Am 18. Dezember 1997 wurde Kim Dae-jung zum Präsidenten der Republik Korea gewählt und trat am 25. Februar 1998 sein Amt an. Kim Dae-jung ist ein unerschrockener Kämpfer für Freiheit und Demokratie und wurde bereits mehrmals für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Diese Autobiographie "schildert die eindrucksvolle und unvergleichliche Kette von Fortschritten, schweren Rückschlägen und neuen Erfolgen eines Mannes, der seinen Weg mit nie ermattendem Mut durch alle Widerstände hindurch gegangen ist." (Aus dem Geleitwort von Dr. Richard von Weizäcker).
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2000Hoffnungen einer Winterpflanze
Kim Dae-jung erinnert sich
Kim Dae-jung: Mein Leben, mein Weg. Autobiografie des Präsidenten der Republik Korea. Aus dem Koreanischen übertragen von Chei Woon-jung. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2000. 304 Seiten, Abbildungen, 58,- Mark.
Jeder kennt Lech Walesa und seinen Kampf gegen das kommunistische Regime. Wer hätte nicht das Schicksal Nelson Mandelas mit Anteilnahme verfolgt? Aber wem ist schon das Leben und Wirken Kim Dae-jungs vertraut? Seine nun auf Deutsch vorliegende Autobiografie ist, wie Richard von Weizsäcker in einem Geleitwort feststellt, die bescheidene Darstellung des ungewöhnlichen Lebenswegs eines großen Politikers und Menschen.
Als Kim 1925 in der koreanischen Provinz geboren wurde, war sein Land eine japanische Kolonie, die Handelsschule, die er besuchte, ein Instrument japanischer Indoktrination. Aber die Hoffnungen, die sich im August 1945 mit der Kapitulation Japans verbanden, sollten sich nicht erfüllen. Der kommunistische Übergriff auf Südkorea brachte auch Kim Dae-jungs Leben zum ersten Mal in Gefahr. Aber es waren die inneren Verhältnisse des Landes, die ihn nach dem Waffenstillstand bewogen, sich in der Opposition zum Regime von Präsident Rhee zu engagieren. Nach der ersten erfolglosen Kandidatur für die Wahl von 1954 wurde Kim im Mai 1961 in die Nationalversammlung gewählt, die jedoch nach dem Militärputsch von Park Chung-hee nie zusammentrat. 1963 zum Abgeordneten gewählt, unterlag er im April 1971 Präsident Park nur knapp in Wahlen, die im Zeichen massiven Wahlbetrugs standen. Aber auch bei den Präsidentschaftswahlen von 1987 und 1992 konnte er nicht sein Ziel erreichen. Er legte seine Ämter nieder und zog sich ins Ausland zurück - ein Politiker ohne Erfolg, aber von Charakter, für den seine Überzeugung mehr zählte als Gefängnis und Tod.
Denn die Biografie Kim Dae-jungs war bis 1992 nicht nur eine Geschichte erfolgloser Kandidaturen, sondern die eines stets gefährdeten Lebens. Im Mai 1971 erlitt er erhebliche Verletzungen bei einem als Verkehrsunfall getarnten Mordanschlag. Im August 1973 wurde er durch den koreanischen Geheimdienst aus einem Hotel in Tokio entführt. Bis heute ist unklar, warum die wohl geplante Ermordung damals unterblieb. Im März 1976 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, wurde die Freiheitsstrafe im November 1978 in Hausarrest verwandelt. 1980 unter Kriegsrecht abermals verhaftet, verurteilte man ihn im September 1980 wegen Hochverrats zum Tode, ein Urteil, das später in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt und schließlich auf 20 Jahre reduziert wurde. Als Ende 1982 die Haftstrafe ausgesetzt wurde, legte ihm die Regierung nahe, das Land zu verlassen.
Nach der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten wurde Kim wieder unter Hausarrest gestellt, bis ihm im Juli 1987 die Wiederherstellung seiner bürgerlichen Rechte die Möglichkeit gab, den politischen Kampf wieder aufzunehmen. Sein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1997 wurde zum friedlichen Machtwechsel ohne Blut und Gewalt. Er krönte einen Lebensweg, der für ihn auch ein Leidensweg gewesen war. Kim Dae-jung hat sich im Rückblick als "Winterpflanze" bezeichnet, die nur deswegen die Kraft habe, den Winter zu überstehen, weil sie wisse, dass dem Winter der Frühling folgt.
Die Lebenserinnerungen Kim Dae-jungs haben nicht nur biografischen, sondern auch programmatischen Charakter. Vom Privatmann hört man wenig. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau fand er in seiner zweiten Frau und seiner Familie den nötigen Halt. Rückhalt gab ihm auch der katholische Glaube. Die Hoffnung, in seinem Land die Menschenrechte zu verankern, hat ihn nie verlassen. Die Annäherung der beiden koreanischen Staaten bleibt sein Ziel, obgleich er die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung realistisch einschätzt. Wenn er zum Gipfeltreffen mit dem Führer aus Pjöngjang aufbricht, hat er neben der Hoffnung auf eine Verbesserung des politischen Klimas auch nüchterne Zahlen im Gepäck. Für eine Wiedervereinigung Koreas sieht Kim noch größere Schwierigkeiten voraus als bei der Überwindung der deutschen Teilung. Die Wirtschaftskraft Südkoreas betrage nur ein Sechstel derjenigen der früheren Bundesrepublik. Während das Bevölkerungsverhältnis der beiden deutschen Staaten 4:1 betragen habe, verfüge Südkorea nur über die doppelte Einwohnerzahl von Nordkorea. Müssten in Deutschland somit vier Westdeutsche einen Ostdeutschen "unterstützen", so zwei Koreaner im Süden einen im Norden. Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch wäre unvermeidlich, folge man dem deutschen Modell.
Die Autobiografie Kim Dae-jungs ist zugleich ein Abriss der koreanischen Geschichte nach 1945. Manches dürfte sich ein Leser allerdings teils etwas persönlicher, teils etwas systematischer wünschen. Auch fehlen in den Memoiren die letzten Jahre vor der Wahl zum Präsidenten. So fehlt dem Buch am Ende die biografische Pointe, die durch den Abdruck der "Rede an die Nation" vom 19. Dezember 1997 nicht ersetzt wird.
ANNE SCHNEPPEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kim Dae-jung erinnert sich
Kim Dae-jung: Mein Leben, mein Weg. Autobiografie des Präsidenten der Republik Korea. Aus dem Koreanischen übertragen von Chei Woon-jung. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt am Main 2000. 304 Seiten, Abbildungen, 58,- Mark.
Jeder kennt Lech Walesa und seinen Kampf gegen das kommunistische Regime. Wer hätte nicht das Schicksal Nelson Mandelas mit Anteilnahme verfolgt? Aber wem ist schon das Leben und Wirken Kim Dae-jungs vertraut? Seine nun auf Deutsch vorliegende Autobiografie ist, wie Richard von Weizsäcker in einem Geleitwort feststellt, die bescheidene Darstellung des ungewöhnlichen Lebenswegs eines großen Politikers und Menschen.
Als Kim 1925 in der koreanischen Provinz geboren wurde, war sein Land eine japanische Kolonie, die Handelsschule, die er besuchte, ein Instrument japanischer Indoktrination. Aber die Hoffnungen, die sich im August 1945 mit der Kapitulation Japans verbanden, sollten sich nicht erfüllen. Der kommunistische Übergriff auf Südkorea brachte auch Kim Dae-jungs Leben zum ersten Mal in Gefahr. Aber es waren die inneren Verhältnisse des Landes, die ihn nach dem Waffenstillstand bewogen, sich in der Opposition zum Regime von Präsident Rhee zu engagieren. Nach der ersten erfolglosen Kandidatur für die Wahl von 1954 wurde Kim im Mai 1961 in die Nationalversammlung gewählt, die jedoch nach dem Militärputsch von Park Chung-hee nie zusammentrat. 1963 zum Abgeordneten gewählt, unterlag er im April 1971 Präsident Park nur knapp in Wahlen, die im Zeichen massiven Wahlbetrugs standen. Aber auch bei den Präsidentschaftswahlen von 1987 und 1992 konnte er nicht sein Ziel erreichen. Er legte seine Ämter nieder und zog sich ins Ausland zurück - ein Politiker ohne Erfolg, aber von Charakter, für den seine Überzeugung mehr zählte als Gefängnis und Tod.
Denn die Biografie Kim Dae-jungs war bis 1992 nicht nur eine Geschichte erfolgloser Kandidaturen, sondern die eines stets gefährdeten Lebens. Im Mai 1971 erlitt er erhebliche Verletzungen bei einem als Verkehrsunfall getarnten Mordanschlag. Im August 1973 wurde er durch den koreanischen Geheimdienst aus einem Hotel in Tokio entführt. Bis heute ist unklar, warum die wohl geplante Ermordung damals unterblieb. Im März 1976 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, wurde die Freiheitsstrafe im November 1978 in Hausarrest verwandelt. 1980 unter Kriegsrecht abermals verhaftet, verurteilte man ihn im September 1980 wegen Hochverrats zum Tode, ein Urteil, das später in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt und schließlich auf 20 Jahre reduziert wurde. Als Ende 1982 die Haftstrafe ausgesetzt wurde, legte ihm die Regierung nahe, das Land zu verlassen.
Nach der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten wurde Kim wieder unter Hausarrest gestellt, bis ihm im Juli 1987 die Wiederherstellung seiner bürgerlichen Rechte die Möglichkeit gab, den politischen Kampf wieder aufzunehmen. Sein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1997 wurde zum friedlichen Machtwechsel ohne Blut und Gewalt. Er krönte einen Lebensweg, der für ihn auch ein Leidensweg gewesen war. Kim Dae-jung hat sich im Rückblick als "Winterpflanze" bezeichnet, die nur deswegen die Kraft habe, den Winter zu überstehen, weil sie wisse, dass dem Winter der Frühling folgt.
Die Lebenserinnerungen Kim Dae-jungs haben nicht nur biografischen, sondern auch programmatischen Charakter. Vom Privatmann hört man wenig. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau fand er in seiner zweiten Frau und seiner Familie den nötigen Halt. Rückhalt gab ihm auch der katholische Glaube. Die Hoffnung, in seinem Land die Menschenrechte zu verankern, hat ihn nie verlassen. Die Annäherung der beiden koreanischen Staaten bleibt sein Ziel, obgleich er die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung realistisch einschätzt. Wenn er zum Gipfeltreffen mit dem Führer aus Pjöngjang aufbricht, hat er neben der Hoffnung auf eine Verbesserung des politischen Klimas auch nüchterne Zahlen im Gepäck. Für eine Wiedervereinigung Koreas sieht Kim noch größere Schwierigkeiten voraus als bei der Überwindung der deutschen Teilung. Die Wirtschaftskraft Südkoreas betrage nur ein Sechstel derjenigen der früheren Bundesrepublik. Während das Bevölkerungsverhältnis der beiden deutschen Staaten 4:1 betragen habe, verfüge Südkorea nur über die doppelte Einwohnerzahl von Nordkorea. Müssten in Deutschland somit vier Westdeutsche einen Ostdeutschen "unterstützen", so zwei Koreaner im Süden einen im Norden. Ein wirtschaftlicher Zusammenbruch wäre unvermeidlich, folge man dem deutschen Modell.
Die Autobiografie Kim Dae-jungs ist zugleich ein Abriss der koreanischen Geschichte nach 1945. Manches dürfte sich ein Leser allerdings teils etwas persönlicher, teils etwas systematischer wünschen. Auch fehlen in den Memoiren die letzten Jahre vor der Wahl zum Präsidenten. So fehlt dem Buch am Ende die biografische Pointe, die durch den Abdruck der "Rede an die Nation" vom 19. Dezember 1997 nicht ersetzt wird.
ANNE SCHNEPPEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Anne Schneppen sieht in der Autobiografie nicht nur einen Abriss der koreanischen Geschichte, sondern gleichermaßen einen Einblick in ein "gefährdetes Leben". In ihrer Rezension zeichnet sie den politischen Lebensweg Kim Dae-jungs nach und preist seinen Charakter, da er für seine Überzeugungen sein Leben aufs Spiel gesetzt habe. An der Autobiographie hat sie allerdings auszusetzen, dass das Privatleben des Politikers zu wenig Beachtung finde und so nicht sehr "persönliche" geraten sei. Sie bemängelt die fehlende Systematik in den Betrachtungen und bedauert, dass die letzten Jahre vor der Wahl Dae-jungs zum Präsidenten in den Erinnerungen nicht enthalten sind, was der Autobiografie die "biografische Pointe" nehme, denn schließlich habe der Autor sein Leben darauf hingearbeitet und Morddrohungen und Haft ertragen müssen, um sein Ziel zu erreichen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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