Tehmina Durrani wird in den 50er Jahren in eine Familie der pakistanischen Oberschicht hineingeboren und heiratet 23jährig einen der einflußreichsten Politiker Pakistans. Sie erleidet das Schicksal unzähliger Frauen im Islam: die Erniedrigung durch den Ehemann. Nach harten Kämpfen setzt sie schließlich die Scheidung durch und sie kann mit ihren Kindern ein unabhängiges, freies Leben führen. Die Geschichte eines Ehe- und Familiendramas vor dem Hintergrund einer moslemischen Welt im Umbruch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.1995Schöne Frau, islamischer Tyrann
Wie man im Westen Bestseller kocht / Tehmina Durranis Autobiographie "Mein Herr und Gebieter"
"Mein Herr und Gebieter" - ist das etwa Band Nr. 3 in der Serie "Nicht ohne meine Tochter"? Wer könnte es dem Tehmina Durrani unterstützenden Autorenteam, William und Marilyn Hoffer, verdenken, am gleichen Süppchen weiterzukochen, das dem westlichen Gaumen doch so gut mundet. Das Rezept erscheint unwiderstehlich:
- islamisches Land, - schöne, intelligente Frau, - islamischer Tyrann als Ehemann, der ihr Kinder "macht", sie schlägt und absoluten Gehorsam verlangt.
Fehlt noch die richtige Würze, können Vergewaltigungen, Kindesmißhandlungen, Erniedrigungen und Grausamkeiten in jeder Abstufung zum Abschmecken herangezogen werden. Neue Hauptdarsteller, geographische Ortsverschiebung nach Pakistan - und schon wird im Leser das demagogische Zerrbild der islamischen Welt - ein Feindbildregister aus Brutalität und Unterdrückung - bekräftigt, das er sich schon in "Nicht ohne meine Tochter" angeeignet hat. Die Geburt eines neuen Bestsellers?
"Mein Herr und Gebieter" ist die Lebensgeschichte der Pakistanerin Tehmina Durrani. Ihre Kindheit handelt die Autorin auf nur 13 Seiten ab; man könnte sie sogar auf wenige Schlagwörter reduzieren: Luxus, Einsamkeit, Privilegien, absoluter Gehorsam, Minderwertigkeitskomplexe.
Tehmina, 1953 in Pakistan geboren, ist eines von sechs Kindern der wohlhabenden Familie Durrani. Ihre dominante Mutter drillt die Kinder auf unbedingten Gehorsam, Wahrung des äußeren Scheins und bevorzugt ihre drei hellhäutigen Kinder in jeder Hinsicht. Tehmina wird mit ihrem dunklen Teint vernachlässigt. Ihre Großmutter ist ihr einziger Halt und versucht ihre Enkelin durch Hausmittelchen von dem Fluch ihrer dunklen Hautfarbe zu befreien: "Unsere schlammfarbenen Gesichter wurden mit Gurkensaft, Zitronen, Sahne und einem Bleichmittel namens Amex eingerieben, das einem mit widerlich beißendem Geruch in die Nase fuhr."
Mit 16 Jahren bekommt sie einen romantischen Heiratsantrag vom siebenundzwanzigjährigen Anees und sieht darin ihre einzige Chance auf Glück und schnelles Entkommen aus ihrer Familie. Gegen den Willen ihrer Mutter nimmt sie den Antrag an, doch bald schon langweilt ihr Ehemann sie. Sie bekommen eine Tochter, Anees zeigt sich als liebevoller Vater und großzügiger Ehemann, seine Familie vergöttert die neue Schwiegertochter - doch Tehmina wünscht sich einen Ehemann, der es mit ihr aufnehmen kann.
Die Weichen sind gestellt für den großen Auftritt des Feudalherrn und Politikers Mustafa Kahr. Er ist wie geschaffen, um Tehmina Herz und Sinne zu rauben: groß, dunkel, dämonisch, fabelhaftes Aussehen, hohe politische Ziele, hypnotisierende Augen, Frauen, die ihn anhimmeln, Männer, die sich ihm unterwerfen. Kleine Schönheitsfehler wie Gerüchte, daß er seine vier vorigen Ehefrauen auf gemeinste Weise abserviert habe, daß er seine derzeitige Ehefrau, Sherry, in der Öffentlichkeit erniedrige und sie bei den geringsten Anlässen verprügele, daß er politisch korrupt sei, haben in Tehminas Augen keine Gültigkeit.
Ohne zu beschönigen, schildert die Autorin, wie sie ihren Mann vor aller Welt mit Mustafa betrügt. Es kommt, wie es kommen muß: Tehmina verliert als Ehebrecherin jegliches Ansehen in der pakistanischen Feudalgesellschaft. Ihre Eltern lassen ausrichten, daß Tehmina für sie nicht mehr existiere. Sogar ihre Großmutter ist erschüttert. Die Autorin kann ihren Ruf nur wiederherstellen, indem sie Mustafa heiratet. Die bösen Vorahnungen des Lesers werden schon auf den nächsten Seiten bestätigt. Sie muß ihre Tochter aufgeben, der romantische Liebhaber entpuppt sich als geisteskranker Tyrann, Schläge und Erniedrigungen gehören zur Tagesordnung.
Den Schlägen folgen stets Reuebeteuerungen und Entschuldigungen, denen die Autorin immer wieder Glauben schenkt. Die alte Binsenweisheit "Wenn du dich nicht selbst respektierst, wie sollen es andere tun?" wird von Mustafa geschickt verdreht: "Wenn ich dich nicht respektiere, warum sollten es die anderen tun?" Das reicht aus, um Tehmina über den Terror in ihrer neuen Ehe schweigen zu lassen.
Mustafa, bei Ali Bhutto in die Lehre gegangen und Minister in Benazir Bhuttos Kabinett, steht immer im Mittelpunkt der politischen Ereignisse in Pakistan, und so ist auch Tehminas Schicksal von dem ihres Landes untrennbar. Ali Bhuttos Niedergang zwingt Mustafa und Tehmina zur Flucht nach Großbritannien, ihnen stehen neun Jahre Exil bevor. An der Gewalt in ihrer Ehe ändert sich nichts. Mustafa schreckt nicht einmal vor der Entführung seiner eigenen Kinder zurück, um Tehmina nach einem Ausbruchsversuch aus ihrer Ehe zur Rückkehr zu zwingen. Die Autorin ist bereit, körperlich, geistig und seelisch zu kapitulieren.
Nach der Hälfte des Romans überrascht jedoch eine erfrischende Wende - Tehmina findet ihren Stolz wieder. Glück in ihrer Ehe zu finden, hatte die Autorin schon seit langer Zeit aufgegeben. Jetzt ist sie nur noch bemüht, das große Ziel zu verwirklichen, das sie und Mustafa sich gesteckt hatten: dem pakistanischen Volk zu helfen. Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat widmet sie sich ganz der Politik. Mustafa wird wegen Landesverrats gleich am Flughafen verhaftet, doch Tehmina kämpft unermüdlich um seine Freilassung. Nach zwei Jahren Haft wird er entlassen - und das Ehedrama geht weiter. Der Leser glaubt schon an ein Déjà-vu-Erlebnis, als es doch noch zu einer weiteren Wende kommt. Tehmina findet bei westlich orientierten Freunden die Kraft, ihre Scheidung einzureichen.
Die 406 Seiten um und aus dem Leben Tehmina Durranis vergehen wie im Flug. Intrigen, Putschversuche, Ehebruch, politische Aufstände, Machtkämpfe, Entführungen, Eifersucht, Selbstmordversuche, Gewalt und romantische Abenteuer halten den Leser in Atem. Man findet Episoden, die man für Kapitel aus einem Kitschroman halten könnte, wenn es für Tehmina Durrani nicht bitterer Ernst gewesen wäre, wenn ihre Kinder nicht so gelitten hätten. Tanya, Tehminas Tochter aus erster Ehe, könnte sogar ein Buch "Nur ohne meine Tochter" schreiben: Schon als Kind schob ihre Mutter sie ab, um ihren Liebhaber heiraten zu können. Immer wieder besuchte Tanya ihre Mutter in London und flehte sie an, bleiben zu dürfen. Doch Tehmina schickte sie stets zurück zu ihrem Vater. Ihre Begründung: "Ich kann dir kein geregeltes Leben bieten."
"Ich liebe meine Religion, und ich liebe mein Land", sagte Tehmina Durrani in einem Interview mit "Die Zeit". Das wird auch in ihrem Roman sehr deutlich. Wenn sie nicht mehr weiter weiß, fährt die Autorin nach Mekka oder besucht ein anderes islamisches Heiligtum. In ihrer Religion findet sie neue Kraft, oft ist Allah der einzige, zu dem sie sich in ihrer Not noch wenden kann. Sehr wichtig erscheint ihr die Unterscheidung zwischen dem Koran, der die Gleichberechtigung der Frauen fordert, und der Tradition der Feudalherrschaft, zwischen den wahren islamischen Geboten und willkürlichen Auslegungen der Männerwelt: Die Männer, tadelt sie, pickten sich aus dem Koran nur das heraus, was ihnen passe. Daß die pakistanische Gesellschaft am feudalen Wertesystem kranke und nicht an ihrer Religion, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Buch.
Um so mehr überraschte es mich, im Klappentext von "Mein Herr und Gebieter" einem Katalog von Feindbildern zu begegnen, den sich das christliche Abendland über Jahrhunderte hinweg zurechtgelegt hat. ". . . (Tehmina) lernt, daß die Lebensaufgabe einer moslemischen Frau ist, von einem reichen Mann erwählt zu werden, ihm viele Kinder zu schenken und ein Leben in schweigendem Gehorsam zu führen. (. . .) Die schöne und intelligente Tehmina erleidet (. . .) das Schicksal unzähliger Frauen im Islam . . ."
"Mein Herr und Gebieter" ist nicht nur die Geschichte einer Frau; die Autobiographie hat eine gesellschaftskritische Funktion. Das Buch konnte nur unter Lebensgefahr geschrieben werden. Aber wirkt die Kritik an der pakistanischen Gesellschaft nicht wohlfeil, weil der Hoffmann und Campe Verlag offensichtlich auf der Erfolgswelle von "Nicht ohne meine Tochter" reitet? Ein Feindbild ausmalen, damit die Kasse stimmt? AMINA ÖZELSEL
Tehmina Durrani: "Mein Herr und Gebieter". Aus dem Englischen von Annette Meyer-Prien, Almuth Dittmar-Kolb und Barbara Vogt. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1994. 432 Seiten und 16 Seiten Bildteil. 44,- DM.
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Wie man im Westen Bestseller kocht / Tehmina Durranis Autobiographie "Mein Herr und Gebieter"
"Mein Herr und Gebieter" - ist das etwa Band Nr. 3 in der Serie "Nicht ohne meine Tochter"? Wer könnte es dem Tehmina Durrani unterstützenden Autorenteam, William und Marilyn Hoffer, verdenken, am gleichen Süppchen weiterzukochen, das dem westlichen Gaumen doch so gut mundet. Das Rezept erscheint unwiderstehlich:
- islamisches Land, - schöne, intelligente Frau, - islamischer Tyrann als Ehemann, der ihr Kinder "macht", sie schlägt und absoluten Gehorsam verlangt.
Fehlt noch die richtige Würze, können Vergewaltigungen, Kindesmißhandlungen, Erniedrigungen und Grausamkeiten in jeder Abstufung zum Abschmecken herangezogen werden. Neue Hauptdarsteller, geographische Ortsverschiebung nach Pakistan - und schon wird im Leser das demagogische Zerrbild der islamischen Welt - ein Feindbildregister aus Brutalität und Unterdrückung - bekräftigt, das er sich schon in "Nicht ohne meine Tochter" angeeignet hat. Die Geburt eines neuen Bestsellers?
"Mein Herr und Gebieter" ist die Lebensgeschichte der Pakistanerin Tehmina Durrani. Ihre Kindheit handelt die Autorin auf nur 13 Seiten ab; man könnte sie sogar auf wenige Schlagwörter reduzieren: Luxus, Einsamkeit, Privilegien, absoluter Gehorsam, Minderwertigkeitskomplexe.
Tehmina, 1953 in Pakistan geboren, ist eines von sechs Kindern der wohlhabenden Familie Durrani. Ihre dominante Mutter drillt die Kinder auf unbedingten Gehorsam, Wahrung des äußeren Scheins und bevorzugt ihre drei hellhäutigen Kinder in jeder Hinsicht. Tehmina wird mit ihrem dunklen Teint vernachlässigt. Ihre Großmutter ist ihr einziger Halt und versucht ihre Enkelin durch Hausmittelchen von dem Fluch ihrer dunklen Hautfarbe zu befreien: "Unsere schlammfarbenen Gesichter wurden mit Gurkensaft, Zitronen, Sahne und einem Bleichmittel namens Amex eingerieben, das einem mit widerlich beißendem Geruch in die Nase fuhr."
Mit 16 Jahren bekommt sie einen romantischen Heiratsantrag vom siebenundzwanzigjährigen Anees und sieht darin ihre einzige Chance auf Glück und schnelles Entkommen aus ihrer Familie. Gegen den Willen ihrer Mutter nimmt sie den Antrag an, doch bald schon langweilt ihr Ehemann sie. Sie bekommen eine Tochter, Anees zeigt sich als liebevoller Vater und großzügiger Ehemann, seine Familie vergöttert die neue Schwiegertochter - doch Tehmina wünscht sich einen Ehemann, der es mit ihr aufnehmen kann.
Die Weichen sind gestellt für den großen Auftritt des Feudalherrn und Politikers Mustafa Kahr. Er ist wie geschaffen, um Tehmina Herz und Sinne zu rauben: groß, dunkel, dämonisch, fabelhaftes Aussehen, hohe politische Ziele, hypnotisierende Augen, Frauen, die ihn anhimmeln, Männer, die sich ihm unterwerfen. Kleine Schönheitsfehler wie Gerüchte, daß er seine vier vorigen Ehefrauen auf gemeinste Weise abserviert habe, daß er seine derzeitige Ehefrau, Sherry, in der Öffentlichkeit erniedrige und sie bei den geringsten Anlässen verprügele, daß er politisch korrupt sei, haben in Tehminas Augen keine Gültigkeit.
Ohne zu beschönigen, schildert die Autorin, wie sie ihren Mann vor aller Welt mit Mustafa betrügt. Es kommt, wie es kommen muß: Tehmina verliert als Ehebrecherin jegliches Ansehen in der pakistanischen Feudalgesellschaft. Ihre Eltern lassen ausrichten, daß Tehmina für sie nicht mehr existiere. Sogar ihre Großmutter ist erschüttert. Die Autorin kann ihren Ruf nur wiederherstellen, indem sie Mustafa heiratet. Die bösen Vorahnungen des Lesers werden schon auf den nächsten Seiten bestätigt. Sie muß ihre Tochter aufgeben, der romantische Liebhaber entpuppt sich als geisteskranker Tyrann, Schläge und Erniedrigungen gehören zur Tagesordnung.
Den Schlägen folgen stets Reuebeteuerungen und Entschuldigungen, denen die Autorin immer wieder Glauben schenkt. Die alte Binsenweisheit "Wenn du dich nicht selbst respektierst, wie sollen es andere tun?" wird von Mustafa geschickt verdreht: "Wenn ich dich nicht respektiere, warum sollten es die anderen tun?" Das reicht aus, um Tehmina über den Terror in ihrer neuen Ehe schweigen zu lassen.
Mustafa, bei Ali Bhutto in die Lehre gegangen und Minister in Benazir Bhuttos Kabinett, steht immer im Mittelpunkt der politischen Ereignisse in Pakistan, und so ist auch Tehminas Schicksal von dem ihres Landes untrennbar. Ali Bhuttos Niedergang zwingt Mustafa und Tehmina zur Flucht nach Großbritannien, ihnen stehen neun Jahre Exil bevor. An der Gewalt in ihrer Ehe ändert sich nichts. Mustafa schreckt nicht einmal vor der Entführung seiner eigenen Kinder zurück, um Tehmina nach einem Ausbruchsversuch aus ihrer Ehe zur Rückkehr zu zwingen. Die Autorin ist bereit, körperlich, geistig und seelisch zu kapitulieren.
Nach der Hälfte des Romans überrascht jedoch eine erfrischende Wende - Tehmina findet ihren Stolz wieder. Glück in ihrer Ehe zu finden, hatte die Autorin schon seit langer Zeit aufgegeben. Jetzt ist sie nur noch bemüht, das große Ziel zu verwirklichen, das sie und Mustafa sich gesteckt hatten: dem pakistanischen Volk zu helfen. Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat widmet sie sich ganz der Politik. Mustafa wird wegen Landesverrats gleich am Flughafen verhaftet, doch Tehmina kämpft unermüdlich um seine Freilassung. Nach zwei Jahren Haft wird er entlassen - und das Ehedrama geht weiter. Der Leser glaubt schon an ein Déjà-vu-Erlebnis, als es doch noch zu einer weiteren Wende kommt. Tehmina findet bei westlich orientierten Freunden die Kraft, ihre Scheidung einzureichen.
Die 406 Seiten um und aus dem Leben Tehmina Durranis vergehen wie im Flug. Intrigen, Putschversuche, Ehebruch, politische Aufstände, Machtkämpfe, Entführungen, Eifersucht, Selbstmordversuche, Gewalt und romantische Abenteuer halten den Leser in Atem. Man findet Episoden, die man für Kapitel aus einem Kitschroman halten könnte, wenn es für Tehmina Durrani nicht bitterer Ernst gewesen wäre, wenn ihre Kinder nicht so gelitten hätten. Tanya, Tehminas Tochter aus erster Ehe, könnte sogar ein Buch "Nur ohne meine Tochter" schreiben: Schon als Kind schob ihre Mutter sie ab, um ihren Liebhaber heiraten zu können. Immer wieder besuchte Tanya ihre Mutter in London und flehte sie an, bleiben zu dürfen. Doch Tehmina schickte sie stets zurück zu ihrem Vater. Ihre Begründung: "Ich kann dir kein geregeltes Leben bieten."
"Ich liebe meine Religion, und ich liebe mein Land", sagte Tehmina Durrani in einem Interview mit "Die Zeit". Das wird auch in ihrem Roman sehr deutlich. Wenn sie nicht mehr weiter weiß, fährt die Autorin nach Mekka oder besucht ein anderes islamisches Heiligtum. In ihrer Religion findet sie neue Kraft, oft ist Allah der einzige, zu dem sie sich in ihrer Not noch wenden kann. Sehr wichtig erscheint ihr die Unterscheidung zwischen dem Koran, der die Gleichberechtigung der Frauen fordert, und der Tradition der Feudalherrschaft, zwischen den wahren islamischen Geboten und willkürlichen Auslegungen der Männerwelt: Die Männer, tadelt sie, pickten sich aus dem Koran nur das heraus, was ihnen passe. Daß die pakistanische Gesellschaft am feudalen Wertesystem kranke und nicht an ihrer Religion, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Buch.
Um so mehr überraschte es mich, im Klappentext von "Mein Herr und Gebieter" einem Katalog von Feindbildern zu begegnen, den sich das christliche Abendland über Jahrhunderte hinweg zurechtgelegt hat. ". . . (Tehmina) lernt, daß die Lebensaufgabe einer moslemischen Frau ist, von einem reichen Mann erwählt zu werden, ihm viele Kinder zu schenken und ein Leben in schweigendem Gehorsam zu führen. (. . .) Die schöne und intelligente Tehmina erleidet (. . .) das Schicksal unzähliger Frauen im Islam . . ."
"Mein Herr und Gebieter" ist nicht nur die Geschichte einer Frau; die Autobiographie hat eine gesellschaftskritische Funktion. Das Buch konnte nur unter Lebensgefahr geschrieben werden. Aber wirkt die Kritik an der pakistanischen Gesellschaft nicht wohlfeil, weil der Hoffmann und Campe Verlag offensichtlich auf der Erfolgswelle von "Nicht ohne meine Tochter" reitet? Ein Feindbild ausmalen, damit die Kasse stimmt? AMINA ÖZELSEL
Tehmina Durrani: "Mein Herr und Gebieter". Aus dem Englischen von Annette Meyer-Prien, Almuth Dittmar-Kolb und Barbara Vogt. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1994. 432 Seiten und 16 Seiten Bildteil. 44,- DM.
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