehen, in der die Menschen an einem Ort zusammenkommen, beraten und entscheiden. In der Mediapolis, so Roger Silverstone, erleben wir einen Strukturwandel hin zu einer virtuellen, kosmopolitischen Öffentlichkeit, die unser Wissen und unsere Erfahrungen prägt. Ausgeh von Hannah Art, Ulrich Beck und Jürgen Habermas, entwirft Silverstone eine neue Ethik der Massenmedien, eine Ethik der Gastfreundschaft, der Verpflichtung und der Verantwortung.
Die Episode belegt die Bedeutung der Medien für unsere Interpretation der Welt. Im globalen Zeitalter ist diese notwig ungleichzeitig und polyperspektiv. Damit sind viele demokratische Modelle überholt, die von der Retrofiktion der griechischen Polis ausgehen, in der die Menschen an einem Ort zusammenkommen, beraten und entscheiden. In der Mediapolis, so Roger Silverstone, erleben wir einen Strukturwandel hin zu einer virtuellen, kosmopolitischen Öffentlichkeit, die unser Wissen und unsere Erfahrungen prägt. Ausgeh von Hannah Art, Ulrich Beck und Jürgen Habermas, entwirft Silverstone eine neue Ethik der Massenmedien, eine Ethik der Gastfreundschaft, der Verpflichtung und der Verantwortung.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.09.2008KURZKRITIK
Gut gemeint
Roger Silverstone hofft auf die Moral der Medien
Schon lange ist die Literatur kaum mehr zu überblicken, die sich mit den Chancen und Risiken der „globalisierten Weltgesellschaft” auseinandersetzt. Die wichtigsten Beiträge eines zukunftsfrohen Kosmopolitismus erscheinen in der von Ulrich Beck konzipierten „Edition zweite Moderne”. So auch das noch kurz vor seinem Tod im Jahr 2006 vollendete Buch des britischen Medienwissenschaftlers Roger Silverstone, der über die moralischen Grundlagen einer weltumspannenden Mediapolis nachdenkt. Weniger empirische Befunde, sondern die ethisch anspruchsvolle Rollenbeschreibung der Medien im 21. Jahrhundert ist sein Thema. Silverstones konturenscharfe Diagnose der medialen Wirklichkeit im ersten Teil des Buches gibt wenig Anlass zur Hoffnung: Der 11. September, der Folterskandal in Abu Ghraib oder die unkritische Übernahme einer US-amerikanischen Rhetorik des Bösen – fast überall versagen die Medien.
Angesichts dieses kulturkritischen Grundtons ist es verwunderlich, woher Silverstone die Zuversicht nimmt, dass eine grundlegende moralische Selbstverpflichtung für Presse, Funk, Fernsehen und Internet-Akteure irgendeine Chance hätte. Was sollen die geneigten Teilnehmer einer globalen kosmopolitischen Öffentlichkeit denn tun, um ihre Verantwortung medienkompetent wahrzunehmen? Am besten mit Silverstone bei Arendt, Rawls und Williams nachlesen, um im „öffentlichen Erscheinungsraum” auf Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit zu achten. Das ist gewiss alles gut gemeint, verfehlt aber doch die Realitäten kommerzieller, nationaler und machtpolitischer Interessen, die dort neben weltbürgerlichen Leitartiklern bestimmend sind. JENS HACKE
ROGER SILVERSTONE: Mediapolis. Die Moral der Massenmedien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 296 Seiten, 28 Euro.
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Gut gemeint
Roger Silverstone hofft auf die Moral der Medien
Schon lange ist die Literatur kaum mehr zu überblicken, die sich mit den Chancen und Risiken der „globalisierten Weltgesellschaft” auseinandersetzt. Die wichtigsten Beiträge eines zukunftsfrohen Kosmopolitismus erscheinen in der von Ulrich Beck konzipierten „Edition zweite Moderne”. So auch das noch kurz vor seinem Tod im Jahr 2006 vollendete Buch des britischen Medienwissenschaftlers Roger Silverstone, der über die moralischen Grundlagen einer weltumspannenden Mediapolis nachdenkt. Weniger empirische Befunde, sondern die ethisch anspruchsvolle Rollenbeschreibung der Medien im 21. Jahrhundert ist sein Thema. Silverstones konturenscharfe Diagnose der medialen Wirklichkeit im ersten Teil des Buches gibt wenig Anlass zur Hoffnung: Der 11. September, der Folterskandal in Abu Ghraib oder die unkritische Übernahme einer US-amerikanischen Rhetorik des Bösen – fast überall versagen die Medien.
Angesichts dieses kulturkritischen Grundtons ist es verwunderlich, woher Silverstone die Zuversicht nimmt, dass eine grundlegende moralische Selbstverpflichtung für Presse, Funk, Fernsehen und Internet-Akteure irgendeine Chance hätte. Was sollen die geneigten Teilnehmer einer globalen kosmopolitischen Öffentlichkeit denn tun, um ihre Verantwortung medienkompetent wahrzunehmen? Am besten mit Silverstone bei Arendt, Rawls und Williams nachlesen, um im „öffentlichen Erscheinungsraum” auf Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit zu achten. Das ist gewiss alles gut gemeint, verfehlt aber doch die Realitäten kommerzieller, nationaler und machtpolitischer Interessen, die dort neben weltbürgerlichen Leitartiklern bestimmend sind. JENS HACKE
ROGER SILVERSTONE: Mediapolis. Die Moral der Massenmedien. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 296 Seiten, 28 Euro.
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