Mit Siegen in allen vier Wettkämpfen der Vierschanzentournee wurde Sven Hannawald 2001/2002 zur Sportlegende - bis heute hat ihm das keiner nachgemacht. Doch das Ausnahmetalent konnte dem Leistungsdruck eines Spitzensportlers nicht standhalten: Er, der in der DDR aufgewachsen war und immerzu gefordert wie gefördert wurde, musste seine Karriere im Jahr 2004 beenden, nachdem sich Symptome einer Burn-out-Erkrankung zeigten. Wie kam es dazu? Wie ist Sven Hannawald zu dem Erfolgssportler geworden, der er war? Was macht Skispringen so unglaublich fordernd? In seiner Autobiografie liefert Sven Hannawald spannende Hintergründe aus dem Innenleben eines Athleten, der sich den gnadenlosen Mechanismen seiner Sportart auslieferte, um erfolgreich zu sein: Wie ihn der Kampf um immer noch weniger Körpergewicht fast in die Magersucht, Erfolgsdruck und Zukunftsängste ihn in die Einsamkeit trieben. Und wie er sich und seine Balance schließlich findet - und seinen Weg zurück ins Leben. Ein Buch, das in seiner schonungslosen Ehrlichkeit nicht nur allen Sportinteressierten einen Blick hinter die Kulissen des Lebens von Leistungsportlern gewährt, sondern das auch all jenen Menschen Mut macht, die unter dem Leistungsdruck unserer Gesellschaft selbst an Depressionen oder Burn-out erkrankt sind.
Sven Hannawald wurde 1974 in Erlabrunn/Erzgebirge geboren. Als 12-jähriger wechselte er auf die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) in Klingenthal, wurde DDR-Schülermeister und zog nach der Wende (mit 15 Jahren) nach Hinterzarten in den Schwarzwald. Im Jahr 2000 wurde er Skiflug-Weltmeister und 2001/02 zur Legende, als er die Vierschanzentournee mit Siegen in allen vier Wettbewerben gewann, was vor ihm und bis heute keiner mehr geschafft hat. Hannawald gewann insgesamt 18 Weltcup-Springen und wurde 2002 Olympiasieger. Im Jahr 2004 beendete er seine Karriere. Aktuell ist der 38-Jährige Autorennfahrer. "Der Motorsport gibt mir meine Adrenalinkicks von früher, die ich nach wie vor brauche."
Sven Hannawald wurde 1974 in Erlabrunn/Erzgebirge geboren. Als 12-jähriger wechselte er auf die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) in Klingenthal, wurde DDR-Schülermeister und zog nach der Wende (mit 15 Jahren) nach Hinterzarten in den Schwarzwald. Im Jahr 2000 wurde er Skiflug-Weltmeister und 2001/02 zur Legende, als er die Vierschanzentournee mit Siegen in allen vier Wettbewerben gewann, was vor ihm und bis heute keiner mehr geschafft hat. Hannawald gewann insgesamt 18 Weltcup-Springen und wurde 2002 Olympiasieger. Im Jahr 2004 beendete er seine Karriere. Aktuell ist der 38-Jährige Autorennfahrer. "Der Motorsport gibt mir meine Adrenalinkicks von früher, die ich nach wie vor brauche."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2013Neue Lust aufs Leben
Erfolg macht nicht glücklich. Sondern einsam. Es war ein leidvoller Weg, bis sich Sven Hannawald diese traurige Erkenntnis eingestehen konnte. Fast 15 Millionen Deutsche saßen am Dreikönigstag 2002 vor den Bildschirmen, um ihm bei seinem größten Triumph zuzuschauen: In Bischofshofen ließen ihn Tausende deutscher Skisprung-Fans hochleben, sangen "Oh, wie ist das schön" und verwandelten die Paul-Außerleitner-Schanze in ein schwarzrotgoldenes Fahnenmeer. Im Rückblick spricht Hannawald von einem "gewaltigen Moment, viel zu groß, um ihn sofort zu begreifen". Er hatte damals alle Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewonnen; ein Kunststück, das ihm bis heute niemand nachmachte. Kurz darauf kam Gold bei der Skiflug-WM hinzu, in Salt Lake City der Olympia-Titel mit dem Team, Hannawald wurde als "Sportler des Jahres" geehrt. 841 Tage später folgte der tiefe Fall, sportlich und privat. Vom "Himmel in die Hölle", wie es der Betroffene bezeichnet. Er war körperlich und seelisch ein Wrack, fühlte sich "elend, traurig, total schlapp, hoffnungslos". Die Diagnose: Burn-out-Syndrom.
Vieles von dem, was Hannawald von sich in seiner Biographie beschreibt, ist thematisch so neu nicht: Die straff organisierte Ausbildung als "Normerfüller" im DDR-Sportsystem; der Spagat zwischen Athletik und Gewicht, der "svenomenale" Höhenflug des Mädchenschwarms aus "Hannizarten", wie ihn der anhaltende Leistungsdruck sowie das Leben im Scheinwerferlicht krank machten - und wie er nur dank ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe den Kollaps überwand. All das ist auch von ihm in zahlreichen Interviews schon erzählt worden. Doch selten so eindringlich wie an manchen Stellen in dem vom Journalisten Ulrich Pramann mitverfassten Buch. Zu den aufschlussreichsten Passagen zählen die Episoden, in denen er berichtet, wie er anderen Menschen zuliebe so tat, als wäre alles in bester Ordnung - und ihm das Gefühl für sich und seinen Körper abhandenkam. Dass Hannawald vor lauter Stress die Haare ausfielen; wie er versuchte, mit immer weniger Gewicht weiter zu springen und seine Mini-Mahlzeiten erst gegen 22 Uhr aß, um nicht mitten in der Nacht vor Hunger aufzuwachen; dass er von Weinkrämpfen geschüttelt wurde, weil er auf dem schmalen Grat zwischen Erwartung und Überforderung den Halt verlor. Die, die ihn auf seinem Weg aus der Krise stützten, unter anderen seine Therapeutin, kommen ausführlich zu Wort. Mehr als drei Jahre dauerte sein Genesungsprozess. Knapp achtzig Kilo bringt Hannawald bei einer Körpergröße von 1,85 Meter inzwischen auf die Waage. Als Hochleistungssportler wog er zeitweise weniger als sechzig. Und warum ging er nun unter die Autoren? "Vielleicht kann mein Beispiel Menschen ein wenig Mut machen, die in ähnlicher Bedrängnis waren oder befürchten müssen, in ein Burn-out zu geraten." Seine Erlebnisse zu verfassen, bezeichnet er als schweren Kampf. Aber er habe ihn gewonnen. Hannawald betont, er sei glücklich heute. Die Angst, die er früher verspürte, habe ihn nicht mehr im Griff, künftig will er die Unsicherheit beherrschen. Hannawald, mittlerweile 38 Jahre alt, schildert sich als offenen Menschen, der wieder Neugierde und Lust aufs Leben verspürt. Womöglich sein wichtigster Sieg.
MARC HEINRICH
Sven Hannawald (mit Ulrich Pramann): Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben, Verlag Zabert Sandmann, 216 Seiten, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erfolg macht nicht glücklich. Sondern einsam. Es war ein leidvoller Weg, bis sich Sven Hannawald diese traurige Erkenntnis eingestehen konnte. Fast 15 Millionen Deutsche saßen am Dreikönigstag 2002 vor den Bildschirmen, um ihm bei seinem größten Triumph zuzuschauen: In Bischofshofen ließen ihn Tausende deutscher Skisprung-Fans hochleben, sangen "Oh, wie ist das schön" und verwandelten die Paul-Außerleitner-Schanze in ein schwarzrotgoldenes Fahnenmeer. Im Rückblick spricht Hannawald von einem "gewaltigen Moment, viel zu groß, um ihn sofort zu begreifen". Er hatte damals alle Wettbewerbe der Vierschanzentournee gewonnen; ein Kunststück, das ihm bis heute niemand nachmachte. Kurz darauf kam Gold bei der Skiflug-WM hinzu, in Salt Lake City der Olympia-Titel mit dem Team, Hannawald wurde als "Sportler des Jahres" geehrt. 841 Tage später folgte der tiefe Fall, sportlich und privat. Vom "Himmel in die Hölle", wie es der Betroffene bezeichnet. Er war körperlich und seelisch ein Wrack, fühlte sich "elend, traurig, total schlapp, hoffnungslos". Die Diagnose: Burn-out-Syndrom.
Vieles von dem, was Hannawald von sich in seiner Biographie beschreibt, ist thematisch so neu nicht: Die straff organisierte Ausbildung als "Normerfüller" im DDR-Sportsystem; der Spagat zwischen Athletik und Gewicht, der "svenomenale" Höhenflug des Mädchenschwarms aus "Hannizarten", wie ihn der anhaltende Leistungsdruck sowie das Leben im Scheinwerferlicht krank machten - und wie er nur dank ärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe den Kollaps überwand. All das ist auch von ihm in zahlreichen Interviews schon erzählt worden. Doch selten so eindringlich wie an manchen Stellen in dem vom Journalisten Ulrich Pramann mitverfassten Buch. Zu den aufschlussreichsten Passagen zählen die Episoden, in denen er berichtet, wie er anderen Menschen zuliebe so tat, als wäre alles in bester Ordnung - und ihm das Gefühl für sich und seinen Körper abhandenkam. Dass Hannawald vor lauter Stress die Haare ausfielen; wie er versuchte, mit immer weniger Gewicht weiter zu springen und seine Mini-Mahlzeiten erst gegen 22 Uhr aß, um nicht mitten in der Nacht vor Hunger aufzuwachen; dass er von Weinkrämpfen geschüttelt wurde, weil er auf dem schmalen Grat zwischen Erwartung und Überforderung den Halt verlor. Die, die ihn auf seinem Weg aus der Krise stützten, unter anderen seine Therapeutin, kommen ausführlich zu Wort. Mehr als drei Jahre dauerte sein Genesungsprozess. Knapp achtzig Kilo bringt Hannawald bei einer Körpergröße von 1,85 Meter inzwischen auf die Waage. Als Hochleistungssportler wog er zeitweise weniger als sechzig. Und warum ging er nun unter die Autoren? "Vielleicht kann mein Beispiel Menschen ein wenig Mut machen, die in ähnlicher Bedrängnis waren oder befürchten müssen, in ein Burn-out zu geraten." Seine Erlebnisse zu verfassen, bezeichnet er als schweren Kampf. Aber er habe ihn gewonnen. Hannawald betont, er sei glücklich heute. Die Angst, die er früher verspürte, habe ihn nicht mehr im Griff, künftig will er die Unsicherheit beherrschen. Hannawald, mittlerweile 38 Jahre alt, schildert sich als offenen Menschen, der wieder Neugierde und Lust aufs Leben verspürt. Womöglich sein wichtigster Sieg.
MARC HEINRICH
Sven Hannawald (mit Ulrich Pramann): Mein Höhenflug, mein Absturz, meine Landung im Leben, Verlag Zabert Sandmann, 216 Seiten, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main