"Mit diesem Buch stößt Ali Can eine Debatte an, die dieses Land mehr denn je braucht. Und die eine Grundvoraussetzung für eine offene Gesellschaft ist. Ein wahres Friedensbuch, voller Inspiration." Luisa NeubauerWas bedeutet es, deutsch zu sein? Die Zeit für eine Neudefinition ist reif, meint Ali Can, dessen Twitterkampagne #MeTwo im Sommer 2018 ein enormes Echo auslöste. Zehntausende Menschen mit Migrationshintergrund berichten seither unter dem Hashtag von ihren alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus. Ständig wird ihnen vermittelt, sie seien nicht wirklich Deutsche und gehörten somit nicht dazu. Dabei betrachten sie Deutschland als ihre Heimat - und das so selbstverständlich, wie sie sich oft noch einer anderen Sprache und Kultur verbunden fühlen.In seinem Buch beschreibt Ali Can den Hashtag und seine Folgen als Teil einer dringend gebotenen gesellschaftlichen Debatte. Indem er auf seine eigene Biographie blickt und eine Reihe bekannter Gesprächspartner befragt, kommt er zu demSchluss: Heimat - das sind letztlich die Werte, die wir teilen. Und an einem offenen, konstruktiven Dialog über sie sollten alle teilnehmen können, die in diesem Land leben und seine Gesellschaft mitgestalten - ob mit oder ohne Migrationshintergrund."Dieses Buch ist ein starkes Plädoyer für einen Heimatbegriff, der sich nicht an Hautfarben oder Stammbäumen orientiert, sondern an den Werten unseres Grundgesetzes." Cem Özdemir
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2020Irgendwie zu sehr integriert?
"Ich versuche in diesem Buch eine neue Definition von Deutschsein", schreibt Ali Can gleich in der Einleitung. Arbeit und Herkunft des selbsternannten Sozialaktivisten sind so eng verstrickt, dass sie im Text miteinander verschmelzen. Bekannt wurde der Sechsundzwanzigjährige mit dem Hashtag MeTwo. Seine Eltern, kurdische Aleviten aus der Türkei, flohen mit ihm 1995 nach Deutschland. Zwölf Jahre mussten sie warten, bis sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Nun verneigt sich Can vor ihrer Leistung, in der Fremde eine Existenz aufzubauen, obwohl ihnen die Abschiebung drohte und sie von Neonazis schikaniert und von Behörden erniedrigt wurden.
Er beschreibt, wie sich sein Vater, der Probleme mit dem sperrigen Beamtendeutsch hatte, Unterstützung in Dönerläden suchte. Dort wartete er, bis die Angestellten keine Kunden mehr bedienen mussten, und bat um Hilfe. "Die Erinnerung, wie er da allein an seinem Tisch saß, türkischen Tee trank und in den Unterlagen blätterte, bewegt mich noch heute", schreibt Can. Hinzu kommt das Hadern mit dem eigenen Deutschsein: "War ich irgendwie ,überintegriert'?", fragt er an einer Stelle und überträgt die Gedanken zu seiner persönlichen Situation gleich in die gesamtgesellschaftliche Debatte: "Ist Integration nicht vielmehr ein Prozess, der von Mensch zu Mensch verschieden abläuft und individuell andere Anforderungen stellt?"
Can schafft es, stets einen Schritt zurückzutreten, Diffamierungen von Menschen mit Migrationshintergrund sowie Kritik an ihrer mangelnden Integration zu analysieren und konstruktiv zu wenden. Trotzdem ist seine Diagnose bitter: In Deutschland existiere eine "zunehmende Enthemmung rassistischen Gedankenguts in der ,Mitte' der Gesellschaft"; außerdem fehle "eine zivilisierte Streitkultur bei politisch brisanten Themen".
SARAH OBERTREIS.
Ali Can: "Mehr als eine Heimat". Wie ich Deutschsein neu definiere.
Dudenverlag, Berlin 2019. 224 S., br., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ich versuche in diesem Buch eine neue Definition von Deutschsein", schreibt Ali Can gleich in der Einleitung. Arbeit und Herkunft des selbsternannten Sozialaktivisten sind so eng verstrickt, dass sie im Text miteinander verschmelzen. Bekannt wurde der Sechsundzwanzigjährige mit dem Hashtag MeTwo. Seine Eltern, kurdische Aleviten aus der Türkei, flohen mit ihm 1995 nach Deutschland. Zwölf Jahre mussten sie warten, bis sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Nun verneigt sich Can vor ihrer Leistung, in der Fremde eine Existenz aufzubauen, obwohl ihnen die Abschiebung drohte und sie von Neonazis schikaniert und von Behörden erniedrigt wurden.
Er beschreibt, wie sich sein Vater, der Probleme mit dem sperrigen Beamtendeutsch hatte, Unterstützung in Dönerläden suchte. Dort wartete er, bis die Angestellten keine Kunden mehr bedienen mussten, und bat um Hilfe. "Die Erinnerung, wie er da allein an seinem Tisch saß, türkischen Tee trank und in den Unterlagen blätterte, bewegt mich noch heute", schreibt Can. Hinzu kommt das Hadern mit dem eigenen Deutschsein: "War ich irgendwie ,überintegriert'?", fragt er an einer Stelle und überträgt die Gedanken zu seiner persönlichen Situation gleich in die gesamtgesellschaftliche Debatte: "Ist Integration nicht vielmehr ein Prozess, der von Mensch zu Mensch verschieden abläuft und individuell andere Anforderungen stellt?"
Can schafft es, stets einen Schritt zurückzutreten, Diffamierungen von Menschen mit Migrationshintergrund sowie Kritik an ihrer mangelnden Integration zu analysieren und konstruktiv zu wenden. Trotzdem ist seine Diagnose bitter: In Deutschland existiere eine "zunehmende Enthemmung rassistischen Gedankenguts in der ,Mitte' der Gesellschaft"; außerdem fehle "eine zivilisierte Streitkultur bei politisch brisanten Themen".
SARAH OBERTREIS.
Ali Can: "Mehr als eine Heimat". Wie ich Deutschsein neu definiere.
Dudenverlag, Berlin 2019. 224 S., br., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In seinem neuen Buch "Mehr als eine Heimat" macht er den Versuch, Deutschsein neu zu definieren. (bento.de) bento.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sarah Obertreis empfiehlt Ali Cans Einschätzungen zur Integration. Wie der Sozialaktivist aus seiner eigenen Geschichte als kurdischer Alevit in Deutschland berichtet und zugleich allgemeine Schlüsse zum Stand der Flüchtlingsdebatte und ihrer Mängel zieht, findet Obertreis aufschlussreich. Dass Can immer wieder auch eine distanzierte Perspektive gelingt, um die Integrationsdebatte zu analysieren, hält die Rezensentin für ein nicht eben kleines Verdienst des Buches.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Rezensentin Sarah Obertreis empfiehlt Ali Cans Einschätzungen zur Integration. Wie der Sozialaktivist aus seiner eigenen Geschichte als kurdischer Alevit in Deutschland berichtet und zugleich allgemeine Schlüsse zum Stand der Flüchtlingsdebatte und ihrer Mängel zieht, findet Obertreis aufschlussreich. Dass Can immer wieder auch eine distanzierte Perspektive gelingt, um die Integrationsdebatte zu analysieren, hält die Rezensentin für ein nicht eben kleines Verdienst des Buches.
© Perlentaucher Medien GmbH
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