Die Stalinallee war das erste Wohnbaugroßprojekt im sozialistischen Ost-Berlin. Die »Arbeiterpaläste«, die entlang des über zwei Kilometer langen Prachtboulevards entstanden, boten modernsten Wohnkomfort. Auch heute sind die Bauten an der Karl Marx-Allee und Frankfurter Allee begehrter Wohnraum - und zugleich ein umkämpftes Feld, auf dem Interessen von Mietern und Investoren aufeinandertreffen.Thorsten Klapsch und Michaela Nowotnick haben mit Kamera und Notizbuch die Architektur der Straße sowie die Geschichten und den Alltag ihrer Bewohner dokumentiert. Im Gespräch mit Alteingesessenen und Zugezogenen wird deutlich, wie sehr die deutsch-deutsche Vergangenheit bis in die unmittelbare Gegenwart wirkt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2022Wohnen im Arbeiterpalast
Wer sich auf den einschlägigen Portalen umschaut, der findet durchaus Mietangebote für Wohnungen in den Stalinbauten an der Karl-Marx-Allee in Berlin. Die Preisspanne ist enorm: Der eine Anbieter vermietet die im allgefällig-urbanen Stil möblierte 64-Quadratmeter-Wohnung für 2100 Euro warm im Monat, der andere die leere Wohnung ähnlicher Größe für 700 Euro. Die finanzielle Spreizung in den einstigen Arbeiterpalästen, die in den Fünfzigerjahren im Zuckerbäckerstil errichtet wurden, um die Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren, spiegelt die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt seit der Wiedervereinigung wider. Und natürlich finden auch internationale Airbnb-Kunden ihren Weg in Wohnungen an "Berlin's Socialist Main Boulevard", der längst zur Sehenswürdigkeit geworden ist. Man kann nur hoffen, dass Vermieter aller Gattungen ihren Mietern das Buch "Mein Stalinbau" auf den Tisch legen. Diese können nämlich in dem Band des Fotografen Thorsten Klapsch und der Autorin Michaela Nowotnick, selbst Bewohner des Großkomplexes, etwas über die Menschen erfahren, die nebenan wohnen. Eigentümer und Mieter von 17 Wohnungen werden vorgestellt. Es sind junge Leute darunter, die vor Kurzem eingezogen sind, und alte Männer wie Armin Dürr, die einst selbst noch mitgearbeitet haben an dem Prestigeprojekt. Die Menschen sind halt wie die Leut: Die einen schwärmen von den alten Zeiten, in den die Hausgemeinschaft lebendiger gewesen sei. Die anderen sehen die gewandelten Verhältnisse positiv. Die Schilderungen werden ergänzt um atmosphärisch dichte Fotografien der Protagonisten und ihrer Einrichtungen. Eines scheint Ost und West immer schon verbunden zu haben: die Abneigung gegen kräftige Wandfarben. ale.
"Mein Stalinbau. Eine Berliner Straße und die Geschichten ihrer Bewohner" von Thorsten Klapsch und Michaela Nowotnick. be.bra Verlag Berlin 2021. 208 Seiten. Broschiert, 20 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer sich auf den einschlägigen Portalen umschaut, der findet durchaus Mietangebote für Wohnungen in den Stalinbauten an der Karl-Marx-Allee in Berlin. Die Preisspanne ist enorm: Der eine Anbieter vermietet die im allgefällig-urbanen Stil möblierte 64-Quadratmeter-Wohnung für 2100 Euro warm im Monat, der andere die leere Wohnung ähnlicher Größe für 700 Euro. Die finanzielle Spreizung in den einstigen Arbeiterpalästen, die in den Fünfzigerjahren im Zuckerbäckerstil errichtet wurden, um die Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren, spiegelt die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt seit der Wiedervereinigung wider. Und natürlich finden auch internationale Airbnb-Kunden ihren Weg in Wohnungen an "Berlin's Socialist Main Boulevard", der längst zur Sehenswürdigkeit geworden ist. Man kann nur hoffen, dass Vermieter aller Gattungen ihren Mietern das Buch "Mein Stalinbau" auf den Tisch legen. Diese können nämlich in dem Band des Fotografen Thorsten Klapsch und der Autorin Michaela Nowotnick, selbst Bewohner des Großkomplexes, etwas über die Menschen erfahren, die nebenan wohnen. Eigentümer und Mieter von 17 Wohnungen werden vorgestellt. Es sind junge Leute darunter, die vor Kurzem eingezogen sind, und alte Männer wie Armin Dürr, die einst selbst noch mitgearbeitet haben an dem Prestigeprojekt. Die Menschen sind halt wie die Leut: Die einen schwärmen von den alten Zeiten, in den die Hausgemeinschaft lebendiger gewesen sei. Die anderen sehen die gewandelten Verhältnisse positiv. Die Schilderungen werden ergänzt um atmosphärisch dichte Fotografien der Protagonisten und ihrer Einrichtungen. Eines scheint Ost und West immer schon verbunden zu haben: die Abneigung gegen kräftige Wandfarben. ale.
"Mein Stalinbau. Eine Berliner Straße und die Geschichten ihrer Bewohner" von Thorsten Klapsch und Michaela Nowotnick. be.bra Verlag Berlin 2021. 208 Seiten. Broschiert, 20 Euro.
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