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Maximilian Dorner ist jung und begabt - und seit zwei Jahren ist er behindert. Das hat sein Leben von Grund auf verändert. In seinem Tagebuch schreibt er über die Fragen, die sein neuer Alltag ihm stellt: Schaffe ich den Weg bis zur nächsten Ampel? Wieso schäme ich mich vor mir selbst? Bin ich der Typ mit dem Stock oder der mit den sanften Augen? Warum ist mein Dämon ein Stubenhocker, der am liebsten im Tarnanzug schläft? Dorners Antworten sind mal mild und leise, mal traurig, oft sehr komisch und immer messerscharf beobachtet. Er hat ein besonderes Buch über einen zutiefst menschlichen Zustand geschrieben - in einem bisher unbekannten Tonfall. …mehr

Produktbeschreibung
Maximilian Dorner ist jung und begabt - und seit zwei Jahren ist er behindert. Das hat sein Leben von Grund auf verändert. In seinem Tagebuch schreibt er über die Fragen, die sein neuer Alltag ihm stellt: Schaffe ich den Weg bis zur nächsten Ampel? Wieso schäme ich mich vor mir selbst? Bin ich der Typ mit dem Stock oder der mit den sanften Augen? Warum ist mein Dämon ein Stubenhocker, der am liebsten im Tarnanzug schläft? Dorners Antworten sind mal mild und leise, mal traurig, oft sehr komisch und immer messerscharf beobachtet. Er hat ein besonderes Buch über einen zutiefst menschlichen Zustand geschrieben - in einem bisher unbekannten Tonfall.
Autorenporträt
Maximilian Dorner, 1973 in München geboren, studierte Dramaturgie an der Bayerischen Theaterakademie und arbeitet heute als Opernregisseur und Lektor.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.07.2008

Jeder Weg wird zur Expedition
Maximilian Dorners „Tagebuch eines Behinderten”
Es ist ganz schön schwierig, ein Buch zu besprechen, das den Untertitel „Aus dem Tagebuch eines Behinderten” trägt. Maximilian Dorner, der Autor, beschreibt darin bereits alle Reaktionen auf sich und seine Behinderung. Unverständnis, mitleidige Bewunderung, Leute, die sofort erzählen, dass sie selbst einen Behinderten kennen. Eine Freundin hat ihn noch darauf hingewiesen, dass ihm seine Krankheit bestimmt etwas „sagen möchte”, und sehr oft hört Dorner den Satz: „Alles halb so schlimm.”
Am schlimmsten ist es für ihn, dass er nicht mehr ganz für voll genommen wird, seit er an Multipler Sklerose leidet. Dass er plötzlich nicht für seine Arbeit gelobt wird, „sondern dafür, dass ich überhaupt zum Arbeiten kam”. Dass seine Kollegen keine Kritik an ihm äußern, obwohl es in den Sitzungen sonst immer hoch her geht. „Um irgendetwas fühle ich mich betrogen, ich weiß nur nicht genau, um was.”
Man tut also gut daran, „Mein Dämon ist ein Stubenhocker” nicht als ein Buch zu bezeichnen, das „sensibilisiert” oder „Mut macht”, es also mit einer jener Phrasen zu bedenken, die für Leidensberichte aller Art vorgesehen sind. Zum Glück hat Dorner selbst dafür gesorgt, dass man nicht in diese Verlegenheit gerät. „Mein Dämon ist ein Stubenhocker” ist ein Buch, das man sehr gut besprechen kann: als literarisches Werk nämlich und als äußerst gelungenes noch dazu.
Dorners Tagebuch ist eine Art negativer Reisebericht. Der Autor bewegt sich durch die Welt, nur dass er krankheitsbedingt immer schlechter vom Fleck kommt. Er humpelt, auf seine Gehhilfe gestützt, zu Freunden, er versucht, im Urlaub ins Meer zu steigen und schleppt sich zur Weihnachtsfeier des Verlags, in dem er als Lektor arbeitet. Jeder Weg wird für ihn zu einer Expedition, Bürgersteige, Treppen, Verkehrsmittel. „Freunde fahren nach Südamerika, klettern im Himalaja herum oder lassen sich von asiatischen Mücken zerstechen. (. . .) Mir reicht ein Park ohne Bank.”
Akribisch und ohne Larmoyanz protokolliert Dorner, was ihm dabei zustößt und wem er begegnet. In der Kneipe quatscht ihn ein Theologe über die Heilung des Lahmen in der Bibel voll, am Flughafen wird er, ehe er es sich versieht, von übereifrigen Sanitätern auf eine Trage geschnallt. Auf einer Party ist er „der Typ mit dem Stock”, mit dem jedermann „Party-Krankheits-Smalltalk” halten will. „In der Küche habe ich vor dem Minestrone-Topf das erste Mal meine Behinderungsgeschichte erzählt, sie dann in Kurzform für einen angehenden Urologen wiederholt. Er nickte schon sehr routiniert.” Irgendwann hat man das Gefühl, dass hier nicht der Behinderte ein Problem hat, sondern dass mit allen anderen etwas nicht stimmt.
Der Schleim muss raus
Langsam tastet sich Dorner auf seinen Wegen in die Welt der Behinderten vor, ein Paralleluniversum, dessen Existenz er bislang nicht einmal erahnte. Er landet in einem Sanitätshaus, in der „knallbunten Kindergartenatmosphäre” eines Behinderten-Landschulheims und auf einer Website für Leute, die Beinamputierte erotisch finden. In den guten Momenten kommt er sich dabei vor wie ein Entdecker, auf dem Spiegel einer Behindertentoilette verewigt er sich mit den Worten „You look beautiful”. In den schlechten Momenten wird ihm auf fast barocke Weise seine welkende Körperlichkeit vor Augen geführt. Beim Urologen etwa, der ihn nach der Untersuchung fragt: „,Und, geht’s noch?‘ Worauf ich ebenso kurz angebunden antwortete: ,Schon, aber ich spür halt nichts mehr dabei.‘ Er verordnete mir, mich dennoch mindestens zwei Mal in der Woche selbst zu befriedigen. ‚Der Schleim muss raus, sonst verklebt’s.‘”
Dorner lässt keinen Bereich seines neuen Lebens aus, in das sich die Krankheit, wie er schreibt, „selbst eingeladen” hat. Er beobachtet sich bei den manischen Versuchen, seine Behinderung nicht wahrhaben zu wollen, er gibt sich seinem Selbstmitleid hin und reißt sich mit einem Witz wieder heraus. Am Ende hat man nicht nur ein Buch über einen Mann mit Multipler Sklerose gelesen, sondern auch über das Menschsein an sich. Über die Vergänglichkeit des Menschen und seine lächerlichen wie heroischen Versuche, sich dieser Vergänglichkeit zu widersetzen.
Je eingeschränkter Dorners Radius wird, desto weiter wird sein intellektueller Horizont. Er sinniert über den mythologischen Zusammenhang von Krankheit und Schuld, er kommt auf Richard III. zu sprechen und auf das Bild, das Behinderte in der Kunst und in den Medien abgeben müssen. Dazwischen finden sich immer wieder fast philosophische Miniaturen. Etwa wenn Dorner der Faszination nachgeht, die behinderte Sportler auf ein Massenpublikum ausüben. „Die Distanz ist doppelt groß: Zu der sportliche Leistungsfähigkeit kommt die Behinderung. Die Sehnsucht nach dem perfekt funktionierenden Sportlerkörper ist verfremdet, als ob Bert Brecht Regie geführt hätte. So würde man sich gerne über seine Begrenzungen hinwegsetzen, aber nicht um den Preis der Behinderung.” Am Ende kann Dorner zwar nicht mehr laufen, aber sein Denken und seine Sprache tragen ihn meilenweit. Beinahe möchte man da sagen: Alles halb so schlimm. VERENA MAYER
MAXIMILIAN DORNER: Mein Dämon ist ein Stubenhocker. Aus dem Tagebuch eines Behinderten. Verlag Zabert Sandmann, München 2008. 165 S., 16,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2008

Mein ganzes Gehirn wie Bagdad
Maximilian Dorner führt Tagebuch über das Leben mit multipler Sklerose und stellt sich seinen Dämonen

Der Münchner Autor Maximilian Dorner leidet an multipler Sklerose. In "Mein Dämon ist ein Stubenhocker" unterzieht er sich und seine Umwelt einer scharfen Analyse und zeigt sich dabei als herausragender Beobachter.

"Das wird schon wieder" - Dies ist ein Satz, den Maximilian Dorner oft hört und sich selbst immer wieder gesagt hat, von dem er aber weiß, dass er eine Lüge ist. Dorner leidet an multipler Sklerose, einer Krankheit, die bis heute unheilbar ist und die seinen Körper unaufhaltsam auffrisst. Die heimtückische Nervenerkrankung, bei der Entzündungen im Gehirn "wie verbohrte Selbstmordattentäter" wüten, bezeichnet Dorner als seinen "Dämon". Mit diesem treffenden Bild macht er sie greifbar - und angreifbar. In Dorners Vorstellung wird die Krankheit zu einem alten Mann, der auf seinem Sofa sitzt und ihn daran hindert, sein Leben so zu führen, wie er es will: "Wenn ich ihn bitte zu gehen, droht er mir mit der Faust."

Dorners Tagebuch mit dem klingenden Titel "Mein Dämon ist ein Stubenhocker", das er nach der Buchpublikation im Internet weiterführte, lässt den Leser teilhaben an dem unentwegten Duell mit jenem Dämon: Dorner schlägt ihn mit Schläue und Sarkasmus, lacht ihn aus, kann ihn manchmal vergessen und sich sogar mit ihm versöhnen - nur um dann hinterrücks wieder von ihm überrumpelt zu werden. Dabei ringt Dorner vor allem um eines: Sich selbst treu zu bleiben in einem immer widersprüchlicheren Leben.

Der Begriff multiple Sklerose, der sich so unerwartet in seine Existenz drängte, veränderte Dorners Alltag und das Verhalten seiner Umwelt massiv. Mit der Diagnose bekamen die zuvor unerklärlichen körperlichen Zustände plötzlich einen Namen. "Hieß es zuvor noch: ,Warum humpelst du denn so doof', wollten nun plötzlich alle helfen." Doch auch das Annehmen von Hilfe will gelernt sein. Bis heute ärgert es Dorner, am Höflichsein gehindert zu werden und von schwangeren Frauen die Tür aufgehalten zu bekommen. Es ist vor allem die Geduld mit sich selbst, die ihm fehlt. Für seine Krankheit hat er zunächst nur eine Antwort parat: Trotz. Bei aller Anstrengung, die es ihn kostet, gelingt es ihm weder, das berufsbedingte Pendlerdasein aufzugeben noch sich einzugestehen, dass er, der einige Jahre zuvor noch zu Fuß von München nach Rom gepilgert ist, nun kaum die Treppe zu seiner Wohnung bewältigen kann. Gegen eine behindertengerechte Einrichtung seiner Wohnung sträubt er sich nach Kräften, ebenso gegen Physiotherapie. "Ich lasse mich doch nicht zum Zirkuspferd machen", schlägt er den Rat des befreundeten Arztes in den Wind.

Wie in einem Spiegel bekommt Dorner die Behinderung in der Verunsicherung des Gegenübers gezeigt: In gehüstelten Bemerkungen, übertriebener Fürsorge oder gar Aggressionen. Er muss feststellen, dass die Scham seiner Mitmenschen oft größer ist als die eigene. Alle seien so heillos in ihr verstrickt, dass nur ein herzhafter Schlag mit dem Schwert den Knoten lösen könne. Beschämt ist zum Beispiel die Freundin, die ihn tadelt, weil er statt eines Hemdes einen Kapuzenpulli in der Oper trägt: Sie hatte vergessen, dass er mit seinen tauben Fingerkuppen die kleinen Knöpfe nicht schließen kann. In der Begegnung mit der Veranstalterin, die ihm dafür dankt, trotz gebrochenem Bein gekommen zu sein, ist es an Dorner, die Peinlichkeit der Situation aus dem Weg zu räumen. Doch auch er empfindet Scham; manchmal sogar eine lähmende, am Leben hindernde Scham. "Das mir meine Behinderung auch noch peinlich ist, ist der schlimmste Kollateralschaden", schreibt er. Er ertappt sich dabei, bestimmte Dinge zu unterlassen, um der Verlegenheit vorzubeugen. Je öfter und je länger man dieser "Phantomscham" Raum gebe, so Dorner, umso unüberwindbarer werde sie jedoch. Sie raube einem letztlich selbst die Sprache. Das aufgezwungene Schweigen indes ist für den begnadeten Sprachjongleur Dorner die schmerzhafteste Behinderung.

Man braucht kein körperliches Gebrechen zu haben, um aus Dorners Buch hilfreiche Denkanstöße zu ziehen. Seine klugen Strategien gegen die Scham belegen dies. Dorner schreibt zwar über sich, gibt dem Leser aber unzählige Ankerpunkte zur Identifikation. "Es geht um Behinderungen, meine eigenen, aber im Grunde um jede Lebens-Einschränkung und den Umgang damit."

Seine großen Themen gehen in der Tat jeden etwas an: Das sich selbst im Weg stehen, sich unter gesellschaftlichen Zwängen zu verbiegen oder sich mit einem "ich kann nicht!" aus schwierigen Entscheidungssituationen zu stehlen - wer kennt es nicht. Dorner sucht gezielt nach den Handicaps seiner Freunde. "Vielleicht", so Dorner, "sind sie eingeschränkter als ich." Die einzige Frage sei schließlich: "Wie erfüllt lebe ich mein Leben?"

Seines sei durch die Krankheit sogar reicher geworden. Risse in der Existenz senkten das Glücksniveau nur verübergehend ab. "Ich bin glücklich, dass sich mein Bild auf die Menschen geändert hat", schreibt er. Er habe Nachhilfe in Sachen Nachsicht bei sich selbst genommen. "Es gibt nicht eine Freundschaft, die sich nicht unter dem Eindruck meiner Krankheit weiterentwickelt und vertieft hätte." Die Anpassungsfähigkeit des Menschen ist bekannt und Dorner ist nicht verlegen darum, jeden Vorteil, den sein Behindertenstatus bietet, zu nutzen. Er frage sich manchmal, ob er überhaupt gesund werden wolle. Seine Krankheit vergleicht der Autor mit einer Naturkatastrophe, in deren Folge der Normalzustand möglichst schnell wieder hergestellt wird. "Den Teil, den sie mir von meiner Existenz wegriss, habe ich mir wiedergeholt: Indem ich vom ersten Tag an gegen sie einen Roman schrieb, zum ersten Mal überhaupt wirklich schrieb." Mit "Der erste Sommer" legte er im Mai 2007 einen beachtlichen Debüt-Roman vor. Es war sein Lektor, der schließlich den Ausschlag für sein aktuelles Buch gab. Beiläufig hatte er Dorner gefragt, ob er sich eigentlich behindert fühle. Aus dem Nachdenken darüber entstand "Mein Dämon ist ein Stubenhocker". Er sei nicht krank, sondern behindert, betont Dorner darin nun immer wieder. Krankheit ist etwas Vorübergehendes - Behinderung nicht. "Unbefristet" steht in seinem Behindertenausweis, Dorner liest es als "Lebenslänglich". Hier schlägt nun doch Bitterkeit durch. Wut und Verzweiflung schaffen sich Raum.

"Mein ganzes Gehirn wie Bagdad", notiert Dorner in einem Anflug von Fatalismus. "Doch auch ich könnte mit einem Anschlag für Ruhe sorgen." Mit "leisem Bedauern" stellt er jedoch fest: Der Tod ist keine Alternative. "Wahrscheinlich ist es langweiliger, ewig tot als vierzig Jahre behindert zu sein", sucht er wieder einmal Zuflucht im Humor. Dorner macht sich nichts vor. Er bemerkt, dass er nicht mehr für die Ergebnisse seiner Arbeit gelobt wird, sondern dafür, dass er überhaupt im Büro erscheint. Er dokumentiert sein Scheitern an klar definierten Männlichkeitsbildern und nimmt es stoisch zur Kenntnis, dass die Frau, die ihm am Abend noch sagte, er sei für sie nicht der Typ mit dem Stock, sondern der mit den sanften Augen, sich nicht mehr meldet. Finanzielle Sorgen kommen hinzu: Mobilität hänge für einen Behinderten in hohem Maße von Geld ab.

Doch Pessimismus ist Dorners Sache nicht. "Vieles fühlt sich monströser an, als es ist", beruhigt er sich und drängt sofort wieder nach vorn. Tapfer kämpft er sich durch den Dschungel aus Sozialleistungen und Hilfsmitteln, Rehabilitationsmöglichkeiten und Behandlungsmethoden, meistert den mühseligen Alltag: Waschen, Anziehen, Tee zubereiten - alles will geplant und mit Bedacht ausgeführt sein. "Der Zweifel, ob ich mir dieses oder jenes zutrauen kann, wird zur Manie", klagt er.

Es ist ein Tanz auf einem dünnen Seil, den Dorner sprachlich vollführt. Elegant und stilsicher im Tonfall balanciert er über den Abgrund aus Wehleidigkeit, Selbststilisierung, tapferer Heldenpose und zynischer Härte, zu der seine Situation verleiten könnte. Dorner zeigt sich als exzellenter Beobachter, der immer wieder aus neuen Blickwinkeln auf sich selbst und sein Umfeld blickt. In unnachahmlicher Leichtigkeit thematisiert er auch die unangenehmsten Aspekte seiner Krankheit. "Inkontinenz ist eine brutale und erniedrigende Form der Behinderung, die die Welt aus den Fugen bringt", schreibt er. "Ich habe schon mit vielen Menschen über alle möglichen Aspekte von Behinderung gesprochen, bis hin zum Tod, aber nie über Windeln." Wenn Dorner auch schonungslos über die intimsten Dinge schreibt, gibt er dem Leser durch seine unverkrampfte Sprache niemals das Gefühl zum Voyeur zu werden. Den Kampf mit dem Urinal inszeniert er als Slapstick, als eine Folge witziger Anekdoten.

Dorner will seine Behinderung nicht verstecken. Selbst wenn er es wollte, gelänge ihm dies wohl kaum. Sein Stock, ohne den er das Haus nur selten verlassen kann, signalisiert jedem das Gebrechen. Er zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, lässt Autofahrer frühzeitig bremsen und löst überall eine reflexartige Hilfsbereitschaft aus. Der Stock weise, so Dorner, als Symbol weit über die Bedürftigkeit hinaus: "Er ist Zeremonienstab und Herrschaftsinstrument, Bischofstab, Hirtenstab. Er vereint Stärke, Macht und Gebrechlichkeit zum Sinnbild allen Seins." Doch meist ist Dorners Verhältnis zu seinem Stock von geringerer philosophischer Tiefe: "Ohne Gehstock falle ich um", stellt er nüchtern fest. An guten Tagen versagen seine Beine nach wenigen hundert Metern den Dienst, an schlechten ist schon das Aufstehen eine Qual. "Solange ich vor meinem Laptop hocke, bin ich nicht behindert, sobald ich aufstehe, schon."

Gemeinsam mit seinem Stock und seinem Dämon ist Dorner derzeit auf der Suche nach neuen Abenteuern und Stoff für ein weiteres Buchprojekt: Im sommerlich versmogten New York. "A lame duck in NYC - klingt nach Hollywood", schreibt er zum Abschied in seinem Blog und ist sich dabei bewusst, dass es die letzte große Reise sein könnte.

ANNIKA MÜLLER

Maximilian Dorner: "Mein Dämon ist ein Stubenhocker". Zabert Sandmann Verlag, München 2008. 166 S., geb., 16,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Maximilian Dorners "Tagebuch eines Behinderten" gehört für Verena Mayer weder in die Trostecke noch zur Betroffenheitsprosa, denn ihrer Meinung nach stellt es vor allem ein glänzendes "literarisches Werk" dar. Der Autor beschreibt darin sehr genau und ohne "Larmoyanz", wie sich sein Leben mit der Krankheit Multiple Sklerose verändert und mit welchen Schwierigkeiten, seien sie mitmenschlicher oder ganz praktischer Art, er zu kämpfen hat. Dabei kommt es der Rezensentin so vor, dass sich Dorner bei fortschreitender körperlicher Einschränkung intellektuell in immer größere Höhen schwingt und zwischen allerlei Reflexionen beispielsweise zu "Krankheit und Schuld" zu geradezu "philosophischen" Einsichten kommt. Dieses Buch lehrt nicht nur, wie es ist, in unserer Gesellschaft als Behinderter zu leben, es gibt auch Aufschluss über das "Menschsein" an sich und den Kampf gegen die eigene Vergänglichkeit, so Mayer beeindruckt.

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