So viele Informationen - so interessant verpackt - hervorragend!
Die Autorin Karin Kneissl hat in Jerusalem studiert und war u.a. im Diplomatischen Dienst der Republik Österreich tätig. Als freischaffende und unabhängige Korrespondentin schrieb sie z.B. für "Die Welt".
In "Mein Naher Osten"
beschreibt sie ihre Erfahrungen und Einschätzungen.
Als Journalistin, Diplomatin und Lehrende erlebte…mehrSo viele Informationen - so interessant verpackt - hervorragend!
Die Autorin Karin Kneissl hat in Jerusalem studiert und war u.a. im Diplomatischen Dienst der Republik Österreich tätig. Als freischaffende und unabhängige Korrespondentin schrieb sie z.B. für "Die Welt".
In "Mein Naher Osten" beschreibt sie ihre Erfahrungen und Einschätzungen.
Als Journalistin, Diplomatin und Lehrende erlebte sie nahöstliche Königspaläste und österreichische Ministerien, deutsche Redaktionen und amerikanische Universitäten, nationale Botschaften und globale Energiekonzerne - backstage und ungeschminkt.
Dieses Werk ist, meiner Einschätzung nach, auf der einen Seite eine Autobiographie, in der sie "ihre" Geschichte erzählt, ihren Werdegang, ihre Stationen in ihrem Leben sowie ihre Erfahrungen im Nahen Osten und anderswo auf der Welt.
Auf der anderen Seite ist dies ein sehr interessantes Sachbuch, in dem sie die komplexen historischen Hintergründe der vielen Konflikte dieser Region erläutert.
Die Autorin hat sich immer ihre Eigenständigkeit bewahrt und sich nie vor den Karren anderer Interessen spannen lassen.
Das Buch, welches sich auch für einen Laien schnell und einfach lesen lässt, enthält auch einige private Bilder (Fotos, schwarz-weiß).
Ich finde den Schreibstil der Autorin hervorragend: Sie lässt ganz nebenbei sehr viele Informationen in ihren Text einfließen, schreibt aber dennoch zielführend, so dass nicht der Rote Faden verloren geht und nicht das Gefühl aufkommt, dass sie abschweifen würde.
Die Wortgewandtheit der Autorin finde ich bemerkenswert; beispielsweise ist "In Beirut piaffierten westliche Firmen voller Ungeduld, die nur darauf warteten, im Irak wieder das große Geschäft zu machen." (S. 174) eine sehr gelungene Beschreibung als im Jahre 2000 viele US-Firmen für die Aufhebung der Irak-Sanktionen plädierten.
Die Autorin legt die Veränderungen z.B. im diplomatischen "Apparat" ungeschminkt dar: "Anstatt Konflikte zu lösen, verlegte sich die Diplomatie immer mehr auf das "Managen" dieser." (S. 128) und "Der Dauerkonflikt wurde vielmehr zum Wirtschaftszweig, den sich einige der Konfliktmanager, Kohorten an Nichtregierungsorganisationen und Forscher nicht mehr wegnehmen lassen wollen, sie wären arbeitslos." (S. 129).
Und sie gewährt Einblicke in (politische) Machtstrukturen.
Ebenso hat sie die Veränderungen im Pressewesen backstage erfahren: "An die Stelle der eigenständigen Recherche ist die durch Kommunikationsexperten aufbereitete Informationspolitik getreten. Zwischen dem Journalisten und dem PR-Agenten liegen Welten, doch sie gehen bedenklich in einem Einheitsbrei ineinander über." (S. 163), was sie jedoch gemäß ihrem Lebensmotto "Frei zu schaffen ist ein Privileg, dessen ich mir im Laufe der Jahre und in politisch brisanten Zeiten immer mehr bewusst wurde. Wirtschaftliche Unabhängigkeit ist die Voraussetzung geistiger Freiheit" (S. 170) komplett ablehnt.
Fazit: Selten hat der Begriff "informativ" so gut auf ein Sachbuch gepasst wie bei diesem hier zugrunde liegenden Buch.
Absolute Leseempfehlung!