Die Welt im Großen und im Kleinen
Alex Capus lebt in Olten in der Schweiz, der liebenswertesten Kleinstadt des Universums. Das Leben dort ist übersichtlich und friedfertig - wären da nicht die Nachbarn. Capus hat fünf Nachbarn, die alle Urs heißen. Eigentlich sind es sechs, aber einer will nicht, dass man über ihn schreibt. An Sommerabenden trifft Capus sich mit ihnen und lässt sich die Welt erklären. Es kann aber auch passieren, dass er einen Nachmittag mit Prinz Charles verbringt. Seine bezaubernden Geschichten sind getragen von einer fröhlichen Melancholie und einer großen Menschenkenntnis.
Alex Capus lebt in Olten in der Schweiz, der liebenswertesten Kleinstadt des Universums. Das Leben dort ist übersichtlich und friedfertig - wären da nicht die Nachbarn. Capus hat fünf Nachbarn, die alle Urs heißen. Eigentlich sind es sechs, aber einer will nicht, dass man über ihn schreibt. An Sommerabenden trifft Capus sich mit ihnen und lässt sich die Welt erklären. Es kann aber auch passieren, dass er einen Nachmittag mit Prinz Charles verbringt. Seine bezaubernden Geschichten sind getragen von einer fröhlichen Melancholie und einer großen Menschenkenntnis.
Seine bezaubernden Geschichten sind getragen von einer fröhlichen Melancholie und einer großen Menschenkenntnis. Daniel Jäger lesen-oder-vorlesen.de 20151228
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Alles sehr erwartbar, meint Hans-Peter Kunisch anfänglich über diese kleine Sammlung von Geschichten, die Alex Capus im heimatlichen Olten mit Hilfe seiner Nachbarn, sämtlich mit Namen Urs, erstellt hat. Doch bald ziehen die Stories an und Kunisch begegnet das ganz gewöhnliche Leben plötzlich erstaunlich elegant, ja sogar weltläufig. Denn es geht um Ausländerfeindlichkeit unter Ausländern, Fremdenlegionäre und Lauren Bacall, na ja, beinahe, meint Kunisch, doch immerhin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2014Heimat ist da, wo der Zug hält
Alex Capus erzählt Geschichten aus dem Schweizer Städtchen Olten, wo er Nachbar unter Nachbarn ist
Alex Capus betreut, neben seinen erfolgreichen spielerisch-historischen Romanen, eine zweite, beinahe ebenso klassische literarische Baustelle: Olten. So heißt die Kleinstadt, in welcher der 1961 in der Normandie geborene Schweizer mit Frau und fünf Kindern wohnt. Und als wäre er eine Figur aus den Geschichten des ebenfalls in Olten aufgewachsenen Peter Bichsel, zelebriert er dort das ganz gewöhnliche Leben: „Ich bin ganz froh, dass Olten nichts Besonderes ist. Das hat Lebensqualität. Dieses Gewöhnliche, Unspektakuläre, ganz und gar Durchschnittliche – das gibt’s nicht noch einmal.“
Trotz aller Ironie trifft Alex Capus natürlich ins Schwarze: Olten, das 17 000 Einwohner zählt, bedeutend als Eisenbahnknotenpunkt, der jeweils etwa eine halbe Stunde von Basel, Bern und Zürich entfernt liegt, ist einer jener Orte, die sich damit brüsten, dass man von ihnen aus schnell woanders ist. Flucht, soll das wohl heißen, ist weder notwendig noch anzuraten: Wer kann schließlich schon mit Sicherheit wissen, ob ihm das teuer-aufgeregte Zürich auf Dauer besser gefällt als das gediegen-snobistische Basel oder das träge-erdige Bern?
Fünf, nein: sechs Nachbarn in diesem Olten-Buch heißen Urs, oder könnten so heißen, und nur einer will nicht, dass der Nachbar von ihm erzählt. Mit allen zusammen, so die ebenso natürlich wirkende wie modellhafte Erzählsituation, trifft sich der Ich-Erzähler an lauen Abenden auf einem kleinen Kiesplatz am Ende der Straße zum Grillen, hört Geschichten an und erzählt selber welche. Eine nette Idee, aber am Anfang überzeugt sie nicht recht, vor allem, weil die erwartbaren Dialoge dominieren, Alex sich über die Aussagen der anderen und seine eigenen, lässigen Antworten etwas aufdringlich als sympathischer Schlamper stilisiert, der mit dem berühmten Hang der Deutschschweizer zum Perfektionismus wenig anfangen kann.
Ersten Schwung erhält das Büchlein, als Capus die Geschichte von Herbert erzählt, der eines Tages erfährt, dass seine Ex-Frau wieder heiratet, und zwar einen Herbert, in der Kirche von damals. Der erste Herbert ist eingeladen, es gibt matte Gefühlsverwirrungen, und auf die Bemerkung hin, dass die Geschichte, die der Erzähler einem seiner Urse im Buch erzählt, doch ziemlich intim daherkomme und „ihr Schreiberlinge (. . .) schon indiskrete Sauhunde seid“, entsteht ein elegantes Geplänkel über Literatur und Wirklichkeit, das einen weltläufigen Ton ins friedlich-arbeitsame Olten bringt und dessen Grenzen wie nebenbei überschreitet.
Doch richtig spannend wird Capus’ Büchlein aus aktuellem Anlass erst in der nächsten Geschichte, die sich unter anderem satirisch mit der Ausländerfeindlichkeit der Ausländer in der Schweiz befasst. Wie? Ja: Nirgendwo in Olten bekomme man „so viele ausländerfeindliche Sprüche zu hören wie im Ausländerviertel. Die Spanier können die Jugoslawen nicht ausstehen, und die Italiener mögen die Albaner nicht, die Türken verachten die Griechen und diese die Latinos (. . . ).“ Aber, möchte man da sagen, warum wohnen sie denn alle im „Ausländerviertel“? Und auch der Spruch „Zum Glück sind noch wir Schweizer da, die Ausländerfeindlichkeit der Ausländer zu korrigieren“ hat an Brisanz gewonnen. Er wird gefolgt von: „Wir leisten uns an der Urne zwar auch die eine oder andere xenophobe Dummheit, aber nur, wenn’s nicht allzu sehr schadet, zum Beispiel, wenn wir Minarette verbieten, die es eh kaum gibt. Jedes Mal aber, wenn’s wieder darum geht, Italiener, Türken und Spanier tatsächlich aus dem Land zu werfen, sagen wir doch immerhin knapp Nein, das nennt man staatspolitische Reife.“
Der Text macht noch einige Drehungen und Wendungen durch, manchmal möchte man dem Erzähler ins Wort fallen, aber gerade, weil der „geistige Ort“ der Erzählung „Räuber und Poulet“ nicht klar einzuordnen ist, gewinnt diese eine Überzeugungskraft jenseits ausländerfeindlicher wie -freundlicher Parolen. Schön auch, wie Capus den ehemaligen Oltener Fremdenpolizeichef, einen freundlichen Menschen, mit seiner, vermutlich, kroatischen Freundin in deren Heimatland ausreisen lässt und sich vorstellt, was dem Immigranten dabei alles zustoßen könnte.
Zu den besten Erzählungen dieser kleinen Sammlung gehören jene, in denen wenig geredet wird, so die „wahre“ Geschichte über Capus’ Mutter aus Büsserach, die einmal beinahe bei Lauren Bacall Kindermädchen geworden sein soll. Oder die Geschichte „Vom Sirren der Gleise“, die an Capus’ französischen Großvater erinnert, einen Pariser Polizeichemiker, der sein Ohr auf die Bahngleise legte, weil er die Regionalzüge kommen hören wollte. In der Story über zwei Burschen, Alfred Santschi und Adolf Hunziker, die vor Jahrzehnten in die Fremdenlegion verschwanden, ist am schönsten, dass Magdalena, die Frau von Edgar, dem zweitjüngsten Santschi-Sohn, jetzt in der Migros Sälipark an der Kasse sitzt. In Olten.
HANS-PETER KUNISCH
Alex Capus: Mein Nachbar Urs. Geschichten aus der Kleinstadt. Carl Hanser Verlag, München 2014. 128 Seiten, 12,90 Euro, E-Book 9,99 Euro.
Ausländerfeindich sind hier
nur die Ausländer
Wahl-Oltener: Alex Capus.
Foto: dpa
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Alex Capus erzählt Geschichten aus dem Schweizer Städtchen Olten, wo er Nachbar unter Nachbarn ist
Alex Capus betreut, neben seinen erfolgreichen spielerisch-historischen Romanen, eine zweite, beinahe ebenso klassische literarische Baustelle: Olten. So heißt die Kleinstadt, in welcher der 1961 in der Normandie geborene Schweizer mit Frau und fünf Kindern wohnt. Und als wäre er eine Figur aus den Geschichten des ebenfalls in Olten aufgewachsenen Peter Bichsel, zelebriert er dort das ganz gewöhnliche Leben: „Ich bin ganz froh, dass Olten nichts Besonderes ist. Das hat Lebensqualität. Dieses Gewöhnliche, Unspektakuläre, ganz und gar Durchschnittliche – das gibt’s nicht noch einmal.“
Trotz aller Ironie trifft Alex Capus natürlich ins Schwarze: Olten, das 17 000 Einwohner zählt, bedeutend als Eisenbahnknotenpunkt, der jeweils etwa eine halbe Stunde von Basel, Bern und Zürich entfernt liegt, ist einer jener Orte, die sich damit brüsten, dass man von ihnen aus schnell woanders ist. Flucht, soll das wohl heißen, ist weder notwendig noch anzuraten: Wer kann schließlich schon mit Sicherheit wissen, ob ihm das teuer-aufgeregte Zürich auf Dauer besser gefällt als das gediegen-snobistische Basel oder das träge-erdige Bern?
Fünf, nein: sechs Nachbarn in diesem Olten-Buch heißen Urs, oder könnten so heißen, und nur einer will nicht, dass der Nachbar von ihm erzählt. Mit allen zusammen, so die ebenso natürlich wirkende wie modellhafte Erzählsituation, trifft sich der Ich-Erzähler an lauen Abenden auf einem kleinen Kiesplatz am Ende der Straße zum Grillen, hört Geschichten an und erzählt selber welche. Eine nette Idee, aber am Anfang überzeugt sie nicht recht, vor allem, weil die erwartbaren Dialoge dominieren, Alex sich über die Aussagen der anderen und seine eigenen, lässigen Antworten etwas aufdringlich als sympathischer Schlamper stilisiert, der mit dem berühmten Hang der Deutschschweizer zum Perfektionismus wenig anfangen kann.
Ersten Schwung erhält das Büchlein, als Capus die Geschichte von Herbert erzählt, der eines Tages erfährt, dass seine Ex-Frau wieder heiratet, und zwar einen Herbert, in der Kirche von damals. Der erste Herbert ist eingeladen, es gibt matte Gefühlsverwirrungen, und auf die Bemerkung hin, dass die Geschichte, die der Erzähler einem seiner Urse im Buch erzählt, doch ziemlich intim daherkomme und „ihr Schreiberlinge (. . .) schon indiskrete Sauhunde seid“, entsteht ein elegantes Geplänkel über Literatur und Wirklichkeit, das einen weltläufigen Ton ins friedlich-arbeitsame Olten bringt und dessen Grenzen wie nebenbei überschreitet.
Doch richtig spannend wird Capus’ Büchlein aus aktuellem Anlass erst in der nächsten Geschichte, die sich unter anderem satirisch mit der Ausländerfeindlichkeit der Ausländer in der Schweiz befasst. Wie? Ja: Nirgendwo in Olten bekomme man „so viele ausländerfeindliche Sprüche zu hören wie im Ausländerviertel. Die Spanier können die Jugoslawen nicht ausstehen, und die Italiener mögen die Albaner nicht, die Türken verachten die Griechen und diese die Latinos (. . . ).“ Aber, möchte man da sagen, warum wohnen sie denn alle im „Ausländerviertel“? Und auch der Spruch „Zum Glück sind noch wir Schweizer da, die Ausländerfeindlichkeit der Ausländer zu korrigieren“ hat an Brisanz gewonnen. Er wird gefolgt von: „Wir leisten uns an der Urne zwar auch die eine oder andere xenophobe Dummheit, aber nur, wenn’s nicht allzu sehr schadet, zum Beispiel, wenn wir Minarette verbieten, die es eh kaum gibt. Jedes Mal aber, wenn’s wieder darum geht, Italiener, Türken und Spanier tatsächlich aus dem Land zu werfen, sagen wir doch immerhin knapp Nein, das nennt man staatspolitische Reife.“
Der Text macht noch einige Drehungen und Wendungen durch, manchmal möchte man dem Erzähler ins Wort fallen, aber gerade, weil der „geistige Ort“ der Erzählung „Räuber und Poulet“ nicht klar einzuordnen ist, gewinnt diese eine Überzeugungskraft jenseits ausländerfeindlicher wie -freundlicher Parolen. Schön auch, wie Capus den ehemaligen Oltener Fremdenpolizeichef, einen freundlichen Menschen, mit seiner, vermutlich, kroatischen Freundin in deren Heimatland ausreisen lässt und sich vorstellt, was dem Immigranten dabei alles zustoßen könnte.
Zu den besten Erzählungen dieser kleinen Sammlung gehören jene, in denen wenig geredet wird, so die „wahre“ Geschichte über Capus’ Mutter aus Büsserach, die einmal beinahe bei Lauren Bacall Kindermädchen geworden sein soll. Oder die Geschichte „Vom Sirren der Gleise“, die an Capus’ französischen Großvater erinnert, einen Pariser Polizeichemiker, der sein Ohr auf die Bahngleise legte, weil er die Regionalzüge kommen hören wollte. In der Story über zwei Burschen, Alfred Santschi und Adolf Hunziker, die vor Jahrzehnten in die Fremdenlegion verschwanden, ist am schönsten, dass Magdalena, die Frau von Edgar, dem zweitjüngsten Santschi-Sohn, jetzt in der Migros Sälipark an der Kasse sitzt. In Olten.
HANS-PETER KUNISCH
Alex Capus: Mein Nachbar Urs. Geschichten aus der Kleinstadt. Carl Hanser Verlag, München 2014. 128 Seiten, 12,90 Euro, E-Book 9,99 Euro.
Ausländerfeindich sind hier
nur die Ausländer
Wahl-Oltener: Alex Capus.
Foto: dpa
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"Bei der genussvollen Lektüre wird klar: Olten ist überall." GAL, SonntagsZeitung, 09.03.14
"Deshalb wird 'Mein Nachbar Urs' mit den Geschichten, die von Capus' leichthändigem und klugem Stil geprägt sind, auch weit über die Stadtgrenzen von Olten die Leute begeistern." Noëlle König, Neue Luzerner Zeitung, 06.03.14
"Deshalb wird 'Mein Nachbar Urs' mit den Geschichten, die von Capus' leichthändigem und klugem Stil geprägt sind, auch weit über die Stadtgrenzen von Olten die Leute begeistern." Noëlle König, Neue Luzerner Zeitung, 06.03.14