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Barbara Schock-Werner kennt Kölns berühmten Friedhof so gut wie kaum jemand sonst. In ihrem neuen Buch stellt die ehemalige Dombaumeisterin 170 besonders schöne und eindrucksvolle Gräber vor, die viele Stile und Moden widerspiegeln - vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Und sie erzählt spannende Geschichten von außergewöhnlichen Frauen und Männern, bekannten und unbekannten, aus Köln und aus aller Welt, die auf Melaten begraben sind. Bei ihren unzähligen Spaziergängen ist Barbara Schock-Werner auf viele Kleinode gestoßen, die man leicht übersieht, und auf viele Personen, die…mehr

Produktbeschreibung
Barbara Schock-Werner kennt Kölns berühmten Friedhof so gut wie kaum jemand sonst. In ihrem neuen Buch stellt die ehemalige Dombaumeisterin 170 besonders schöne und eindrucksvolle Gräber vor, die viele Stile und Moden widerspiegeln - vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Und sie erzählt spannende Geschichten von außergewöhnlichen Frauen und Männern, bekannten und unbekannten, aus Köln und aus aller Welt, die auf Melaten begraben sind. Bei ihren unzähligen Spaziergängen ist Barbara Schock-Werner auf viele Kleinode gestoßen, die man leicht übersieht, und auf viele Personen, die mehr Beachtung verdienen. Außerdem verrät sie, wie es dazu kam, dass sie selbst auch schon ein Grab auf Kölns legendärem Friedhof hat. Begleiten Sie die Melaten-Kennerin auf ihren Streifzügen und entdecken Sie den Kölner Friedhof völlig neu!
Autorenporträt
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, Jg. 1947, studierte Architektur, Kunstgeschichte und Geschichte und war von 1999 bis 2012 die erste Kölner Dombaumeisterin. Seit ihrer Pensionierung beschäftigt sie sich verstärkt mit weiteren Themen und ist deshalb auch häufig bei Erkundungstouren auf dem schönen Kölner Friedhof anzutreffen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2023

Kölsche Heimat für immer

Barbara Schock-Werner hat ein Buch über den Melaten-Friedhof geschrieben. Sie kennt die Gräber und die Schicksale.

Von Reiner Burger

Melaten, der berühmteste Kölner Friedhof, ist voller Lebensgeschichten. Barbara Schock-Werner kennt viele von ihnen. Kaum auf dem Hauptweg angekommen, beginnt die frühere Kölner Dombaumeisterin an diesem letzten sommerlichen Oktobertag zu erzählen. Über Otto Hofner, der im Nachkriegsdeutschland Tourneen mit Stars wie Marika Rökk, Zarah Leander oder dem Don-Kosaken-Chor organisierte, für das Millowitsch-Theater Produktionen auf die Beine stellte und als Vater der "lachenden Arena" - der größten deutschen Karnevalsveranstaltung - in Köln unsterblich geworden ist. Über den atemberaubenden Aufstieg der Familie Guillaume aus dem Handwerkerstand in die Großindustrie des 19. Jahrhunderts, den das Grabmal der Familie bezeugt: ein hochaufgerichtetes bekränztes Kreuz. Schock-Werner deutet auf die letzte Ruhestätte eines Fußballfans, über die ein lebensgroßer Ziegenbock Hennes wacht - das Maskottchen des 1. FC Köln. Am Grab der am Karnevalsdienstag 2020 gestorbenen Marie-Louise Nikuta weist sie auf ein seltsames Muster hin - einen QR-Code. Scannt man ihn mit dem Smartphone, öffnet sich eine Seite mit Bildern von Nikuta, die als "Motto-Queen" galt, weil sie von 1968 an Jahr für Jahr ein neues Lied für den Kölner Karneval schrieb. Über dem Nikuta-Zitat "Ich han dis Naach gedräump vun minger Heimat / Ich han dis Naach gedräump vun Kölle am Rhing" findet sich als klingendes Andenken ein Ausschnitt ihres Lieds "Loss mer levve un leve loße".

Ob für Kölner von Geburt an oder für die "Immis", die Zugereisten - zu den Konstanten des kölschen Kosmos zählen der Dom, der Karneval, der FC. Und auch Melaten. "Für uns ist Köln die einzig infrage kommende Heimat. Und Melaten ist eben die Heimat für ewig", sagt Schock-Werner, die aus Schwaben stammt. Bis 2012 war die Architektin und Kunsthistorikerin die erste Dombaumeisterin in der Geschichte der Hohen Domkirche Sankt Petrus. Seither schreibt Schock-Werner, längst selbst eine kölsche Institution, regelmäßig über ihre Wahlheimat. Ihr jüngstes Werk ist das im Greven-Verlag erschienene, aufwendig produzierte Lesebuch "Mein Melaten", in dem sie 170 eindrucksvolle Gräber vorstellt, die Geschichten der Männer und Frauen erzählt, die dort begraben sind, und erläutert, wie der Friedhof zum Sehnsuchtsort der Kölner für die letzte Ruhe wurde.

Noch bis ins späte Mittelalter lebten auf dem Gebiet westlich der Stadt streng abgeschottet an damals unheilbaren Krankheiten leidende "Aussätzige", daher auch sein Name "zu den Maladen" vom damals noch weithin gebräuchlichen Wort "malad" für "krank". Als Ort für den ersten städtischen Friedhof wurde Melaten nach der Eingliederung Kölns in den französischen Staatsverband bestimmt. Der mit ihr einhergehende Modernisierungsschub betraf auch das Beerdigungswesen. Bis dahin hatte man die Toten nach mittelalterlicher Sitte im Umkreis ihrer Pfarrkirche beigesetzt. Napoleon machte dem aus hygienischen Gründen per Dekret ein Ende. "Die Bürger wehrten sich zunächst, denn sie trennten sich ungern von Gewohnheiten und wollten lieber in geweihter Erde beigesetzt werden", erzählt Schock-Werner. Als Dompfarrer Michael Joseph DuMont Melaten 1810 weihte, nahm der Widerstand in der katholischen Bevölkerung rasch ab. Neunzehn Jahre später ließ die inzwischen preußische Verwaltung auch Protestanten auf Melaten zu, Juden 1892.

Melaten zählt zu den schönsten europäischen Friedhöfen. Von Beginn an legten die Kölner Wert auf Qualität bei Planung und Gestaltung. Waren die ersten klassizistischen Stelen vergleichsweise klein und mit viel Text versehen, entstanden später immer mehr neogotische Grabmale. Der 1906 gegründete Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz versuchte mit dem Buch "Friedhof und Grabmal" - in dem auf die Bedeutung Melatens hingewiesen wurde - geschmacksbildend zu wirken. "Man begann die Pflege der historischen Grabmäler unter Denkmalgesichtspunkten zu betrachten", sagt Barbara Schock-Werner. Doch nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg sei es dann zu verheerenden Rückschlägen gekommen. "Fast noch größer waren die Zerstörungen der Sechzigerjahre, als sehr seltene Grabmäler vernichtet wurden."

Fatal sei der 1975 wirksam gewordene Beschluss der Stadtverwaltung gewesen, das Nutzungsrecht der "ewigen" (also im 19. Jahrhundert auf unbegrenzte Zeit erworbenen) Gräber aufzuheben. "Damit wurden sie auch den Familien und Institutionen entzogen, die sich bis dahin noch verantwortlich gefühlt hatten." Den bisherigen Nutzern wurde das Recht eingeräumt, ihre Grabstellen zu erwerben. Doch die Stadt verlangte so horrende Summen, dass es zu einer großen Abräumaktion kam. "Dank des energischen Eingreifens der damaligen Stadtkonservatorin Hiltrud Kier konnte die Zerstörung 1978 gestoppt werden." Zwei Jahre später wurde Melaten unter Denkmalschutz gestellt.

Seit 1981 gibt es ebenfalls dank Hiltrud Kier in Köln die Möglichkeit, Patenschaften für historische Grabanlagen, deren Nutzung abgelaufen ist, zu übernehmen und später auch selbst zu belegen. Andere Städte griffen die Idee auf. Es ist ein guter Weg, um denkmalpflegerisch wertvolle Zeugnisse aus verschiedenen Epochen der Begräbniskultur zu erhalten. Die Patenschaft für das Grabmal der Industriellenfamilie Joest hat die AIDS-Hilfe übernommen. Neben dem neoklassizistischen Gedenkstein steht in einem neu angelegten Urnenfeld eine schnörkellose quadratische Stele mit ihrem Signum, um die herum Opfer der Krankheit in würdiger Umgebung bestattet werden können.

Unter dem Grabstein des 1812 gestorbenen Kartäuserpriesters Joseph Becker - für das die Rechtsmedizin der Universität zu Köln als Patin verantwortlich ist - werden heute die sterblichen Überreste jener Menschen beerdigt, die ihren Leichnam für Ausbildung und Forschung zur Verfügung gestellt haben. Die Karnevalsgesellschaft Rote Funken nutzt das Grab der Familien Cron und Allert, in dem seit Jahrzehnten niemand mehr bestattet worden war. Es ist nun die gemeinsame Gedenkstätte für alle verstorbenen Funken. Und welcher Rote-Funken-Jeck keine Angehörigen hat, die für ein eigenes Grab sorgen können, darf sich im Funkengrab beisetzen lassen - zu dem jedes Jahr an Allerheiligen eine Funken-Totengedenk-Prozession mit Fahnen und Musik stattfindet.

Dank der Grabpatenschaften konnte auch der 2006 gestorbene Konzertdirektor Otto Hofner seine letzte Ruhe unter einem ausladenden Grabmal aus dem 19. Jahrhundert finden: eine anmutige weibliche Gestalt, die in ihrer Rechten ein Buch hält, ihre Linke aufs Herz gelegt hat und träumend in die Ferne blickt. "Leider erfährt man nicht, für wen es ursprünglich angelegt wurde", sagt Schock-Werner. Mit ihrem eigenen Grab, das etwas abseits liegt, hält sie es anders. Die Inschrift mit den Namen der bisherigen Besitzerfamilie Paffendorf hat Schock-Werner auf der Rückseite des Grabsteins anbringen lassen.

"Schon früh in meiner Kölner Zeit wusste ich, dass ich einmal auf Melaten begraben sein will, in einem Boden, der von Kölner Geschichte vollgesogen ist." Wegen ihrer Tätigkeit als Dombaumeisterin müsse ihr Grab neugotisch sein und mit dem Dom zu tun haben. Als sie Freunde begleitete, die sich für eine Patenschaft interessierten, fand auch sie "ihr" Grab - das Zeichen des Dombauhütten-Stils im 19. Jahrhundert trägt. Dass es nicht gut erhalten und überwuchert war, schreckte sie nicht. Eigenhändig befreite sie den Grabstein vom Efeu, damit Fachleute ihn restaurieren konnten. Nicht alle ihre Bekannten hatten Verständnis. Häufig bekam sie zu hören, warum sie schon an ihren Tod denke.

Seit 2018 liegt Schock-Werners Ehemann, Kurt Löcher, in diesem Grab. Weil sie deshalb noch viel öfter als zuvor auf den Friedhof kam, stieß sie bei ihren Streifzügen auf immer mehr Kleinode. Für ihr Melaten-Lesebuch hat sie auch prominente Tote besucht wie Alfred Biolek, Willy Millowitsch und Dirk Bach. Der 2012 im Alter von erst 51 Jahren gestorbene Komiker machte vor wenigen Wochen postum überregional Schlagzeilen, weil Unbekannte die neben seinem Grab aufgestellte pinkfarbene Sitzbank entwendet hatten, eine echte Touristenattraktion. Es war der Höhepunkt einer von den Lokalmedien als "Bänke-Krise" bezeichneten Affäre, die vermutlich mit der Debatte über das oft verlotterte Stadtbild zusammenhing.

Als die Stadtverwaltung kurz darauf anordnete, "wilde Bänke" von den Gräbern zu entfernen, weil sie nicht nur die Pflegearbeiten behinderten und das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Friedhofs beeinträchtigten, sondern auch eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellten, war der Aufschrei groß. Ende September kam ein echt kölscher Kompromiss zustande: Der zuständige Ratsausschuss beschloss, dass marode Bänke entfernt werden müssen, aber für "verkehrssichere, private Bänke weiterhin Einzelfalllösungen gefunden werden" sollen - wofür die Eigentümer eine Jahresgebühr in Höhe von 77,80 Euro zu entrichten haben. Auch hat die Stadt zahlreiche stabile Parkbänke aufgestellt. Jene, die nun gegenüber von Dirk Bachs letzter Ruhestätte steht, ist zwar nicht mehr pink, hat dafür aber eine Plakette mit der schönen Aufschrift "Audienz beim Mäusekönig".

Ebenso spannend ist, was Schock-Werner über Unbekannte zusammengetragen hat. Die pensionierte Dombaumeisterin steuert den unscheinbaren Grabstein von Klara Kreuser an. Die 1922 geborene Verwaltungsangestellte verlor im Zweiten Weltkrieg ihren Verlobten und lebte seitdem zurückgezogen und äußerst sparsam. Kurz nach der Jahrtausendwende wollte sie ihren Nachlass regeln und bat den Vorsitzenden des Zentral-Dombau-Vereins um ein Gespräch. Eingehend ließ sie sich schildern, wie der Verein organisiert ist und wofür er sein Geld ausgibt. Zur Verblüffung des Vorsitzenden öffnete sie unvermittelt ihre Handtasche und legte zwei Goldbarren auf den Tisch. Weil sie niemanden in ihre Wohnung lassen wollte, fand die Übergabe weiterer Goldbarren in der Straßenbahn statt. "Später hat sie noch einen Ratschlag gegeben, wie man Goldbarren zu Hause aufbewahrt", erzählt Schock-Werner. "Man solle die Barren in einen Putzeimer legen, einen zweiten Eimer draufstecken und schließlich einen alten Lappen drüberlegen. Das finde garantiert kein Dieb." Klara Kreuser starb 2008. Der Dombauverein hat für sie ein Patenschaftsgrab besorgt, auf dessen Grabstein sie als "großherzige Spenderin für den Kölner Dom" gewürdigt wird.

Vor wenigen Tagen hat Barbara Schock-Werner die Patenschaft für ein weiteres Grab übernommen, jenes von Else Schmitz-Gohr. "Aus grundsätzlichen frauenpolitischen Erwägung", sagt sie lächelnd. Die Berufsbezeichnung "Professor" machte sie neugierig. "Professoren gibt es viele auf dem Friedhof, aber Professorinnen, und dazu noch eine, die 1901 geboren ist? So ein Grab muss man doch erhalten!" Schock- Werner fand heraus, dass Else Schmitz-Gohr eine erfolgreiche Pianistin war, die mit 17 Jahren das erste Mal im Gürzenich auftrat und international konzertierte; 1960 wurde sie Professorin an der Staatlichen Hochschule für Musik.

Begraben werden will Schock-Werner eines Tages jedoch an der Seite ihres Manns. Eines noch fernen Tages, wie sie hoffe. "Aber ich finde es beruhigend, zu wissen, wo mein Körper einst ruhen wird. Ich bin froh, diesen Platz für die Ewigkeit gefunden zu haben."

Auch auf Melaten gebe es heute viele Bestattungsformen wie Baumbestattungen und bald auch ein Kolumbarium. "Aber ich hoffe, dass sich viele Menschen auch in Zukunft für ein Einzel- oder Familiengrab entscheiden." Auch weil aus Melaten sonst irgendwann ein gewöhnlicher Park werde und die wunderbare Kultur des Totengedenkens enden würde. Für sich selbst könne sie sich nur eine Erdbestattung vorstellen, weil sie "dieses langsame Vergehen" angemessener finde. "Beisetzungen, bei denen der Sarg ins Feuer fährt, finde ich unglaublich brutal. Mir gefällt nicht, dass ich mir dann immer vorstelle, was da gerade mit dem Toten passiert."

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