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Das Beispiel Jessica Drechser: Was hat sie, was andere nicht haben? Und wie gelangt man als schmalbrüstiger Komiker in den Besitz des Poesiealbums von Claudia Ross? Das Leben steckt voller Geheimnisse, und unser jugendlicher Held Jakob Hein macht sich daran, sie zu lüften. Er bietet jeder Herausforderung die Stirn, besäuft sich mit einem Getränk namens 'Grüne Wiese' und stellt sich tapfer den zersägten Schweinehälften im Fleischkombinat Berlin. Jakob Hein erzählt die tollsten Geschichten, ungeschminkt, schwärmerisch und gnadenlos witzig - von der mobilen Wahlurne bis zu den intimen Details…mehr

Produktbeschreibung
Das Beispiel Jessica Drechser: Was hat sie, was andere nicht haben? Und wie gelangt man als schmalbrüstiger Komiker in den Besitz des Poesiealbums von Claudia Ross? Das Leben steckt voller Geheimnisse, und unser jugendlicher Held Jakob Hein macht sich daran, sie zu lüften. Er bietet jeder Herausforderung die Stirn, besäuft sich mit einem Getränk namens 'Grüne Wiese' und stellt sich tapfer den zersägten Schweinehälften im Fleischkombinat Berlin. Jakob Hein erzählt die tollsten Geschichten, ungeschminkt, schwärmerisch und gnadenlos witzig - von der mobilen Wahlurne bis zu den intimen Details seiner Jugend, wie dem ersten T-Shirt, das eigentlich ein Nicki war.
Autorenporträt
Jakob Hein, geb. 1971 in Leipzig. 1977 hat er die ersten Geschichten geschrieben und seiner Mutter vorgelesen. Seine erste Regiearbeit wurde 1982 beim 'Fest der jungen Talente' mit einer Urkunde ausgezeichnet. 1988 entdeckte er die Möglichkeit, seine Geschichten auch anderen Leuten als seiner Mutter vorzulesen. Das macht er jetzt jeden Sonntag in der Reformbühne 'Heim und Welt' im Berliner 'Kaffee Burger'. Jedes Frühjahr moderiert er die 'Lesershow' im Roten Salon in der Volksbühne. In Wirklichkeit ist er Arzt an der Berliner Charite.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2001

Darauf eine Grüne Wiese
Jakob Heins Ost-Berliner Jugend · Von Friedmar Apel

Jakob Hein ist Arzt an der Charité und 1971 geboren. Weil also seine Jugend schon ein Weilchen her ist und die DDR auch, schreibt er gern seine schönsten Erlebnisse in Elternhaus, Kindergarten, Schule und Patenschaftsbetrieb auf. Die liest er dann sonntags auf der Reformbühne "Heim und Welt" vor. Jetzt sind sie endlich als Buch erschienen. Dafür hat ihm sein Freund Wladimir Kaminer ein Vorwort geschrieben. Darin teilt er mit, Hein gebe sich gelegentlich "als großer Freidenker, Dissident und Philosoph, eine Mischung aus Charles Bukowski und Heiner Müller, der in der DDR politisch aktiv war und wie viele seiner Zeitgenossen auf beiden Seiten der Barrikade kämpfte".

Das soll vermutlich so "gnadenlos witzig" sein wie die "Russendisko" und Heins Geschichten. Die sind aber auch lehrreich. Sie zeigen nämlich, daß eine Ost-Berliner Jugend um 1980 ziemlich genau so war wie eine West-Berliner Jugend um 1960. Man benutzte Adjektive und Adverbien wie "schau", "schnafte" und "tüffig" und schrieb Mädchen häßliche Sachen ins Poesiealbum. Die Lehrer waren autoritäre Trottel, die mit dem Schlüsselbund nach einem warfen, und die Polizisten wurden "Bullen" genannt. "Erziehung war gegen alles, was Spaß macht, ausgerichtet." Nur bei der Ferienarbeit im Betrieb lernte man, wie man sich zielgerichtet besäuft, um noch vor halbzehn zu kotzen. Memmen tranken Cola-Weinbrand, richtige Jungs Gin-Tonic. Richtige Mädchen hatten "auftoupierte Haare, blasses Gesicht, weißes Hemd, schwarze Klamotten" und schlürften "Grüne Wiese".

Die Mauer, die heute "in den Köpfen steht", war damals "eine alle Menschen im Geiste verbindende Installation aus Beton, Stacheldraht und Tausenden Aktionskünstlern in Fantasieuniformen. Es war das erfolgreichste Beispiel von Performance-Kunst weltweit." Das sah man im Westen vorher schon genauso, deshalb wurden diese Tribünen für Touristen und Staatsgäste gebaut. Daß das Ganze Schandmauer genannt wurde und nicht antifaschistischer Schutzwall, erhöhte nur den Kitzel. Jakob Hein hat aber schon als Knabe geahnt, daß diesem ambivalenten Kunstwerk keine lange Lebensdauer vergönnt sein würde.

Überhaupt sind ein paar kleine Unterschiede zu notieren. Im späten Osten hörte man Udo Lindenberg und nicht Peter Kraus, und man hatte eine Oma, die "na hallo-ballo!" sagte, wenn man ihr Gottes Segen wünschte. In der Schule fragten die Lehrer, ob die Fernsehuhr Punkte oder Striche hat, und manchmal schaute die Stasi vorbei, um zu fragen, ob man nicht Lust hätte, sich in der kirchlichen Umweltbibliothek mal ein bißchen umzusehen.

Man hatte auch schon mal eine Freundin, die rübermachen wollte, was in West-Berlin relativ selten vorkam. Vor allem aber nannte man ein T-Shirt im Osten Nicki (sächlich). Im Westen aber war ein Nicki (männlich) ein Pullover aus Samtimitat gewesen. Um die Verwirrung komplett zu machen, zeigt das Titelbild von Heins Buch ein auf der Sitzgruppe ausgebreitetes rotes Polohemd mit falscher Knöpfung. Kein Wunder, daß die Kommunikation schwierig bleibt. Beim Berliner Leibgericht scheint aber trotz unterschiedlicher Terminologie das Gemeinte gleich gewesen zu sein: "Es bestand aus Kartoffelbrei, aufgewärmtem geronnenen Schweineblut und aufgewärmten durchgedrehten Schweinseingeweiden." Das hieß dort Schlachteplatte, hier Blut- und Leberwurst. Einen bei der MITROPA geklauten "Pfeffi" hinterher gekippt wie seinerzeit einen "Ratzeputz", dann überstand man beidseitig auch das. Also so bekam sie Kopf und Magen, die Jugend in West-Berlin und Ost-Berlin. Ziemlich "verschnarcht" war alles, aber im Rückblick auch ganz lustig.

Jakob Hein: "Mein erstes T-Shirt". Roman. Piper Verlag, München 2001. 152 S., br., 22,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"So richtig schlau wird der Leser aus Friedmar Apels Rezension nicht: fand er die Geschichten nun ein bisschen doof oder eigentlich doch ganz lustig. Denkbar jedoch, dass beide Lesarten möglich sind. Heins Geschichten zeigten unserem Rezensenten jedenfalls, dass eine "Ost-Berliner Jugend um 1980 ziemlich genauso war wie eine West-Berliner Jugend um 1960". Ein paar Beispiele erhellen, wie Appels Einsicht zustande kam: Lehrer, die autoritäre Trottel waren, Schüler, die den Mädchen hässliche Sachen ins Poesiealbum schrieben, sowie der Gebrauch von so einprägsamen Idiomen wie "schau", "schnafte" oder "tuffig". Misstrauisch macht den Rezensenten bei aller vom Autor vorgetäuschten Naivität, deren O-Töne uns Apel nicht ohne Häme serviert, dass Hein schon als Knabe die kurze Lebensdauer der Mauer vorausgeahnt haben will. Zu Guter letzt müssen dann doch noch ein paar Ost-West Unterschiede notiert werden, wobei die "na hallo-ballo" sagende Oma den bei weitem nachhaltigsten Eindruck hinterließ.

© Perlentaucher Medien GmbH"
»Zigarrenrauchend, mit Ironie im Gesicht, Westgeld in der linken Hosentasche und Ostgeld in der rechten. Also: ein Weltmensch made in DDR.« Wladimir Kaminer