Was ist ein Medium? Die zeitgenössische Mediendebatte rekonstruiert Medien zumeist in Begriffen technischer Mittel und Apparate und (v)erklärt sie zum archimedischen Punkt unseres Weltverhältnisses. Das neue Buch von Sybille Krämer unternimmt einen Perspektivenwechsel: Was bedeutet es, wenn wir Medien nicht als Mittel, sondern als Mitte und Mittler bestimmen? Die Antwort darauf wird durch das »Botenmodell« gegeben, das Übertragung als ein kulturphilosophisches Schlüsselkonzept ausweist. Der Bote erscheint in diesem Zusammenhang als die Figur eines Dritten, der zwischen heterogenen Welten plaziert ist und damit Kommunikation und Austausch ermöglicht. Die kulturstiftende Leistung des Übertragens wird am Beispiel der imaginären Figur des Engels, der Krankheitsübertragung durch Viren, der Eigentumsübertragung durch Geld, der Sprachübertragung in der Übersetzung, der Gefühlsübertragung in der Psychoanalyse und schließlich der Übertragung von Wahrnehmung und Wissen durch Zeugen analysiert. "Aisthetisierung" - im Sinne des Wahrnehmbarmachens eines Abwesenden bzw. eines Unsinnlichen - erweist sich dabei als die Elementaraufgabe von Medien. Sybille Krämer will mit ihrem Buch den Boden bereiten für eine kritische Auseinandersetzung mit unserem demiurgischen Selbstverständnis als Homo faber bzw. Homo generator. Was bedeutet es, wenn wir uns eher als Bote denn als Macher und Konstrukteur begreifen?
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Der hier rezensierende Professor für Ästhetik in Graz, Andreas Dorschel, kann sich nicht wirklich erwärmen für Sybille Krämers medientheoretische Abhandlung über die Figur des Boten. Ein wenig hat er den Eindruck, hier werde wieder einmal alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Die Absicht der Autorin, "die Figur des Boten als mediale Urszene" (Krämer) einzuführen, quittiert er mit der Feststellung, Figuren seien allerdings keine Szenen. Auch sonst zeigt er sich gegenüber den Argumenten Krämers überaus kritisch. Er hält ihr vor, einfache Einsichten mittels "Sprachbombast" und "Prachtvokabeln" aufzublähen, derart, dass sie dadurch auch noch unrichtig würden. Die Frage, was denn für eine auf den Boten fokussierte Philosophie der Medien spreche, beantwortet er süffisant. Sie bietet seines Erachtens erstens eine gute Gelgenheit, "autoritative" Zitate etwa von Walther Benjamin zum Bestens zu geben. Zweitens mittels rhetorischer Fragen bestimmte Effekte zu erzielen. Drittens könne sie durch "selbstgesetzte Spielregeln" auftrumpfen, deren oberste laute, man könne selbstverständlich alles auch ganz anders sehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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