Ein schwarzer Hund läuft durch dieses Buch, von Seite zu Seite wird er größer, irgendwann ist er riesig, am Ende jedoch sitzt er brav und klein an der Leine: Der schwarze Hund, das ist die Depression, die Matthew Johnstone viele Jahre begleitete. In einer berührenden Bildergeschichte erzählt er davon, wie sie ihn fast umgebracht hätte und wie er es schließlich schaffte, sich Schritt für Schritt wieder von ihr zu befreien. Der schwarze Hund späht um die Ecke. Er legt sich einem auf die Brust und beherrscht die Gedanken. Er sitzt im Kopf und zerfetzt die Erinnerungen. Er lungert daneben, wenn man sich sinnlos betrinkt: Matthew Johnstone findet für den schwer fassbaren Zustand der Depression einfache, zwingende Bilder, die Betroffenen, deren Angehörigen und Freunden helfen können: Sich nicht alleine damit zu fühlen, sich mitteilen zu können, Verständnis zu entwickeln, miteinander darüber ins Gespräch zu kommen - und nie die Hoffnung zu verlieren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008Gegen die Depression
Matthew Johnstone weiß Rat / Von Eberhard Rathgeb
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, wieso man eine Depression bekommt. Viele Menschen haben sie, und häufig wissen sie sich nicht zu helfen, obwohl von vielen Seiten Hilfe angeboten wird. Die leichten Depressionen, die jeder kennt, bekommt man meistens in den Griff. Wirklich schlimm sind die Depressionen, die auf einen fallen wie ein Meteor aus heiterem Himmel. Man muss mit ihnen in bestimmten Zeitspannen rechnen und man hat auch Angst davor, dass sie auftauchen, aber man kann sich im Grunde nicht gegen sie schützen. Sie hauen einen um, sie rauben einem den Verstand, als wären sie die Herren unserer Gedanken, und werfen einen in das schwarze Loch, das so tief ist, dass kein gutes Zureden von oben uns hier unten erreicht. Häufig hilft einem da nur die Hand eines Arztes heraus, der Medikamente in den Schacht wirft.
Wer von alldem nichts weiß, wen der eiserne Flügelschlag der Depression noch nicht berührt hat, der kann sich einen ersten Eindruck verschaffen, indem er darüber liest, zum Beispiel Andrew Solomons Buch "Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression". Oft überfordern solche umfangreichen Bücher die Geduld des betroffenen Lesers, und es ist ja nicht so, dass vor allem Intellektuelle an Depressionen leiden. Im Gegenteil liegt es auf der Hand, dass gerade in sinnresistenteren Berufen Depressionen sich gerne einnisten und dort auf ihr Opfer warten. In helfenden Berufen ist es die menschliche Not, die einen erschöpft und jene Zuversicht ins Leben raubt, die man braucht. Fehlt diese Zuversicht, spricht man auch von Burnout und eben nicht von Depression, die sich dann natürlich auch einstellen kann.
Wer an Depressionen leidet, dem fehlen oft die Worte, und auch den Nächststehenden fehlen häufig die Worte; sie verstehen nicht, was los ist und wie es dazu kommen konnte, es sei doch alles in Ordnung und das Leben nicht so schlecht. Depressive Menschen fühlen sich daher schnell an den Rand gedrängt, sie sind ungewollt Außenseiter, unheimliche Menschen, die andere sich gerne fern halten. Da hilft auch nicht der Hinweis auf die lange Kulturgeschichte der Melancholie, die noble kleine Schwester des allesfressenden Depressionsdrachens.
Die Depression wird allseits misstrauisch angeschaut, als wäre sie eine völlig unangemessene und unverständliche Reaktion auf etwas, das nicht für alle sichtbar ist, ja im Gegenteil, das sich allen anderen verbirgt. In diesen Blockadering derer, die sich vom Depressiven abwenden, springt nun der schwarze Hund, dem Matthew Johnstone ein wunderbares Büchlein gewidmet hat. Es sieht aus wie ein Kinderbuch, bunte Bilder und wenig Text, und allein dieser naive Auftritt reißt der Depression schon die lange schwere Schleppe herunter, mit der sie ansonsten einherzuschreiten pflegt. Das diffuse Königreich der Depression, dem man sich kaum zu nähern wagt, ohne an Handgreiflichkeiten, Selbstmord und Totschlag zu denken, knetet Johnstone, als wäre es Lehm von unserem Lehm, zu einem schwarzen Hund zusammen. Eine gute Wahl. Denn Hunde sind treu wie Depressionen, aber sie folgen eben auch ihrem Herrn, wenn sie gute Hunde sind.
Mit Johnstone macht man sich erst einmal keine zu großen Hoffnungen, die Depression einfach abzuschütteln. Man lernt sie als einen schwarzen Hund begreifen, der einem nicht nur hinterherrennt und anspringt, wie es ihm passt, sondern den man auch zum Gehorsam bringen kann. Man soll, das ist Johnstones Rat, den schwarzen Hund an die Leine zu legen versuchen und mit ihm Gassi gehen. Die meisten Menschen haben nichts gegen Hunde, also wird sich auch keiner verstört von dieser vertrauten Erscheinung abwenden.
Es lässt sich auch besser über den schwarzen Hund als über die Depression reden: Heute wurde ich vom schwarzen Hund über den Haufen gerannt. So ein Satz bannt die Depression in ein Bild, das im Alltag untergebracht werden kann. Ich bin depressiv: Ein solcher Satz lässt sich nicht einfach in die Runde werfen, aber den Satz: Ich gehöre auch zum Verein der Besitzer von schwarzen Hunden, kann man mal fallen lassen.
Die Vorstellung vom schwarzen Hund wird einen auch nicht einfach aus der Depression herausziehen. Aber mit ihr kann man sich draußen sehen lassen, ohne Abwehrreaktionen bei anderen auszulösen. Der schwarze Hund verbindet, tatsächlich. Eine solche Bindung zur Welt da draußen ist wie ein Sonnenstrahl im Loch der Depression. Und mancher Sonnenstrahl ist dann doch eine Leiter gewesen. Matthew Johnstone weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht.
Matthew Johnstone: "Mein schwarzer Hund". Wie ich meine Depression an die Leine legte. Aus dem Englischen von Thomas Lindquist. Kunstmann Verlag, München 2008. 46 S., zahlr. Abb., geb., 14,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Matthew Johnstone weiß Rat / Von Eberhard Rathgeb
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, wieso man eine Depression bekommt. Viele Menschen haben sie, und häufig wissen sie sich nicht zu helfen, obwohl von vielen Seiten Hilfe angeboten wird. Die leichten Depressionen, die jeder kennt, bekommt man meistens in den Griff. Wirklich schlimm sind die Depressionen, die auf einen fallen wie ein Meteor aus heiterem Himmel. Man muss mit ihnen in bestimmten Zeitspannen rechnen und man hat auch Angst davor, dass sie auftauchen, aber man kann sich im Grunde nicht gegen sie schützen. Sie hauen einen um, sie rauben einem den Verstand, als wären sie die Herren unserer Gedanken, und werfen einen in das schwarze Loch, das so tief ist, dass kein gutes Zureden von oben uns hier unten erreicht. Häufig hilft einem da nur die Hand eines Arztes heraus, der Medikamente in den Schacht wirft.
Wer von alldem nichts weiß, wen der eiserne Flügelschlag der Depression noch nicht berührt hat, der kann sich einen ersten Eindruck verschaffen, indem er darüber liest, zum Beispiel Andrew Solomons Buch "Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression". Oft überfordern solche umfangreichen Bücher die Geduld des betroffenen Lesers, und es ist ja nicht so, dass vor allem Intellektuelle an Depressionen leiden. Im Gegenteil liegt es auf der Hand, dass gerade in sinnresistenteren Berufen Depressionen sich gerne einnisten und dort auf ihr Opfer warten. In helfenden Berufen ist es die menschliche Not, die einen erschöpft und jene Zuversicht ins Leben raubt, die man braucht. Fehlt diese Zuversicht, spricht man auch von Burnout und eben nicht von Depression, die sich dann natürlich auch einstellen kann.
Wer an Depressionen leidet, dem fehlen oft die Worte, und auch den Nächststehenden fehlen häufig die Worte; sie verstehen nicht, was los ist und wie es dazu kommen konnte, es sei doch alles in Ordnung und das Leben nicht so schlecht. Depressive Menschen fühlen sich daher schnell an den Rand gedrängt, sie sind ungewollt Außenseiter, unheimliche Menschen, die andere sich gerne fern halten. Da hilft auch nicht der Hinweis auf die lange Kulturgeschichte der Melancholie, die noble kleine Schwester des allesfressenden Depressionsdrachens.
Die Depression wird allseits misstrauisch angeschaut, als wäre sie eine völlig unangemessene und unverständliche Reaktion auf etwas, das nicht für alle sichtbar ist, ja im Gegenteil, das sich allen anderen verbirgt. In diesen Blockadering derer, die sich vom Depressiven abwenden, springt nun der schwarze Hund, dem Matthew Johnstone ein wunderbares Büchlein gewidmet hat. Es sieht aus wie ein Kinderbuch, bunte Bilder und wenig Text, und allein dieser naive Auftritt reißt der Depression schon die lange schwere Schleppe herunter, mit der sie ansonsten einherzuschreiten pflegt. Das diffuse Königreich der Depression, dem man sich kaum zu nähern wagt, ohne an Handgreiflichkeiten, Selbstmord und Totschlag zu denken, knetet Johnstone, als wäre es Lehm von unserem Lehm, zu einem schwarzen Hund zusammen. Eine gute Wahl. Denn Hunde sind treu wie Depressionen, aber sie folgen eben auch ihrem Herrn, wenn sie gute Hunde sind.
Mit Johnstone macht man sich erst einmal keine zu großen Hoffnungen, die Depression einfach abzuschütteln. Man lernt sie als einen schwarzen Hund begreifen, der einem nicht nur hinterherrennt und anspringt, wie es ihm passt, sondern den man auch zum Gehorsam bringen kann. Man soll, das ist Johnstones Rat, den schwarzen Hund an die Leine zu legen versuchen und mit ihm Gassi gehen. Die meisten Menschen haben nichts gegen Hunde, also wird sich auch keiner verstört von dieser vertrauten Erscheinung abwenden.
Es lässt sich auch besser über den schwarzen Hund als über die Depression reden: Heute wurde ich vom schwarzen Hund über den Haufen gerannt. So ein Satz bannt die Depression in ein Bild, das im Alltag untergebracht werden kann. Ich bin depressiv: Ein solcher Satz lässt sich nicht einfach in die Runde werfen, aber den Satz: Ich gehöre auch zum Verein der Besitzer von schwarzen Hunden, kann man mal fallen lassen.
Die Vorstellung vom schwarzen Hund wird einen auch nicht einfach aus der Depression herausziehen. Aber mit ihr kann man sich draußen sehen lassen, ohne Abwehrreaktionen bei anderen auszulösen. Der schwarze Hund verbindet, tatsächlich. Eine solche Bindung zur Welt da draußen ist wie ein Sonnenstrahl im Loch der Depression. Und mancher Sonnenstrahl ist dann doch eine Leiter gewesen. Matthew Johnstone weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht.
Matthew Johnstone: "Mein schwarzer Hund". Wie ich meine Depression an die Leine legte. Aus dem Englischen von Thomas Lindquist. Kunstmann Verlag, München 2008. 46 S., zahlr. Abb., geb., 14,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der schwarze Hund des Titels, das ist die Depression. Der Autor Matthew Johnstone, der die Krankheit aus eigener Erfahrung nur zu gut kennt, empfiehlt, sie als Tier zu betrachten, das man nicht einfach so wieder loswird und das man, indem man es zu akzeptieren lernt, besser unter Kontrolle bekommt. Der Rezensent Eberhard Rathgeb, der über weite Strecken der recht kurzen Besprechung die Depression aus eigener Anschauung schildert, hält die von Johnstone vorgeschlagene Methode für so lebensklug wie probat. Er betrachtet den "schwarzen Hund" als brauchbares Gleichnis, mit dem der von Depression betroffene auch in Gesellschaft ohne Scheu über seine Krankheit sprechen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH