Mein Schiller? Warum eigentlich? Und seit wann?Ich liebe Schiller, ich liebe ihn seit meiner Jugend, wenn nicht seit meiner Kindheit. Ich liebe den Dichter der Freiheit.Ich schätze den engagierten Schriftsteller (übrigens gab es diesen Begriff damals noch nicht), ihn, der mit jeder seiner literarischen und philosophischen Arbeiten unbedingt etwas erreichen, etwas bewirken wollte.Ich verehre den größten der deutschen Theaterautoren, ihn, dessen Dramen mir zeigten, was die Bühne zu leisten imstande ist. Ich habe eine Schwäche für nicht wenige seiner geistreichen Gedichte, zumal für seine…mehr
Mein Schiller? Warum eigentlich? Und seit wann?Ich liebe Schiller, ich liebe ihn seit meiner Jugend, wenn nicht seit meiner Kindheit. Ich liebe den Dichter der Freiheit.Ich schätze den engagierten Schriftsteller (übrigens gab es diesen Begriff damals noch nicht), ihn, der mit jeder seiner literarischen und philosophischen Arbeiten unbedingt etwas erreichen, etwas bewirken wollte.Ich verehre den größten der deutschen Theaterautoren, ihn, dessen Dramen mir zeigten, was die Bühne zu leisten imstande ist. Ich habe eine Schwäche für nicht wenige seiner geistreichen Gedichte, zumal für seine herrliche Ballade »Die Kraniche des Ibykus«. Sein Werk hat mir die Augen geöffnet: Schiller war der erste Dichter, der mich in meiner frühen Jugend ahnen und vielleicht sogar begreifen ließ, daß Literatur Kritik der Gesellschaft ist, ja Kritik des Lebens. So wurde er mein Schiller.
Reich-Ranicki, MarcelMarcel Reich-Ranicki wurde am 2. Juni 1920 in Wloclawek / Polen geboren. Sein Vater, David Reich, war ein polnischer Jude, seine Mutter, Helene eine deutsche Jüdin. Die Familie siedelte 1929 nach Berlin um. Dort besuchte er das Gymnasium. Im Herbst 1938, kurz nach dem Abitur, wurde er verhaftet und nach Polen deportiert, wo er ab 1940 im Warschauer Getto leben musste. Anfang 1943 gelang ihm zusammen mit seiner Frau Teofila die Flucht aus dem Getto in den Warschauer Untergrund. Seine Eltern und sein Bruder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Zunächst im Polnischen Diplomatischen Dienst tätig, fand er seine Berufung schließlich in der Literatur. Er arbeitete für Zeitungen, im Rundfunk und als Übersetzer. 1958 siedelte Reich-Ranicki in die Bundesrepublik Deutschland über. Er lebte von 1959 bis 1973 in Hamburg, dann zog er nach Frankfurt am Main.Er war für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Die Welt und die Wochenzeitung Die Zeit als Literaturkritiker tätig und gehörte von 1958 bis 1967 als solcher der Gruppe 47 an. 1968 war er Gastprofessor für deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts an der Washington University in St. Louis (USA) und 1969 am Middlebury College (USA). Von 1971 bis 1975 lehrte er als ständiger Gastprofessor für Neue Deutsche Literatur an den Universitäten Stockholm und Uppsala. Ab 1974 war er Honorarprofessor an der Universität Tübingen, in den Jahren 1991/92 bekleidete er die Heinrich Heine-Gastprofessur an der Universität Düsseldorf. Marcel Reich-Ranicki war Ehrendoktor der Universitäten Uppsala (1972), Augsburg (1992), Bamberg (1992), Düsseldorf (1997), Utrecht (2001) und München (2002). Nachdem er 1988 die Leitung des Literaturteils der FAZ abgegeben hatte, schrieb er weiter Kritiken in verschiedenen Zeitungen und wirkte von nun an auch im Fernsehen: Von 1988 bis 2001 leitete er das Literarische Quartett im ZDF.Reich-Ranicki wurde mit zahlreichen Preisen geehrt und galt als einer der bedeutendsten Liter
aturkritiker Deutschlands. Er starb am 18. September 2013 im Alter von 93 Jahren.
Bild: Wikipedia
Inhaltsangabe
Vorwort von Marcel Reich-Ranicki - [Gedichte:] An die Freude - Würde des Menschen - Die Teilung der Erde - Die Kraniche des Ibycus - Nänie - [Erzählung:] Verbrecher aus Infamie - [Essays:] Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? (Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet) - Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte - Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen - Über die ästhetische Erziehung des Menschen; Fünfzehenter Brief - Über das Erhabene - Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie - [Drama:] Kabale und Liebe; Ein bürgerliches Trauerspiel
Vorwort von Marcel Reich-Ranicki - [Gedichte:] An die Freude - Würde des Menschen - Die Teilung der Erde - Die Kraniche des Ibycus - Nänie - [Erzählung:] Verbrecher aus Infamie - [Essays:] Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? (Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet) - Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte - Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen - Über die ästhetische Erziehung des Menschen; Fünfzehenter Brief - Über das Erhabene - Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie - [Drama:] Kabale und Liebe; Ein bürgerliches Trauerspiel
Rezensionen
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2009Sein Schiller
Marcel Reich-Ranicki erklärt im Vorwort seines neuen Bandes: "Schiller war der erste Dichter, der mich ahnen und vielleicht auch begreifen ließ, dass Literatur Kritik der Gesellschaft ist, Kritik des Lebens." Er sah die höchste Aufgabe der Kunst darin, das Publikum durch "poetisches Spiel" zu unterhalten und die Menschen zu beglücken. Das Lesebuch "Mein Schiller" präsentiert in Reich-Ranickis Auswahl den revolutionären Bühnenautor mit "Kabale und Liebe" ebenso wie den zu Unrecht vernachlässigten Erzähler Schiller mit der Kriminalgeschichte "Verbrecher aus Infamie". Der Lyriker Schiller ist mit fünf Gedichten vertreten. Besonders gewürdigt werden zudem seine theoretischen Schriften. (Marcel Reich-Ranicki: "Mein Schiller". Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2009. 287 S., geb., 10,- [Euro].)