Dieses Buch hat mich überrascht! Nach einem sehr langsamen - und teilweise auch recht ekligem - Einstieg war ich kurz davor es abzubrechen und habe ihm aber eine Chance gegeben, weil es "nur" 300 Seiten hatte und ich bereits so viele positive Stimmen dazu gelesen hatte, nicht zuletzt werden auf dem
Schutzumschlag begeisterte Stimmen mehrerer Bestsellerautoren zitiert. Mein Durchhaltevermögen wurde…mehrDieses Buch hat mich überrascht! Nach einem sehr langsamen - und teilweise auch recht ekligem - Einstieg war ich kurz davor es abzubrechen und habe ihm aber eine Chance gegeben, weil es "nur" 300 Seiten hatte und ich bereits so viele positive Stimmen dazu gelesen hatte, nicht zuletzt werden auf dem Schutzumschlag begeisterte Stimmen mehrerer Bestsellerautoren zitiert. Mein Durchhaltevermögen wurde mit einer Geschichte belohnt, die von Seite zu Seite interessanter wurde und zuguterletzt entwickelte sie sich zu einer romantischen Liebesgeschichte, die eine zauberhafte Botschaft vermittelt!
Anfangs ging mir dieses gemächliche Erzähltempo, bei dem man die Zombies vor dem inneren Auge schlurfend durch die Gegend ziehen sieht, die dabei "Hirn, Hirn" brabbeln, wirklich auf den Keks. Stellenweise fand ich dieses Tempo sogar dermaßen öde, dass ich in Versuchung war einige Seiten nur zu überfliegen. Die poetische und wirklich wunderbare Sprache war dabei - so Leid es mir tut das sagen zu müssen - eine wunderbare Einschlafhilfe. Doch langsam nahm die zerstörte dystopische Welt Gestalt vor meinen Augen an und der geniale Sprachwitz und der staubtrockene Humor Isaac Marions trugen das übrige dazu bei, dass ich bei der Geschichte am Ball blieb und langsam von ihr gefangen genommen wurde.
Die Distanz zu Anfang des Romans wird nicht nur von dem gemächlichen Tempo geschaffen, sondern vor allen Dingen dadurch, dass man zu der zerstörten Welt noch kein Bild vor Augen hat, der Autor hält seine Leser lange Zeit auf Distanz und gibt keine Anhaltspunkte, warum sich die Welt auf diese Weise entwickelt hat. Obwohl - oder gerade weil - R als Ich-Erzähler fungiert, hat man keinen Charakter mit dem man sich identifizieren kann. R hat wie auch alle anderen Zombies seine Persönlichkeit und seine Erinnerung verloren, deshalb trägt er keinen Namen mehr, sondern nennt sich einfach "R", ja, mit diesem Buchstaben könnte sein Namen begonnen haben. Seltsamerweise erinnert er sich aber noch sehr gut an die Musik, die er als Mensch gehört hat und besitzt immer noch seine Plattensammlung. Im Nachhinein, nachdem ich die Botschaft des Buches erfasst habe, denke ich aber, dass er die Erinnerung an Musik im Herzen bewahrt hat, weil es eine große Liebe von ihm war. Das Buch ist mit vielen Beatles-Zitaten gespickt, die nicht einfach zusammenhanglos eingestreut sind, sondern im Erzählfluss der Geschichte oft als Wortspiel eingeflochten sind. Hier muss ich ein Extralob an die Übersetzung von Daniel Sundermann anbringen, der den Wortwitz ohne Verluste ins Deutsche übersetzt hat.
Die Zombies sind keine einzelnen Individuen, sie sind wie ein Kollektiv, eine willenlose Masse, die nur von ihrem Drang Nahrung aufzunehmen, gesteuert werden, und das ist ihr Tagesablauf: auf Raubzug gehen und Menschen essen! Alles andere, wie heiraten, Kinder adoptieren und unterrichten, scheint nur noch ein Schattenbild ihres ehemaligen Lebens zu sein, und man hat beim Lesen das Gefühl, dass diese Rituale nur durchgeführt werden, in Erinnerung an das was einmal war ohne dabei irgendetwas zu fühlen. Neben den oberflächlichen blassen Charakteren, die eine Identifikation regelrecht verhindern, hat mich der Anfang auch vor Ekel manchmal zögern lassen weiter zu lesen. Angefressene Körper, austretende Wundflüssigkeiten und pimpernde Zombies sind nun mal alles andere als appetitlich ;) Nachdem R Julie begegnet tritt jedoch langsam eine Veränderung mit ihm ein. Doch nicht nur er und noch weitere Zombies sind von Veränderungen betroffen, auch die überlebenden Menschen werden gezwungen, ihr Dasein zu überdenken. Warum überleben, nur um des Überlebens willen? Warum Leben, wenn nichts mehr existiert, wofür es sich zu leben lohnt? Das Ende verrät endlich das große Rätsel, wie es zu der Seuche und dem Untergang unserer Welt kam und für mich war es damit die schönste und romantischste Liebeserklärung an das Leben, die ich seit langem gelesen habe. Aber ich will hier nicht zu viel verraten, lest selbst!