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Während die Welt am Fernseher die Hochzeit von Lady Di und Prinz Charles verfolgt, sind Jussi und sein Onkel Olli unterwegs, um einen auch für finnische Verhältnisse ungewöhnlichen Einkauf zu erledigen: Der im Sterben liegende Großvater will seinen Sarg sehen. Jussi ist schüchtern und harmoniebedürftig, sein Onkel ein vitaler Draufgänger, ein Held - die Welt ist noch in Ordnung. Dreizehn Jahre später, Jussi wohnt inzwischen mit Frau und Sohn in der Stadt, sieht das schon anders aus: Im Verlauf eines als Angelurlaub geplanten Wochenendes wird er mit den Leidenschaften seines Onkels konfrontiert…mehr

Produktbeschreibung
Während die Welt am Fernseher die Hochzeit von Lady Di und Prinz Charles verfolgt, sind Jussi und sein Onkel Olli unterwegs, um einen auch für finnische Verhältnisse ungewöhnlichen Einkauf zu erledigen: Der im Sterben liegende Großvater will seinen Sarg sehen. Jussi ist schüchtern und harmoniebedürftig, sein Onkel ein vitaler Draufgänger, ein Held - die Welt ist noch in Ordnung. Dreizehn Jahre später, Jussi wohnt inzwischen mit Frau und Sohn in der Stadt, sieht das schon anders aus: Im Verlauf eines als Angelurlaub geplanten Wochenendes wird er mit den Leidenschaften seines Onkels konfrontiert (Alkohol, die falschen Freunde und Frauen) - und muß sich ganz gegen seine Natur selbst als Held beweisen. Er ruft den Notarzt, nachdem das Gelage entgleist ist. Das Bild des Onkels bröckelt, die Männerfreundschaft nicht. 2005: Bei Prinz Charles hält mit Camilla ein ernüchterter Pragmatismus Einzug, und Jussi, 39, frisch geschieden, fährt zur Beerdigung seines vereinsamt heruntergekommenen Onkels. Er selbst hat es auch nicht weit gebracht, verläßliche Vorbilder sind rar. Petri Tamminen zeigt nach Der Eros des Nordens und Verstecke wieder einmal charmant finnisch: Womöglich haben es Männer nicht leicht.
Autorenporträt
Tamminen, PetriPetri Tamminen, geb. 1966, studierte Kommunikationswissenschaft in Tampere und arbeitete danach als Redakteur bei verschiedenen finnischen Tageszeitungen. Seit dem Erscheinen seines ersten Buches ist er freier Autor und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem blauen Holzhaus in Vääksy, einer kleinen Ortschaft unweit von Lahti. Außer Büchern hat er Kolumnen, Radiofeatures und Zeitungsessays geschrieben.

Moster, StefanStefan Moster, geboren 1964 in Mainz, ist Schriftsteller und Übersetzer für finnische Literatur. Stefan Moster lebt in der finnischen Stadt Espoo.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.09.2007

Plauz, da onkelt's!
Finnland ahoi: Petri Tamminens anrührende Familiengeschichte

Wer sein Finnland-Bild den Filmen Aki Kaurismäkis entnimmt, ist für die Lektüre der Texte von dessen 1966 geborenem Landsmann Petri Tamminen nicht falsch gerüstet. Bei beiden wird man, um sie in vollen Zügen genießen zu können, eine Vorentscheidung getroffen haben: Es gibt nichts Banales, alles hat Bedeutung; und außerdem scheint das Land von einer so niederschlagenden wie meditativen Weite, die sich auf ergreifende Weise in den Köpfen seiner Bewohner niedergesetzt hat. Entweder geben sie tiefe Wahrheiten von sich, vor denen man niederknien möchte, oder sie stieren stumm und schön vor sich hin, was die Vorstellung befördert, man habe es in Finnland hauptsächlich mit Melancholikern zu tun, die außerdem dem Alkohol nicht abgeneigt sind.

Mit diesen Klischees und noch viel mehr jongliert Petri Tamminen in anziehender Selbstvergessenheit, zuletzt in einer Auswahl von Kurzprosastücken zum Thema "Verstecke" (2005). Überrascht war er, dass man hierzulande seine Leidenschaft, sich zu verbergen, durchaus teilte. Und auch sein zweiter, nach "Der Eros des Nordens" wieder von Stefan Moster ins Deutsche übertragener Roman ist nicht nur nordisch.

"Mein Onkel und ich" filtert diese kraftvolle Mischung aus Alltag und Weisheit noch durch einen selbst zur Melancholie neigenden Ich-Erzähler. Der hat es sich mit bübischem Trotz in den Kopf gesetzt, in seinem Onkel den Helden zu sehen, dem er nacheifern will. Das ist bemerkenswert, denn dieser Onkel ist durchaus ambivalent, im Alter gar ein Trinker mit religiöser Kehrtwende. Jussi, dem Neffen, geht es aber um wahre Größe; um eine Würde, die sich einstellt bei freimütig ausgesprochenen Sätzen wie diesem: ",Ich müsste immer noch eine Mutter neben mir haben', seufzte mein Onkel, ,so eine sechs Meter große Mutter, die mich am Kopf packt und mich streichelt und sagt, Olli, Olli, Olli.'" Es ist die Größe, eingestehen zu können, dass man sich ganz klein fühlt.

So betrachtet, ist Petri Tamminens schwerelos zwischen allen Stimmungslagen balancierender Roman ein echter, wahrer Heldenroman. Und der beginnt dort, von wo aus Helden schon immer in die Welt aufgebrochen sind, worüber sie aber nicht gern reden: in der Familie. Die Tanten lesen in Zeitschriften, die Männer werfen mit Pfeilen, der Großvater aber liegt im Sterben und hat noch einen Wunsch: Er will seinen Sarg sehen, bevor er drin liegt. Noch während die Familie herzerfrischend bühnenreif streitet, machen Jussi und sein Onkel Olli sich zusammen mit dessen Freund Myrsky auf den Weg, um das Gewünschte aufzutreiben. Bizarr, diese Ausfahrt eines Männertrios hinaus in die Stadt, wo die Bewohner vermutlich "auch bloß Leute vom Land sind, die zufällig in der Stadt leben". Auch an deren Rändern mag man nicht wohnen. "Alles sah gleich aus, die langen Geraden zwischen den Feldern und die kleinen Ansiedlungen, die schwachen Straßenlampen und die Schilder an den Tankstellen . . . Wenn es dunkel wird, hat es keine Bedeutung mehr, wie der Tag gewesen ist."

Wohltuend aber hebt sich von der eintönigen Landschaft diese kleine, verrückte Gruppe ab. So, als hätten Tschechowsche Figuren ihr Landgut einmal verlassen, um als unbeobachtete Todessehnsüchtler das Naheliegende zu tun: den endlich gekauften Sarg auszuprobieren, liebevoll darüber zu streichen "wie über eine Motorhaube" (Frauen fehlen hier noch), ihn gar auf dem See schwimmen zu lassen. "Mein Onkel setzte sich in Bewegung, er befahl Myrsky, aus dem Sarg zu steigen und ihn wie ein Boot an Land zu ziehen. Der Bewegungsablauf wirkte so alltäglich und vertraut, daß mich ein seltsames Gefühl überkam." Der Onkel ist für den Jungen ein großes Versprechen und wird ihn retten vor dem "ewigen Langweilerdasein".

Seit je ist es eine der Hauptquellen von Melancholie, wenn man sich am Glanz eines Anderen orientiert, den man nie zu erreichen glaubt. Aus dieser Lebensschieflage aber einen nicht depressiven, sondern seinerseits sanft schaukelnden, immer wieder auch höchst amüsanten Text hervorzubringen, der auf irritierende Weise alles miteinander verbindet und Wärme ausstrahlt, ist ein Kunststück. Petri Tamminen hat sich dabei von den Lehren eines gewissen Antero Warelius anregen lassen, ein in Finnland nicht unbekannter Autor, Journalist und Pfarrer aus dem neunzehnten Jahrhundert, der sein Weltwissen in Form fiktiver Dialoge in ein Buch mit dem Titel "Enon opetuksia luonnon asioista" (Des Onkels Lehren über die Dinge der Natur) bannte. Es enthält naturwissenschaftliche Erklärungen, aber auch Warnungen vor dem "Zauber und Unglauben der Weiber", die beim Bestreben, ein "vernünftiger" Mann zu werden, nur hindern. Und tatsächlich ist Tamminens Text auch ein ironisch gespiegelter Entwicklungsroman, in dem nicht nur Helden, sondern eben vor allem Männer sich behaupten müssen.

Nach den Debatten um das neue Bild vom Manne liest man solche Romane mit besonderem Interesse. Und dass der Ich-Erzähler Jussi darin eine nicht unbedingt vorteilhafte, aber doch für Abseitiges empfängliche Figur abgibt, macht ihn umso spannender. Lieber hätte er sich lebenslang "im Gitterbett gewälzt", gesteht er einmal seinem Onkel. Stattdessen heiratet er eine offenbar praktisch veranlagte Frau, die dem von einem Wiedertreffen Heimkehrenden klare Worte entgegenschleudert: Helden gebe es nicht, der Onkel und seine Freunde seien Männer und als solche besoffen und gedankenlos, keinesfalls aber weise. Im letzten Teil des im klassischen Dreisatz komponierten Romans reicht sie die Scheidung ein - Jussi solle sich endlich selber retten.

Das Verlieren bezeichnete Petri Tamminen einmal als eine ausgesprochen finnische Kunst (im Sportteil dieser Zeitung aus Anlass der Eishockey-WM, F.A.Z. vom 11. Mai 2003). Aber eben doch: das Verlieren als Kunst. Sie muss mit jener unbeirrbaren Kraft der Beharrung zusammenhängen, die auch Olli und Jussi im Roman antreibt, kindlich und störrisch, aber auch rührend. Männlich? Eher so wie bei Prinz Charles, dessen Hochzeiten Tamminen immer mal wieder einblendet. "Auch ich empfand so etwas wie Freude angesichts des pragmatischen Handelns zweier erwachsener Menschen", kommentiert Jussi die offizielle Verbindung von Charles und Camilla. Jussis scheue Seitenblicke auf Andere bilden den Nährboden des Romans, der vom Großwerden handelt, nicht aber vom Großwerdenwollen. Als Jussi am Ende seinen Onkel zu Grabe trägt, fühlt er sich den Verwandten näher. Und vielleicht ist das eben doch die größte aller Heldentaten: wenn Helden sich zu ihren Wurzeln bekennen.

Ein seriöses Wort zur Übersetzung fällt aus verständlichen Gründen schwer. Doch wer das schöne Wort "Plauz" gleich auf der ersten Seite fallenlässt, hat offenbar alles im Griff; in der Übertragung Stefan Mosters wirkt der Roman leichtfüßig und träge zugleich, ganz wie Tamminens alltägliche und stolze Figuren. Petri Tamminen bewegt sich auf Augenhöhe mit den großartig Scheiternden. Und von denen weiß man am Ende ihres Lebens wie Jussi über seinen Onkel nie recht zu sagen: Ist ihre Gestalt imposant wie die eines Indianers, oder ähnelt sie eher den Männern aus den Nachtasylen? "Mein Onkel und ich" ist nicht zuletzt auch ein hinreißendes Buch über eine verborgene Art von Vollkommenheit; in den Worten Antero Warelius': "Die Mistgabel ist an ihrem Platze vollkommen, weil sie beim Graben im Mist ihr Werk verrichtet."

ANJA HIRSCH.

Petri Tamminen: "Mein Onkel und ich". Roman. Aus dem Finnischen von Stefan Moster. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 150 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anja Hirsch ist hellauf begeistert. Wenn sich das angesichts dieses melancholischen, eher dickblütigen Textes so sagen lässt, liegt es daran, dass Hirsch den Roman von Petri Tamminen trotz der verhandelten "Lebensschieflagen" immer auch amüsant findet und er ihr von einer angenehm temperierten Haltung des Autors seinen Figuren gegenüber zu zeugen scheint. Das Buch mit Kaurismäki-Klischees im Kopf anzugehen, hält Hirsch für angebracht. Ebenso, wie nicht bloß Schwermütiges zu erwarten. Was das Genre betrifft, geht sie so weit, von einem "echten Heldenroman" beziehungsweise einem "ironisch gespiegelten" Entwicklungsroman zu sprechen, in dem die Helden Scheitern als Kunst zelebrieren. Alles andere als gescheitert, so Hirsch, sei auch die Übertragung - "leichtfüßig und träge zugleich", wie die Figuren.

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