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Die Moskauer Schauspielerin Olga Knipper (1868-1959) war 30, als sie den Arzt und Dichter Anton Tschechow kennenlernte, er war 38 und schon im fortgeschrittenen Stadium seiner Tuberkulose. Fünf gemeinsame Jahre nur blieben den beiden, in denen sie häufig getrennt waren. Ihr faszinierender und bewegender Briefwechsel protokolliert die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe und außergewöhnlichen Ehe und gewährt zudem Einblick in das Moskauer Gesellschaftsleben und die Arbeit Tschechows als Bühnenautor.

Produktbeschreibung
Die Moskauer Schauspielerin Olga Knipper (1868-1959) war 30, als sie den Arzt und Dichter Anton Tschechow kennenlernte, er war 38 und schon im fortgeschrittenen Stadium seiner Tuberkulose. Fünf gemeinsame Jahre nur blieben den beiden, in denen sie häufig getrennt waren. Ihr faszinierender und bewegender Briefwechsel protokolliert die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe und außergewöhnlichen Ehe und gewährt zudem Einblick in das Moskauer Gesellschaftsleben und die Arbeit Tschechows als Bühnenautor.
Autorenporträt
Anton Tschechow, geb. am 29. Januar 1860 als Sohn eines kleinen Händlers in der südrussischen Hafenstadt Taganrog, studierte Medizin und machte sich schon während des Studiums mit humoristischen Geschichten einen Namen. 1890 unternahm der bereits lungenkranke Tschechow eine Reise auf die Sträflingsinsel Sachalin, um von den Bedingungen im Strafvollzug im Zarenreich zu berichten. Bereits während seines Arztpraktikums wurde sein Stück 'Onkel Wanja' uraufgeführt. 1892-99 lebte Tschechow als Landarzt und Schriftsteller auf seinem Landgut in Melicho bei Moskau. 1899 siedelte er wegen seiner Lungentuberkulose nach Jalta um. 1901 heiratete er Olga Knipper, eine Schauspielerin, die oft die Titelrollen in seinen Stücken auf der Bühne des Moskauer Künstlertheaters spielte. Tschechow starb am 15. Juli 1904 in Badenweiler.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2010

Zerreiß mir nicht das Herz

Elf Variationen über Anton Tschechow: Zum hundertfünfzigsten Geburtstag erforscht eine Reihe neuer Bücher die Rätsel, Motive und Verstrickungen im Leben und im Werk des großen russischen Autors.

Sein Tod gehört zu den großen Szenen der Literaturgeschichte. Am 15. Juli 1904 kurz nach Mitternacht ließ der 44 Jahre alte Schriftsteller und Arzt Anton Tschechow in einem Hotel in Badenweiler angeblich zum ersten Mal in seinem Leben nach einem Fachkollegen rufen. Die von einer in seinen Lungen wütenden Tuberkulose hervorgerufenen Schmerzen waren unerträglich. Seine Frau, die Schauspielerin Olga Knipper, wollte ihm einen Eisbeutel auf die Brust legen, eine Geste, die der Kranke nur mit "Man legt kein Eis auf einen leeren Magen" kommentierte. Als der Arzt nach Sauerstoff schicken wollte, bemerkte Tschechow, bis der da wäre, sei er längst tot. Darauf brachte man Champagner, von dem er ein ganzes Glas trank, und verschied Minuten später. Woody Allen, für den Tschechow der Größte war, hätte es nicht besser inszenieren können.

Janet Malcolm, eine der bekanntesten Essayistinnen Amerikas, zitiert diese Szene in elf Variationen aus Erinnerungen an und Biographien über Tschechow. Zu seinem 150. Geburtstag ließ der Berlin Verlag Malcolms bereits 2001 in Amerika erschienene literarische Reportage auf den Spuren des Erzählers und Dramatikers ins Deutsche übertragen. Ohne Rücksicht auf biographische Chronologien begleiten wir sie nach Jalta, Moskau und Petersburg und folgen der des Russischen Unkundigen und ihren mehr oder weniger tschechowkundigen lokalen Reiseleiterinnen an Schauplätze, die mit dem Schicksal Tschechows und dem seiner fiktiven Figuren verbunden sind. Hinein mischt sich eine zuweilen naive Kritik an den modernen postsowjetischen Verhältnissen, die den Umbruchsjahren der Tschechow-Zeit gar nicht so unähnlich sind. Für Malcolm ist es eine Freudsche Herausforderung, "Tschechows seltsame, verschlüsselte Werke" nach "versteckten Motiven abzuklopfen" und die Mysterien zu erspüren, die die Orte und Worte preisgeben. Dabei geht es der New Yorkerin nicht nur um das Geheimnis des Tschechowschen Stils, der die Bilder hütet, weil er um die "Kluft zwischen Denken und Schreiben" weiß. Es geht auch um die Rätsel, Motive und tragischen Verstrickungen in Tschechows Schicksal selbst - Freiheit, Liebe, Sex, Familie, Glauben und die Suche nach dem sich höchst selten offenbarenden "Kern des Lebens". Malcolm legt Tschechow auf die Couch. Der Patient, man spürt es, wehrt sich nach Kräften.

Anders als die meisten großen russischen Autoren des neunzehnten Jahrhunderts gehörte Tschechow nicht dem Adel oder dem gehobenen Bürgertum an. Seine Eltern stammten von Leibeigenen ab, sein ebenso tyrannischer wie frömmelnder Vater betrieb in der südrussischen Hafenstadt Taganrog, in der Tschechow am 29. Januar 1860 geboren wurde, einen Krämerladen und tat dies so miserabel, dass er 1876 Bankrott anmelden und vor den Gläubigern nach Moskau fliehen musste. Anton blieb auf sich allein gestellt, von Nachhilfestunden kärglich existierend, zurück und beendete 1879 das Gymnasium, um in Moskau Medizin zu studieren. Dort schrieb er unter Pseudonym nachts Humoresken für Zeitungen, mit denen er sich und die Familie über Wasser hielt. In seiner Kindererzählung "Kaschtanke" über eine Hündin will Malcolm ein bitteres Gleichnis auf Tschechows Leben erkennen. Denn obwohl sich dieser nur langsam von den Qualen und väterlichen Züchtigungen seiner Kindheit frei machen konnte, den "Sklaven", wie er an seinen Verleger schrieb, "tropfenweise aus sich herauspresst", so konnte er sich doch nie von der Familie lösen und blieb zeitlebens deren finanzielle und moralische Stütze. In der Verantwortung für die Familie mag man auch einen möglichen Grund erkennen, warum Tschechow sich erst spät binden konnte. Er heiratete die Schauspielerin Olga Knipper, als seine Krankheit bereits weit fortgeschritten war. Seine Beziehung zu Frauen bleibt ein Buch mit sieben Siegeln, wenig geben die vielen Briefe her, und man weiß bis heute nicht, ob Olga oder vielleicht doch die verheiratete Petersburgerin Lydia Awilowa seine große Liebe war. Letzteres bestreitet Malcolm heftig und votiert für die emanzipierte Olga, die von den Russen gerade deshalb und aufgrund ihrer deutschen Herkunft skeptisch betrachtet wurde.

Ein wunderbares Kapitel ist dem Thema der Natur bei Tschechow gewidmet, der, wie Malcolm meint, der erste Autor war, der "die Beziehung des Menschen zur Natur in das Gebiet der Ethik aufnahm". Man mag ob der Bestimmtheit des Arguments den Kopf wiegen. Fraglos bleibt, dass Tschechow, seiner Zeit voraus, die Natur, versinnbildlicht in vielen Gärten, als etwas von der kapitalistischen Gier Bedrohtes wahrgenommen hat. Nicht zufällig finden Liebeserklärungen bei ihm gern im Garten statt, und er selbst hat die Gartenarbeit geschätzt, nicht, wie sein Zeitgenosse Tolstoi, als Teil einer religiösen Sinnlehre, sondern als Ausgleich zur Schreibmaloche, die für ihn immer ein anstrengender Broterwerb war. Er war ein Arbeitstier, das den Müßiggang liebte und vor der Langeweile und ersten Erfolgen, seiner ersten in einer Literaturzeitschrift und nicht in der Tagespresse abgedruckten Erzählung "Die Steppe", floh. Gegen jede medizinische Vernunft brach er 1890 zu einer Reise auf die berüchtigte Häftlingsinsel Sachalin auf, wo er drei Monate lang siebentausend Karteikarten mit ethnographischen, biologischen und ornithologischen Details füllte. Die Reise war ein Befreiungsschlag, zurück in Moskau wurde die Niederschrift seines Berichts, der bis heute zu den außergewöhnlichsten Werken der russischen Literatur zählt, zur Qual. In Sachalin empfand er ob der dortigen Bedingungen nur "eine gewisse Bitterkeit", zurück in Moskau wurde die Insel zur Inkarnation der Hölle. Er war, so Malcolm, ein ruheloser Mensch, der die Einsamkeit ebenso fürchtete wie die Nähe und der sich im letzten Drittel seines Lebens, schon weil er Arzt war, der Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes immer bewusst sein musste und deshalb um jede Minute rang. Die Religion hat er immer abgelehnt. Sie war ihm kein Trost.

"Tschechow lesen" ist für Tschechow-Kenner und solche, die es werden wollen. Ein Ersatz für das Original ist es nicht. Das gibt es in diesen Wochen in einigen Neuausgaben, allen voran eine fünfbändige Taschenbuchausgabe der Erzählungen und Dramen, die Tschechow selbst als Komödien titulierte. Einen Tschechow für Anfänger gibt es in Form eines Bändchens, das Erzählungen umfasst, die den Übergang von den kleinen Humoresken zu jener von Melancholie und Ironie getränkten Prosa und Dramatik markieren, die uns bis heute so berührt.

Wer Tschechow in die Seele schauen möchte, dem seien seine Briefe ans Herz gelegt, die er, krankheitsbedingt monatelang von den Seinen getrennt, fast täglich schrieb. Die Ehe als Fernbeziehung, auch das gab es vor hundert Jahren schon. 1902, zwei Jahre vor seinem Tod in Badenweiler, schreibt er an Olga: "Sei fröhlich, sei nicht deprimiert, oder gib dir zumindest den Anschein, als seiest du fröhlich ... Schreib, was du machst, welche Rollen du einstudierst ... Mein Herz, sei meine Frau, sei mein Freund, schreib gute Briefe, ergib dich nicht der Maulhenkolie, zerreiß mir nicht das Herz."

SABINE BERKING

Janet Malcolm: "Tschechow lesen". Eine literarische Reise. Aus dem Amerikanischen von Anna und Henning Ritter. Berlin Verlag, Berlin 2010. 200 S., geb., 19,90 [Euro].

Anton Tschechow: "Werke". Erzählungen und Dramen in fünf Bänden. Hrsg. und mit einem Nachwort von Gerhard Bauer und Andreas Ebbinghaus. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. Kass., zus. 2100 S., br., 49,90 [Euro].

Anton Tschechow: "Eine Bagatelle". Erzählungen von Liebe, Glück und Geld. Hrsg. und mit einem Nachwort von Thomas Grob. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 130 S., geb., 10,- [Euro].

Anton Tschechow/Olga Knipper: "Mein ferner lieber Mensch". Ein Liebesroman in Briefen. Hrsg. von Jean Benedetti. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 413 S., br., 9,95 [Euro].

Die fünfbändige Ausgabe der Briefe Anton Tschechows, herausgegeben und übersetzt von Peter Urban und erschienen im Diogenes Verlag, ist leider nicht mehr lieferbar.

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