Horst Haitzinger war eine Institution der politischen Karikatur. 2019 hat er leider aufgehört und es ist nicht erkennbar, wer qualitativ diesen Platz eingenommen haben könnte. In seinem Arbeitsleben hat er sagenhafte 16000 s/w Karikaturen gezeichnet (neben den farbigen Aquarellen). Dass es dabei zu
Wiederholungen gekommen ist, bleibt nicht aus, alleine die Virtuosität, mit der er ein einmal…mehrHorst Haitzinger war eine Institution der politischen Karikatur. 2019 hat er leider aufgehört und es ist nicht erkennbar, wer qualitativ diesen Platz eingenommen haben könnte. In seinem Arbeitsleben hat er sagenhafte 16000 s/w Karikaturen gezeichnet (neben den farbigen Aquarellen). Dass es dabei zu Wiederholungen gekommen ist, bleibt nicht aus, alleine die Virtuosität, mit der er ein einmal gefundenes Motiv variiert hat, ist Haitzingers besondere Leistung.
Die Ausstellung „Mehr als nur Europa“ im Limes-Museum in Aalen zeigte diese enorme Kreativität, indem sie vordergründig ähnliche Bilderfindungen in immer neue Zusammenhänge stellt. Das führende Thema ist die Antike, aus deren Mythen und Geschichte sich Haitzinger allgemein bekannte Elemente borgt und sie in satirischer Weise verarbeitet. Ob das nun eine unglückliche Europa auf dem Stier, ein steineschleppender Sisyphos oder der Mord an Cäsar ist – es drängen sich sofort Parallelen in der Gegenwart auf. Haitzinger hat eine so ungebändigte Phantasie, dass er alleine mit dem Europa-Motiv über 50 Varianten in die Ausstellung liefert! Jedes Einzelne originell und in seiner typischen Handschrift unverwechselbar. Denn auch das zeichnet ihn aus: Die perfekte Beherrschung des Pinsels. Das ist handwerklich außergewöhnlich gut gemacht und ich muss gestehen, dass mir in der heutigen Karikaturistenszene nicht einer einfiele, der ihm diesbezüglich das Wasser reichen könnte. Und genau diese zeichnerische Virtuosität hat Haitzinger erst befähigt, Ideen zu verwirklichen, die andere vielleicht auch hatten, die sie aber nicht originell und überzeugend ins Bild setzen konnten. Kunst kommt eben von Können. Wer nicht zeichnen kann (und das ist bei erstaunlich vielen „Karikaturisten“ der Fall), dem bleiben viele Türen verschlossen.
Im Buch sind etwa 150 Zeichnungen und Aquarelle aus der Zeit von 1972 bis 2019 versammelt. Es ist ein repräsentativer Querschnitt durch Haitzingers gesamte Schaffensphase und erstaunlicherweise ist er qualitativ von Anfang an in Höchstform. Karl Kraus hat mal gesagt, „man muss nicht nur keine Ideen haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken“. Horst Haitzinger hat jedenfalls weder das eine, noch das andere Problem.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)