Medusa die Schlangenköpfige, Medusa die Mörderin, Medusa das Monster. Den Göttern sein Dank, dass der heldenhafte Perseus, Sohn des Zeus, die Welt von diesem Ungeheuer befreit hat. Das ist die weit verbreitete (und zutiefst misogyn-patriarchale) Darstellung des Mythos um die Gorgone Medusa, die
eigentlich nur eine Nebenfigur ist in den Geschichten um den heldenhaften Halbgott Perseus. Dass Medusa…mehrMedusa die Schlangenköpfige, Medusa die Mörderin, Medusa das Monster. Den Göttern sein Dank, dass der heldenhafte Perseus, Sohn des Zeus, die Welt von diesem Ungeheuer befreit hat. Das ist die weit verbreitete (und zutiefst misogyn-patriarchale) Darstellung des Mythos um die Gorgone Medusa, die eigentlich nur eine Nebenfigur ist in den Geschichten um den heldenhaften Halbgott Perseus. Dass Medusa von Poseidon vergewaltigt und – als wäre das nicht schlimm genug – ohne eigenes Zutun von der Göttin Athene verflucht wird, dass sie sich auf eine einsame Insel zurückzieht und trotzdem Mann um Mann kommt, um sie zu vernichten, dass sie das vielleicht alles gar nicht wollte – geschenkt.
André Breinbauer möchte in seinem Comic den Mythos radikal anders (siehe Rückseite) erzählen und eine feministische Perspektive einbringen. Ob ihm das gelingt?
Die alte Geschichte aus neuem Blickwinkel
Der Comic wartet mit einer ziemlichen Besonderheit auf: Er ist ein Wendecomic. Von der einen Seite aus ist Medusas Geschichte aus ihrem Blickwinkel nachvollziehbar. Umgedreht steht Perseus im Mittelpunkt. Die beiden Geschichten treffen sich in der Mitte – bei einer tragischen Szene.
Medusa wird dabei zum Opfer der Umstände. Sie ist nicht schuld an dem Leid, das ihr widerfährt. Sie ist auch unschuldig an dem Fluch, den Athene ihr aufbürdet und der ihre Haare zu Schlangen werden lässt. Zumindest ist sie in dem Moment handelnde Protagonistin, als sie sich für einen Ausweg aus ihrem Schicksal entscheidet.
Perseus ist noch ein Kind, der – ebenso wie Medusa – zu einem Spielball der Götter wird. Naiv lässt er sich lenken, obwohl er noch nicht mal wirklich einen Schwertstreich führen kann.
Das Grauen in Bildern
Ein paar kurze Worte zu den Bildern: Gezeichnet ist “Perseus und Medusa” schlicht und schön. Die getuschten Panels sind nicht so detailreich, dass sie überladen oder störend wirkend. Vielmehr macht das Ganze einen ziemlich runden Eindruck. Gerade wenn Breinbauer auf einzelnen Seiten aus der Panelstruktur ausbricht (z.B. als Athene verflucht wird), macht der Comic visuell echt Laune. Auch die Idee mit dem Wendecover und der Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln finde ich gelungen. Ich könnte also wirklich glücklich mit dem Cover sein, allerdings…
Schnipp Schnapp Kopf ab
Allerdings wurde mir hier im Vorfeld ein radikal feministischer Comic versprochen. Im Vorwort spricht Breinbauer gar von einer „entfesselten, gegen das Patriarchat aufbegehrenden Weiblichkeit, […] die zu ihrer eigenen Sprache findet.“ Sorry, aber das ist ein klarer Fall von “gut gemeint”.
Die Ansätze mögen stimmen: Die Geschichte wird auch aus Medusas Blickwinkel erzählt, Medusa erhält eine Stimme. Sie ist weniger Monster als Opfer, sie trifft zumindest in einem engeren Rahmen eigene Entscheidungen. Reicht mir das? Ganz klar Nein. Da hatte ich mir viel mehr erwartet. Breinbauer nimmt sich Freiheiten mit der Handlung (wo sind z.B. Medusas Schwestern Stheno und Euryale?), hat dann aber nicht den Mut, die Geschichte anders enden zu lassen? Der Kopf der Gorgone muss weiterhin ab? Medusas Selbstbestimmung besteht darin (falls ich da nicht zu viel hineininterpretiere), dass sie ihren Tod selbst wählt? Das soll diese “gegen das Patriarchat aufbegehrende Weiblichkeit” sein?
Wie es anders (und feministischer) geht, zeigt z.B. “Medusa“ von Jessie Burton. Unter anderem interpretiert das Buch Athenes “Fluch” als Schutzzauber, damit Medusa sich zukünftig gegen Übergriffe von Männern wehren kann.
Und war Perseus wirklich so ein strahlender Held? In “Pandora’s Jar” analysiert Natalie Haynes die überlieferten historischen Quellen und kommt zu dem Schluss, dass ein Mann, der die Hilfe mehrerer Gött*innen benötigt, um eine schlafende und wehrlose Frau zu köpfen, nicht unbedingt der tollste Hecht im Teich ist.
So bleibt mir nur als Fazit zum Comic zu sagen: Zu viel versprochen, zu wenig gehalten.