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Ein Leben außer Kontrolle.
Paul O'Rourke ist Zahnarzt mit einer gutgehenden Praxis an der Park Avenue in Manhattan. Er liebt das Leben, auch wenn er vielleicht nicht besonders viel damit anzufangen weiß. Doch dann tritt plötzlich ein Fremder im Internet unter O'Rourkes Namen und Beruf auf und bedroht fundamental dessen Identität - nicht nur in den virtuellen Tiefen des Internets, sondern auch im ganz realen Leben.
Paul O'Rourke ist ein Mann voller Widersprüche: Er verachtet die Welt der sozialen Medien, ist aber abhängig von seinem iPhone, er ist ein Zahnarzt, der heimlich raucht, ein
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Produktbeschreibung
Ein Leben außer Kontrolle.

Paul O'Rourke ist Zahnarzt mit einer gutgehenden Praxis an der Park Avenue in Manhattan. Er liebt das Leben, auch wenn er vielleicht nicht besonders viel damit anzufangen weiß. Doch dann tritt plötzlich ein Fremder im Internet unter O'Rourkes Namen und Beruf auf und bedroht fundamental dessen Identität - nicht nur in den virtuellen Tiefen des Internets, sondern auch im ganz realen Leben.

Paul O'Rourke ist ein Mann voller Widersprüche: Er verachtet die Welt der sozialen Medien, ist aber abhängig von seinem iPhone, er ist ein Zahnarzt, der heimlich raucht, ein glühender Fan des Baseballteams der Red Sox, der es nicht ertragen kann, wenn sie gewinnen, und er ist ein Atheist, der Gott nicht ganz aufgeben will. Kurz, der Zahnarzt mit gutgehender Praxis an der Park Avenue in Manhattan liebt zwar das Leben, weiß aber nichts Rechtes damit anzufangen.

Als Paul eines Tages feststellt, dass jemand in seinem Namen eine Website, eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account eingerichtet hat, verfolgt er mit ohnmächtigem Entsetzen die Entwicklung seines virtuellen Alter Ego. Bald geht es nicht mehr nur um die Verletzung seiner Privatsphäre, sondern um etwas viel Beunruhigenderes: Jemand hat seine Identität gestohlen, und dieser "Online-Paul" beginnt ein Eigenleben zu führen - manchen ist er sogar sympathischer als der echte. Fieberhaft versucht Paul herauszufinden, was der Grund für dieses böse Spiel sein und wer dahinterstecken könnte. Er vernachlässigt dabei nicht nur seine Zahnarztpraxis, sondern gerät immer tiefer in die Abgründe einer digitalen Welt, die zunehmend sein reales Leben und Ich zu dominieren droht.

In seinem vielbeachteten Roman "Ins Freie" hat Joshua Ferris das Schicksal eines Mannes beschrieben, der die Kontrolle über sein Leben verliert, weil eine unbeherrschbare Zwangsstörung Besitz von ihm ergreift. In "Mein fremdes Leben" variiert Ferris dieses Thema auf eine noch verstörendere, noch brisantere Weise, indem er zeigt, wie wenig es in unserer modernen Welt bedarf, um unsere gesamte Existenz, unsere ureigenste Identität anzugreifen und in Frage zu stellen.
Autorenporträt
Joshua Ferris wurde 1974 in Illinois geboren. Sein erster Roman "Wir waren unsterblich" erschien in 24 Ländern, wurde mit dem Hemingway Foundation/PEN Award ausgezeichnet und für die Shortlist des National Book Award nominiert. Mit seinem zweiten Roman "Ins Freie" kam Joshua Ferris 2010 auf die prestigeträchtige Auswahlliste "20 Under 40" des Literaturmagazins The New Yorker. "Mein fremdes Leben" wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Dylan Thomas Prize und kam auf die Shortlist des Man Booker Prize. Joshua Ferris lebt mit Frau und Kind in New York.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Kilb ist gelangweilt vom dritten Buch von Joshua Ferris. Thomas Pynchon, meint er, hätte aus dieser Geschichte um einen von narzisstischer Einsamkeit und mannigfachen Krisen gebeutelten New Yorker Zahnarzt, der einem Doppelgänger begegnet, eine Menge mehr gemacht, als es dem Autor gelingt. Für Kilb ist die Story zu kompliziert, lässt Leitmotive vermissen (Pynchon!) und kann sich zwischen Humoreske, Farce und Satire nicht entscheiden. Schade, findet Kilb, denn Potenzial erkennt er durchaus in der Geschichte und den leider bloß angeschlagenen Themen Netzgesellschaft, jüdischer Mittelstand, Psychowracks moderner Jobwelten.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine superclevere Parabel." Wieland Freund / Die Welt

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2014

Zahnarzt in Nöten
Joshua Ferris führt uns in die Fallen der Netzwelt

Eine Satire darf boshaft sein, verletzend, höflich, taktlos, oberschlau, plump, zynisch, idealistisch, gemäßigt und überdreht. Nur eines darf sie nicht sein: unscharf. Man muss das Thema genau erkennen im Sucher der Sprache, sonst trifft der Schuss nicht. Sonst bleibt am Ende nur, was schon am Anfang im Übermaß da war: ein Haufen Wörter ohne Witz.

Der Amerikaner Joshua Ferris, geboren 1974, ist vor sieben Jahren mit seinem Erstling "Wir waren unsterblich" bekannt geworden, einer in der Wir-Perspektive geschriebenen Romansatire auf den Alltag in einer Werbeagentur. Drei Jahre später erschien sein zweiter Roman, "Ins Freie", eine ganz anders gestimmte, düster und elegisch grundierte Geschichte über einen New Yorker Anwalt, der von einer rätselhaften Krankheit aus seinem Büro, seiner Familie und seinem Leben gerissen wird. "Ins Freie" war Ferris' Meisterwerk: ein Buch, in dem sich die europäische Tradition des absurden Romans mit jener der "great American novel" kreuzte, in dem das epische Erzählen eine existentialistische Unterströmung bekam. Danach konnte man von diesem Schriftsteller alles erwarten.

"Mein fremdes Leben", Joshua Ferris' drittes Buch, das, mit einigen Vorschusslorbeeren aus Amerika versehen, bei uns herauskommt, ist nun beides, eine in viele Richtungen zielende Satire und das Porträt eines Mannes in einer Lebenskrise. Der Ich-Erzähler, ein Dr. Paul C. O'Rourke, betreibt in Manhattan eine offenbar florierende Zahnarztpraxis, hat aber ansonsten wenig Freude im Leben. Pauls Liebesbeziehung zu seiner Praxisangestellten Connie ist an seiner fehlenden Familientauglichkeit zerbrochen, seine Sozialkontakte tendieren gegen null, und seine liebste Abendbeschäftigung besteht im Anschauen von Spielen der Boston Red Sox, die freilich auch nicht immer der reine Genuss sind. Zudem ist Paul ein bekennender Atheist und Misanthrop, was ihn sowohl aus dem Kreis der Religionen als auch aus dem der Wohltätigkeitsvereine ausschließt, obwohl er sich in früheren Jahren durchaus bemüht hat, in Connies jüdischer Familie Fuß zu fassen, deren Wir-Gefühl und Traditionspflege ihm als Ausweg aus seiner narzisstischen Vereinsamung erschienen.

Eines Tages nun erscheint im Internet eine Website unter Pauls Namen, die sich bald mit allerlei esoterischen Mitteilungen über die Amalekiter, einen biblischen Volksstamm in Palästina, der unter König David und seinen Nachfolgern ausgerottet wurde, und ihre modernen Nachfahren füllt, die sich Ulms nennen und zu denen, wie die rätselhafte Stimme aus dem Netz verkündet, auch unser atheistischer Zahnarzt gehört. Hinter dem digitalen Doppelgänger, der bald auch auf Facebook und Twitter seine Spuren hinterlässt, steckt, wie Paul herausfindet, ein ehemaliger Patient von ihm namens Al Fruhstick, und hinter Fruhstick wiederum verbirgt sich ein gewisser Grant Arthur, ein vom Christen- zum Judentum übergetretener Konvertit, der aus Hass gegen die Religion der Tora eine Sekte gegründet hat, deren Hauptzweck die Relativierung der historischen Opferrolle des jüdischen Volkes zu sein scheint.

Das klingt kompliziert. Und es wird dadurch nicht einfacher, dass Joshua Ferris eine eigene schriftliche Überlieferung der Amalekiter erfindet, die er "Kantavetikel" nennt, und dass er als Parallelfigur zu Paul O'Rourke einen Börsenmillionär namens Pete Mercer einführt, der ebenso wie Paul in die Schlingen und Schliche der Ulms gezogen wird. Es stecken viele Möglichkeiten in dieser Geschichte, eine Satire über die neue Netzgesellschaft, eine Humoreske über die Lebenswelten des jüdischen Mittelstands in New York, eine bittere Farce über die Psychowracks des amerikanischen Arbeitslebens, aber Ferris kann sich für keine davon richtig entscheiden. So springt er mal auf dieses, mal auf jenes Terrain, lässt seinen Helden über seine sexuellen Nöte - "Mösenklemme" nennt es Paul - und über Luthers Antisemitismus räsonieren, flicht philosophische Erwägungen und biblisches Bildungsgut ein und verspielt auf diese Weise das erzählerische Potential, das er mit der Figur des Dr. O'Rourke eröffnet hat. Denn ein Zahnarzt ist ja, wie es gleich am Anfang des Buches heißt, kein gewöhnlicher Mediziner, er hat ein besonderes Verhältnis zu Mündern: zu dem, was aus ihnen herauskommt, und zu dem, was in ihnen steckt. Thomas Pynchon, dessen Einfluss in diesem Roman kaum zu übersehen ist, hätte aus diesem Umstand ein Leitmotiv gemacht, bei Joshua Ferris reicht es nur zu einem Running Gag.

Die Schönheit des Baseballspiels, heißt es gegen Ende dieses von Marcus Ingendaay bis in feinste Nuancen präzise übersetzten Buches, sei "die mähliche Metamorphose des Öden in etwas Unbeschreibliches". Joshua Ferris hat es umgekehrt gemacht. Er hat etwas schwer zu Beschreibendes in etwas ziemlich Ödes verwandelt.

ANDREAS KILB

Joshua Ferris: "Mein fremdes Leben". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay. Luchterhand Literaturverlag, München 2014. 384 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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