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Das neue Deutschland hat viele Namen - einer davon ist Devrim. "Mein Name ist Revolution" ist ein politisches Buch und ein Liebesroman: die Geschichte von Devrim (deutsch: Revolution), dessen kommunistische Eltern in den 70ern nach Deutschland kommen und über Nacht mit einem Lottogewinn reich werden. Imran Ayata erzählt frei von Folklore und mit Witz, in einer klaren Sprache und Tonlage, die es in der sogenannten Migrantenliteratur so noch nicht gab. Hinter der Fassade eines sich cool gebenden Berlins verbergen sich Geschichten und Welten, die manchem vertraut, vielen aber völlig unbekannt sind.…mehr

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Produktbeschreibung
Das neue Deutschland hat viele Namen - einer davon ist Devrim. "Mein Name ist Revolution" ist ein politisches Buch und ein Liebesroman: die Geschichte von Devrim (deutsch: Revolution), dessen kommunistische Eltern in den 70ern nach Deutschland kommen und über Nacht mit einem Lottogewinn reich werden. Imran Ayata erzählt frei von Folklore und mit Witz, in einer klaren Sprache und Tonlage, die es in der sogenannten Migrantenliteratur so noch nicht gab. Hinter der Fassade eines sich cool gebenden Berlins verbergen sich Geschichten und Welten, die manchem vertraut, vielen aber völlig unbekannt sind.
Autorenporträt
Imran Ayata, geboren 1969 in Ulm, lebt in Berlin. Fan des Clubs Galatasaray Istanbul und Mitbegründer von Kanak Attak. Im Hauptberuf Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2011

Mehr Zukunft als Herkunft
Imran Ayata ist Erzähler, Werber und Berliner. Jetzt hat er seinen ersten Roman geschrieben: "Mein Name ist Revolution"

Es war in der Nacht auf den 23. November, als Michael Peters und Lars Christiansen Molotowcocktails in die Scheiben zweier Häuser in Mölln warfen. Das Feuer breitete sich rasch aus. Im ersten Haus wurden neun Menschen schwer verletzt, im zweiten Haus kamen die zehn- und vierzehnjährigen Mädchen Yeliz Arslan und Ayse Yilmaz sowie ihre 51-jährige Großmutter Bahide Arslan in den Flammen um. Das ist jetzt neunzehn Jahre her. Seitdem treffen sich am 23. November jeden Jahres Freunde und Menschen, die die Ereignisse jener Nacht nicht vergessen können und nicht vergessen wollen, zum gemeinsamen Gedenken. Auch in diesem Jahr. Der Bürgermeister spricht, der türkische Konsul aus Hamburg, und dann haben sie diesmal als Redner noch einen Schriftsteller eingeladen, einen, der in Ulm geboren wurde und aufwuchs und der jetzt in Berlin lebt: Imran Ayata, 42. In seiner Rede betont er, welche Bedeutung die Anschläge von Mölln in seinem Leben hatten. Sie markierten eine Zäsur. Er betrachtete die Ereignisse damals als eine "Aufforderung, eine neue Sprache zu finden", eine Aufforderung, zu schreiben, sagt er in seiner Rede an diesem Abend.

Am nächsten Tag treffe ich Imran Ayata in Berlin. Er ist in derselben Nacht noch zurückgefahren. Er erzählt von der Dankbarkeit der Familien der Angehörigen für seine Rede, erzählt von ihren zerstörten Leben, und er erzählt auch davon, dass ein Cousin der toten Mädchen nach den Ansprachen aufgestanden sei und gerufen habe, warum eigentlich fast keine Deutschen da seien auf dieser Veranstaltung. Dass überhaupt nur so wenige Menschen noch kommen. Gerade in diesen Wochen, in denen sich das Land über organisierte Nazi-Verbrechen erschüttert gibt, gerade in diesen Wochen hatten die Hinterbliebenen mit einer größeren Anteilnahme, einem größeren Interesse gerechnet. Sie haben sich getäuscht. Imran Ayata verspricht der Familie, nächstes Jahr mit einem ganzen Bus voller Freunde aus Berlin zu kommen.

"Ja", sagt er, jetzt hier im "Café Einstein" Unter den Linden, "damals hat das angefangen", der Wille zum Schreiben, sich auszudrücken, andere Geschichten zu erzählen, die eigenen Geschichten in einer anderen, einer neuen Sprache. Er fing an zu schreiben, journalistische, politische Texte zunächst, gründete eine eigene Zeitschrift und war später dabei, als sich um Feridun Zaimoglu und andere die Gruppe der eingewanderten Kampferzähler von Kanak Attak gründete. Sie erzählten, traten auf Bühnen auf - ein schöner Schock für die deutsche Mehrheitsgesellschaft. 2005 erschien sein erster Erzählungsband "Hürriyet Love Express". Party-, Kampf- und Liebesgeschichten über Einwandererkinder der zweiten Generation. Unbehauen, schnell, selbstbewusst und radikal unbetroffen. Ein Kanake erzählte.

Hauptberuflich ist Ayata Werber geworden, arbeitet seit fünfzehn Jahren in einer großen Agentur, zurzeit hängt Berlin voll mit Plakaten für den Berliner Fußballklub 1. FC Union, die Ayata mitentwickelt hat: "Wir verkaufen unsere Seele, aber nicht an jeden", heißt es darauf, neben Porträts von Fifa-Chef Sepp Blatter, Berlusconi und einer Red-Bull-Dose des Sponsoring-Milliardärs Mateschitz. Die Kampagne ist aggressiv, böse, lustig, juristisch mutig und extrem auffällig und erfolgreich. Ayata erzählt das wie nebenbei.

Denn gerade ist sein erster Roman erschienen: "Mein Name ist Revolution", die Geschichte von Devrim Bulut, 35, Radiomoderator, lebt in Berlin, liebt Berlin, liebt die Clubs, seine Freunde und das Leben. Er ist das Kind kurdischer Einwanderer und an der Geschichte seiner Herkunft, dem Dorf, dem Land seiner Eltern komplett desinteressiert. Warum soll er sich dafür interessieren? Er lebt im Hier und Jetzt, er hat im täglichen Leben genug damit zu tun, die Dauerfrage "Woher kommst du eigentlich?" mit einem knappen "Berlin" zu beantworten und also zurückzuweisen. Wer anatolisch aussieht, sollte auch heute noch auf diese Frage eine etwas exotischere Antwort parat haben. - Ja, klar, Berlin. Aber woher jetzt wirklich?

In Ayatas Roman sind es übrigens vor allem Türken oder Kurden, die Devrim dieses einfache "Berlin" nicht durchgehen lassen:

",Nein, ich meine, woher aus der Türkei', lachte Rüya.

,Vor dir sitzt ein otanik Berliner. Geboren dort, Schule dort, Uni dort, Arbeit dort. Alles dort.'

,Ach, komm schon. Woher ist deine Familie ursprünglich? Ne-re-li-sin?'

",Tunceli', gibt Devrim endlich nach."

Kann man leben, ohne sich für seine Wurzeln zu interessieren? Als Sohn von Einwanderern? Was ist wichtig? Warum lässt man ihn nicht in Ruhe? Devrim ist herkunftspsychologisch gleich doppelt gestraft, denn sein Name ist "Revolution", das bedeutet "Devrim" auf Deutsch, und das ist für einen absolut unpolitischen Drogenfreund, Partyfreund, Frauenfreund auch nicht gerade der ideale Name. Seine Eltern waren Kommunisten, überzeugte Klassenkämpfer, und um sicherzugehen, dass ihr Sohn ihren Kampf einmal weiterkämpfen würde, haben sie ihm diesen Namen gegeben. Jetzt heißt er wie die Hoffnung seiner Eltern, ein Leben lang, und ist doch der Anti-Revolutionär schlechthin.

Aber all das ist Devrim im Grunde sehr egal. Ayata hat alles andere als einen Leidensroman geschrieben. Devrim ist selbstbewusst in der Gegenwart. Seine Eltern sind gestorben, als er klein war. Sie haben ihm ein Vermögen hinterlassen, denn sie waren die ersten Lottomillionäre der ersten Einwanderergeneration. Kommunisten und Millionäre. Kurz nach dem Gewinn kamen sie bei einem Autounfall ums Leben, und Devrim kann bis heute von dem Geld gut leben. Aber irgendwann hört das auf, das gute Leben, einfach so. Ist das eine Altersfrage? Sein Onkel Ahmet, bei dem er aufgewachsen ist, sagt es dem Fünfunddreißigjährigen so: "Unaufhaltsam rückt die zweite Hälfte deines Lebens näher. Dafür brauchst du eine Strategie."

Der Druck, sein Leben zu verändern, ja, erwachsen zu werden, wird von allen Seiten erhöht. Seine besten Freunde raten zu einem Strategiewechsel auch in Sachen Liebe. Es müsse jetzt mal Schluss sein mit deutschen Geliebten. Das führe zu nichts, das Missverstehen sei doch immer das gleiche. Alles eine Frage der Herkunft, der Kultur: "Das Leben mit deutschen Geliebten muss ein Ende haben. Die Zeit ist reif für eine Kanaklady."

Lächerlich, denkt Devrim, ich liebe nicht nach Herkunft und trifft eines Abends die umwerfende Rüya. Sie verstehen sich sofort und wie von selbst. Ihre Eltern kommen aus dem gleichen Ort in Kurdistan. Rüya ist sowieso ganz herkunftsverrückt und weiß, dass ihr Verstehen von ihrer gemeinsamen Geschichte herrührt. Er weiß, dass das Unsinn ist. Aber: Weiß er es wirklich?

Natürlich macht er sich irgendwann auf, um zum ersten Mal in seinem Leben die Stadt seiner Eltern zu besuchen. Ein bisschen glaubt er jetzt schon beinahe selber dran, dass dort ein Zauber liegen muss, dass er dort zu einem neuen, wahren Selbst findet und dieses neue Selbst ein festes Fundament für die Liebe zu Rüya bilden wird. Ayata schildert diese Fahrt des Partyberliners in die archaische Herkunftswelt seiner Eltern großartig, vollkommen unfolkloristisch und genau. Es sind die stärksten Seiten des Buches. Die Welt dort und das Befremden des Reisenden. Gleichzeitig sind das auch die Passagen, in denen man am meisten Angst vor dem Fortgang der Geschichte hat. Denn man ahnt ja längst, wie das weitergeht. Wie ihn die eigene Herkunft gefangennimmt, er zurückkehren wird, als ein anderer.

Doch genau dieser Gefahr erliegt Ayata nicht. Vielleicht ist er selbst viel zu herkunftsunsentimentaler Berliner, um seinen Helden in diese Falle treten zu lassen. Widerwillig besucht Devrim die Gräber seiner Eltern, legt sich dazwischen, schaut in den Himmel, raucht und empfindet - nichts. Er wird noch mehrfach wiederkommen, Empfindungen suchen und nichts finden. Er ist nicht einmal wirklich traurig darüber. Er hatte mit nichts anderem gerechnet. Und doch ist da gleichzeitig irgendwo in ihm ein Schmerz. Ein kleiner zunächst. Eine Verwunderung darüber, dass da nichts ist. Später in Berlin wird er sich für kurze Augenblicke genau danach sehnen: nach dieser Stille dort, zwischen den Gräbern, ja, und nach dem Nichts, das er dort empfand.

Seiner Liebe jedenfalls hat ihn diese Reise nicht näher gebracht. Devrim ist ein Sohn Berlins, ein "Alleiner", wie er sagt. "Meine Freunde, die mir eingeredet hatten, dass das Zusammensein mit einer Kanaklady anders, einfacher und besser sei, hatten sich getäuscht. Zumindest mit Rüya war das nicht so. Wir hatten nicht den gleichen Background, nur weil wir in der zweiten Generation Migranten in Almanya waren. Unsere Geschichten waren so verschieden."

Davon will Imran Ayata erzählen. Von diesen unterschiedlichen Geschichten. Herkunft ist eine von ihnen, eine unter vielen. Musik ist eine andere, Liebe, die Unfähigkeit, erwachsen zu werden, Radiohören als Lebensform, die Lichter Berlins, Kokain, Rassismus in der Türkei, in Deutschland, linke Allesversteher, Kuschelrassisten, Parallelgesellschaften als Witz und Wirklichkeit. Wie auf einer normalen Berliner Party zum Beispiel: "So war Parallelgesellschaft für mich längst keine Erfindung der Medien mehr, sondern hier und jetzt gelebte Partyrealität. Die Deutschen blieben unter sich und tanzten zu Balkanmusik, die Kanaken tranken deutsches Bier."

VOLKER WEIDERMANN

Imran Ayata: "Mein Name ist Revolution". Blumenbar, 318 Seiten, 16,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lena Bopp ist gern mit dem Helden dieses Romans durch die Berliner Nachtwelt gezogen. Autor Imran Ayata schickt ihn Nacht für Nacht nach seiner Arbeit als Radiomoderator vom Sender ins Taxi, vom Einstein in die Bar 103, vom Rheingold ins Bateau Ivre. Dieses unangepasste Kreuzberger Leben hat der Rezensentin gefallen, dieser "Alltag zwischen Rausch und Reue". Noch besser gefunden hätte sie allerdings, wenn die Hauptfigur Devrim Bulut, Sohn kommunistischer Eltern, ein paar Konflikte auszutragen hätte oder eine Entwicklung durchmachen würde, ausgerechnet mit seinem besten Kniff hat sich der Autor aber darum gebracht. Schade, meint Bopp, so ist aus dem - immerhin - "schönen, uneitlen, unterhaltsamen Buch" kein echtes Werk geworden.

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