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Jahrelang hat er sich mit Plänen zu diesem Buch getragen, erst postum ist es, dank des Engagements zahlreicher Freunde, Wirklichkeit geworden: Götz Friedrich, seit 1981 Generalintendant der Deutschen Oper Berlin und am 12. Dezember 2000 70-jährig verstorben, hatte ein Buch geplant, mit dem er die Komponisten, deren Werke er immer wieder inszeniert hatte, würdigen wollte. Das Publikum sollte wissen, was er an diesen Komponisten und ihren Werken besonders schätzte und warum er sie so und nicht anders auf die Bühne gebracht hatte. Dieser sehr persönliche Opernführer des großen Regisseurs enthält…mehr

Produktbeschreibung
Jahrelang hat er sich mit Plänen zu diesem Buch getragen, erst postum ist es, dank des Engagements zahlreicher Freunde, Wirklichkeit geworden: Götz Friedrich, seit 1981 Generalintendant der Deutschen Oper Berlin und am 12. Dezember 2000 70-jährig verstorben, hatte ein Buch geplant, mit dem er die Komponisten, deren Werke er immer wieder inszeniert hatte, würdigen wollte. Das Publikum sollte wissen, was er an diesen Komponisten und ihren Werken besonders schätzte und warum er sie so und nicht anders auf die Bühne gebracht hatte.
Dieser sehr persönliche Opernführer des großen Regisseurs enthält grundlegende Kapitel über "seine Komponisten" Mozart, Verdi, Wagner, Puccini, Strauss, Janacek, Schönberg, Berg u. a. Neben Texten, die Friedrich selbst zum Druck bestimmt hat, wurde umfangreiches Material aus seinem Nachlass herangezogen. Ca. 170 Abbildungen dokumentieren seine weltweit renommierte Theaterarbeit.
Autorenporträt
Götz Friedrich, 1930 in Naumburg geboren, wurde 1957 Regieassistent und wiss. Mitarbeiter von Walter Felsenstein und 1968 Oberspielleiter der Komischen Oper Berlin. 1972 blieb er nach einem Gastspiel in Westdeutschland. Von 1981 bis zu seinem Tod 2001 war er Generalintendant und Chefregisseur der Deutschen Oper Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.12.2002

Hast du Töne?
Götz Friedrichs postumer Opernführer / Von Gerhard R. Koch

Kaum kann man es fassen und glauben: Bis in die fünfziger Jahre konnte man in Opern-Rezensionen die lapidare Formel lesen: "... und sorgte für reibungslosen szenischen Ablauf". Musiktheaterregie galt als mehr oder minder nebensächliche Zutat zu Musik und Sänger-Positur, wenn nicht überflüssig. Entsprechend sah das Traditionsbild der Werke aus: In Schauspiel, Oper oder Konzert wurden die Werke erbarmungslos zusammengestrichen, "Hamlet" oder "Matthäus-Passion" näherten sich mitunter dem Digest an.

Im Gegensatz zum Klischee von der zunehmenden Verletzung der "Werktreue" leben wir eher im "philologischen" Zeitalter; so komplett sind die Stücke kaum je gespielt worden. Dafür galten Regisseure früher als Kärrner der Sänger; mehr als praktikable Bühnenarrangements wurden von ihnen nicht erwartet. Erst bei den Opern-Reformatoren änderte sich das Bild: Mahlers und Rollers Wiener Innovationen, Klemperers Berliner Kroll-Oper, nach 1947 die polaren Modelle Walter Felsensteins an der (Ost-)Berliner Komischen Oper und Wieland Wagners in Bayreuth zielten auf die Gesamtkunstwerk-Vision wie die vorbereitende Arbeit an den Stücken: Was sind Wahrheit und Wirklichkeit der Kunst, wie ist ihr Historisches gegenwärtig zu machen? Doch selbst über diesen lagerte Goethes fatales Reflexionstabu "Bilde Künstler, rede nicht!". Der Regisseur hat "Diener" am Werk zu sein, auch wenn keiner genau weiß, was dies ist. Der "Macher" ist gefragt, nicht der Frager und Denker.

Götz Friedrich, prominent-produktiver Regisseur, von 1981 bis zu seinem Tod 2000 Generalintendant der Deutschen Oper Berlin, kam aus der Schule Felsensteins und deren skrupulöser Suche nach der Urgestalt der Werke. Doch so gewiß Dramaturgie zum Theater gehört, so wenig lag ihm an purer Texttüftelei. Primär ging es ihm um Einheit von Theorie und Praxis, Opern-Geschichte und künftiger Wirkungsgegenwart. Texte, weit mehr als Programmheft-Überlegungen, sind demnach Selbstvergewisserungen nicht nur zu bestimmten Stücken, sondern zum Gesamtgenre Musiktheater, seinen Triebkräften wie Rezeptionsfolgen. Auf einen von Paul Barz 1978 edierten Sammelband folgten 1986 "Ansichten. Einsichten". Umgetrieben hat ihn gleichwohl der Plan eines "Opernführers" als paraenzyklopädisches Vademekum subjektiver Ausrichtung - so wie Künstler, Cineasten wie Peter Greenaway Ausstellungen, Musiker (Pollinis Salzburger "Progetto Pollini") Programme konfigurierten.

Systematisches Patchwork ist auch "Mein Opernführer", nach Friedrichs Tod von Max W. Busch und Harro Schweizer zusammengestellt, ein herkömmlicher Opernführer jedenfalls nicht: keine Uraufführungsdaten, Besetzungen, Handlungsabrisse,Werkbeschreibungen, Rezeptionsgeschichte - nichts zum Nachschlagen. Statt dessen bietet der Sammelband weit mehr: multiperspektives essayistisches Umkreisen der Hauptwerke des Opernrepertoires, gespeist aus der reichen Erfahrung eines langen Regisseurslebens: Von 1958 bis 2000 hat der Workaholic weltweit unzählige Inszenierungen erarbeitet, von Monteverdi bis Wolfgang Rihm. Vom Übervater Felsenstein hat er sich nie ganz gelöst, auch in den permanent "eigentlichen" Fragen: Was ist das Werk? Was ist der Mensch? Der Realismus, selbst der sozialistische, hat viele Gesichter, und sowenig Friedrich ein Fan von Experiment oder Provokation war, so vielgestaltig blieben seine Ansätze, reflektieren seine Aufsätze heterogene Vorstellungen von Musiktheater.

Friedrich meinte "szenisches Musizieren", nicht Steh-Theater, nicht Daueraktionismus - und auch nicht eigenständige Bild-Welt: Er wollte den Figuren auf den Grund des Labyrinths in ihnen gehen. Oft ist es ihm in Inszenierungen packend gelungen, die Texte bilden suggestive Kontrapunkte. Bis 1972 war er Oberspielleiter der (Ost-)Berliner Komischen Oper: Ein schönes Foto zeigt noch Manfred Krug 1970 als Sporting Life in "Porgy and Bess". Dann kann man spüren, wie manche Überlegungen vielschichtiger werden, westliche Kunstperspektiven sich auftun. Da schimmert sogar Verständnis für den "Figaro"-Grafen durch, der nicht nur ein Ekel ist, sondern sich in der Liebe zu Susanna in alte Autokratismen steigert.

Friedrich war kein Anhänger politischer Aktualisierung um jeden Preis. Doch den dahinsiechenden Tristan als heimatlosen "Fremdenlegionär" zu bezeichnen wirft ein scharfes Schlaglicht. Und Janáceks "Totenhaus"-Hermetik bis hin zu der von Milos Formans "Einer flog über das Kuckucksnest" zu verlängern ist so suggestiv wie der Vergleich der "Boris"-Schlußszene mit Peter Weiss' "Marat"-Stück. Politisches Denken durchzieht die Überlegungen Friedrichs, bezeichnet er etwa den Barak der "Frau ohne Schatten" als "biederen Sozialdemokraten Bebelscher Prägung", entdeckt er im Panik-Stillhalten Prosperos in Calvino-Berios "Un re in ascolto" Analogien zu dem von Brecht und Felsenstein am 17. Juni 1953. Friedrich, DDR-Star und -Emigrant, West-Berlin-Galionsfigur und Krisenintendant nach der Wende, hat mancherlei Umbrüche erlebt, Wunden erlitten. Die Gattung Oper ist davon nicht unberührt geblieben.

Götz Friedrich: "Mein Opernführer". Hrsg. von Werner Otto. Zusammengestellt von Max W. Busch und Harro Schweizer. Henschel Verlag, Berlin 2002. 304 S., 170 Abb., geb., 35,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eines war vom im Jahr 2000 verstorbenen Opernregisseur Götz Friedrich gewiss nicht zu erwarten: ein gewöhnlicher Opernführer als Nachschlagewerk. Und darum handelt es sich beim vorliegenden Band auch nicht. Vielmehr stellen die Herausgeber Texte Friedrichs zusammen, die sich essayistisch mit den "Hauptwerken des Opernrepertoires" befassen. Bis zuletzt zu bemerken, stellt der Rezensent Gerhart R. Koch fest, ist die Abkunft Friedrichs aus der ostdeutschen Regieschule Walter Felsensteins, etwa im Stellen der "eigentlichen" Fragen a la "Was ist der Mensch?". Umgekehrt jedoch war Friedrich, der Abneigung gegen wilde Experimente zum Trotz, gewiss kein sozialistischer Realist, so Koch, die Text spiegeln deshalb durchaus "heterogene Vorstellungen" von der Oper und der Operninszenierung wider.

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