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Dimitrios betreibt eine Messerschmiede. Im August strömen die Menschen zur Marienkirche und einige leisten sich ein Taschenmesser mit Holzgriff als Andenken. In der Metzgerei verfolgt die Kundschaft gebannt, wie Emmanuel die Schlachttiere in Küchenportionen zerteilt. Aristos, der Friseur von gegenüber, wartet auf Kundschaft. Lärmende Kinder füllen den Dorfplatz unter der großen Platane. Mittagszeit!Dieses griechische Bergdorf ist Fiktion, ein Ideal. Denn längst hat die Moderne Einzug gehalten. Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten, die Mühsal der Feldarbeit und das karge Einkommen im…mehr

Produktbeschreibung
Dimitrios betreibt eine Messerschmiede. Im August strömen die Menschen zur Marienkirche und einige leisten sich ein Taschenmesser mit Holzgriff als Andenken. In der Metzgerei verfolgt die Kundschaft gebannt, wie Emmanuel die Schlachttiere in Küchenportionen zerteilt. Aristos, der Friseur von gegenüber, wartet auf Kundschaft. Lärmende Kinder füllen den Dorfplatz unter der großen Platane. Mittagszeit!Dieses griechische Bergdorf ist Fiktion, ein Ideal. Denn längst hat die Moderne Einzug gehalten. Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten, die Mühsal der Feldarbeit und das karge Einkommen im traditionellen Handwerk sind keine Zukunftsperspektiven - nicht nur für die Jugend. In manchem Dorf hat sich - man könnte meinen zum Trotz - ein harter Kern gebildet. Menschen, die bleiben wollen, oder müssen. Familien, die zusammenhalten und in ihrem traditionellen Lebensstil Zufriedenheit finden.
Autorenporträt
Wolfgang Bernauer ist ein Schweizer Augenarzt, Autor und Fotograf. Naturwissenschaften begleiten ihn seit seiner Kindheit: Sein Vater war Chemiker und sein Onkel Erfinder von Polarisationsfiltern. Die belichteten Glasplatten und die alten Apparate aus der Familiensammlung waren die ersten Anregungen für fotografische Experimente. Dem Medizinstudium folgten fotografische Ausbildungen und erste kunsthistorische Reportagen. Tiefer Respekt und großes Interesse für das kulturelle und soziale Leben der Bevölkerung in den Randgebieten der Alpen und in Griechenland prägen seine Arbeit. Seine Studien und Fotografien lenken den Blick auf das traditionelle Leben, die Wohnverhältnisse, den Festtagskalender und alte Handwerkstechniken. Ein mehrwöchiger Aufenthalt in Olymbos, im Bergland von Karpathos gelegen, initiierte 1996 das Langzeitprojekt Mein griechischesDorf. Ein weiteres großes Projekt heißt Alpleben. Durch den bewussten Einbezug des kulturellen Umfelds erhalten die Porträtstudien eine zeitgeschichtliche Dimension. Wolfgang Bernauer veröffentlichte zahlreiche Text- und Bildbeiträge in Print- und Online-Medien. Darunter: Reise und Kultur, Photographie, Foto-Magazin, Color-Foto und Schwarzweiss. Seine fotografischen Arbeiten wurden in fotoforum 3/2015 vorgestellt. www.wolfgangbernauer.com
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.02.2021

Mein Bäcker, mein Dorf

Es geht um Heimat, den Ort, an dem man einander kennt, man verwurzelt ist, in dem sich das Leben abspielt, kurz: Es geht um das Dorf. Wichtige Treffpunkte sind die Kaffeehäuser. Das erste Kapitel trägt den Titel "Willkommen". Die Fotos des Schweizers Wolfgang Bernauer in gedämpften Farben stellen die Inhaber dieser Kaffeehäuser vor, meist betagte Männer. Sie posieren in ihrem mit Requisiten eines langen Lebens und mit Waren des täglichen Bedarfs überladenen und dennoch kargen Reich und blicken dem Betrachter ruhig und stolz entgegen. Sie stehen für eine ganze Welt, Charaktere sind sie ohnehin und Zeugen eines allmählich sich auflösenden Kosmos. Genauso wie die vertrauten vormodernen Handwerke: der Bäcker, der Metzger, der Schmied entlang der Dorfstraße. Später kommt die Umgebung mit den Steinterrassen des griechischen Berglandes dazu. Lasttiere sind in den engen Gassen bis heute das effektivste Transportmittel. Die Kirche gibt die traditionellen Festtage vor, und die Musikanten begleiten die Dörfler beim Tanz. Zu jedem Bild informiert ein kleiner Text über die dargestellte Person, ihre Tätigkeit und ihre Sorgen und Hoffnungen. Und unversehens werden einem das Dorf und seine Bewohner vertraut, selbst wenn der Blick in Privaträume vermieden wird. Das macht die Fotografie Wolfgang Bernauers glaubwürdig. Ohne allzu viel nüchterne Distanz, aber auch ohne aufdringliche Nähe gelingt es ihm, eine Atmosphäre des Dorflebens zu vermitteln. Zur Konstruktion seines idealen Dorfes hat er Aufnahmen verschiedener Ortschaften fernab des Tourismus und von den dort wohnenden Menschen montiert. Kennengelernt hat er sie während seiner langen Wanderungen auf den griechischen Inseln und durch den Peloponnes. Dabei nahm er sich den Genfer Fotografen Fred Boissonnas zum Vorbild, der am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zum ikonischen Dokumentaristen der Kultur des ländlichen Griechenlands wurde. Für Bernauer ist das Dorf eine Wunschwelt des Daseins, die aber selbst in dieser poetischen Wiedergabe auch verkümmert und verloren wirkt. Und doch: Was schon fast verschwunden schien, wird durch junge Leute, die als Biobauern in die Provinz zurückkehren, mancherorts revitalisiert.

lem

"Mein griechisches Dorf" von Wolfgang Bernauer. Mit Texten von Wolfgang Bernauer. Fotoforum-Verlag, Münster 2020. 148 Seiten, 67 Abbildungen. Gebunden, 49 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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