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Im Zentrum dieser raffiniert ineinander verwobenen Geschichten steht Max Mohn, der widerwillig Karriere beim Fernsehen macht. Da ist aber auch seine Ehefrau Ingrid, in die er schon als Dreizehnjähriger verliebt war und die er dennoch verlieren wird; der dauerschlafende Großvater, der sich aus Trotz und Geiz zu sterben weigert; Johnny Türler, der gescheiterte Abenteurer, der in der väterlichen Konditorei Pralinen verkauft; Kellner René, der im leeren Bahnhofsrestaurant ausharrt und in einem karierten Schulheft ein Archiv menschlichen Leidens führt. Die Bühne ist eine ganz gewöhnliche…mehr

Produktbeschreibung
Im Zentrum dieser raffiniert ineinander verwobenen Geschichten steht Max Mohn, der widerwillig Karriere beim Fernsehen macht. Da ist aber auch seine Ehefrau Ingrid, in die er schon als Dreizehnjähriger verliebt war und die er dennoch verlieren wird; der dauerschlafende Großvater, der sich aus Trotz und Geiz zu sterben weigert; Johnny Türler, der gescheiterte Abenteurer, der in der väterlichen Konditorei Pralinen verkauft; Kellner René, der im leeren Bahnhofsrestaurant ausharrt und in einem karierten Schulheft ein Archiv menschlichen Leidens führt.
Die Bühne ist eine ganz gewöhnliche Kleinstadt, in der jeder Akteur den anderen kennt, in der man sich liebt und hasst und lebenslang nicht voneinander loskommt. Alex Capus erzählt von den harmlosen und den schlimmen Querschüssen des Lebens, von den Launen und den Hakenschlägen des Glücks - mit gerechtem Zorn und ebensoviel Witz. Eine präzis gezeichnete Comédie humaine unserer Zeit.
Autorenporträt
Alex Capus, 1961 in der Normandie geboren, lebt in Olten, Schweiz. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten und Reportagen. Für sein literarisches Schaffen wurde er u. a. mit dem Solothurner Kunstpreis 2020 ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Weltenbummler im Güterzug
Ewige Konditorei: Alex Capus studiert bejahrte Kleinstadthelden

Mit einer Tätowierung allein fällt man heutzutage nicht mehr auf. Ein zarter Schmetterling auf der Schulter oder ein grinsender Delphin über dem Fußknöchel gehören fast schon zum vertrauten Erscheinungsbild moderner Jugendlichkeit. Bei Johnny Türler aber ist das anders, denn er hat "Tätowierungen an Stellen, an denen anständige Leute nicht einmal Stellen" haben. Ein Pinguin aus Nantucket, eine Schildkröte aus Hawaii oder ein Segelschiff, dessen Herkunft und Liegeplatz nicht verraten werden: Johnnys gesamter Körper ist mit bunten Bildern bedeckt, was auf junge Mädchen, zumal wenn sie in einem kleinen Schweizer Städtchen leben, gewaltigen Reiz ausübt.

Johnny hingegen ist die Bilderpracht seines Leibes etwas peinlich. Auch Abenteurer kommen in die Jahre, und bei der Rückkehr in die väterliche Konditorei, wo er eine Zeitlang gewissenhaft die berühmten Leckereien des Familienbetriebs verkauft ("Türlers Champagner-Truffes sind die besten!"), muß sich Weltumsegler Johnny wie ein bestaunter Exot vorkommen.

Aber auch Johnnys Altersgenossen, allesamt in den angeblich besten Jahren, um die vierzig herum also, fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Max Mohn zum Beispiel, ein verträumter Reporter, den Alex Capus schon in den Mittelpunkt seines ersten Romans "Munzinger Pascha" (1997) gestellt hatte, erlebt staunend das Ende seiner kurzen Ehe, ohne recht zu begreifen, warum seine Frau genug hat von den Geschichten, die er so gerne erzählt. Und Ackermann, ein Aussteiger mit grünen Haaren und vielen Ringen am Ohr, der sich seit seiner Jugend scheinbar nonchalant allen gesellschaftlichen Verpflichtungen ferngehalten hat, macht ausgerechnet eine Zivilschutzübung zum Schauplatz eines blutigen Selbstmordes.

Idyllisch ist die kleine Welt gewiß nicht, von der Alex Capus in den vierzehn Episoden seines jüngsten Romans erzählt. Manche seiner Figuren erscheinen sogar ziemlich seltsam - die alte Madame Alice etwa, die nach genau geregeltem Wochenplan einen kleinen Salon unterhält; der Kellner im Bahnhofsrestaurant, der akribisch alle Todesfälle aus der Zeitung notiert, oder Max' Tante Olga, die ihrem sterbenskranken greisen Vater zu einer grotesken Mahlzeit mit den erwähnten Champagner-Trüffeln verhelfen will. So sicher aber Capus die Unzulänglichkeiten und lächerlichen Seiten seiner Kleinstadthelden porträtiert, so sehr vermeidet er es aber auch, ihnen mit Spott oder Herablassung zu begegnen. Er bewahrt als Erzähler Loyalität und Sympathie für sie. Das erinnert an den Humor Gottfried Kellers, mit dem er die Bewohner seines Seldwyla bedacht hatte.

Doch ist Alex Capus kein Keller-Epigone, der vergangene Erzählmuster nachzuahmen versucht. Im Gegenteil: Mit diesem schmalen Buch, seinem dritten, hat der Schweizer Autor, der in diesem Jahr selbst vierzig wird, endgültig seinen eigenen Stil gefunden. Capus gelingt es beeindruckend, das Leben der glückshungrigen, wohlstandsgesättigten Mitt- und Enddreißiger mit geradezu schmerzlicher Präzision zu beschreiben und die Banalität alltäglicher Katastrophen in lakonische Wendungen zu fassen. Die Schauplätze seines Romans sind die Orte des modernen bürgerlichen Mittelstands: Ob im Bioladen oder während eines Betriebsfestes, ob in einer komfortablen Etagenwohnung, im Nachrichtenraum des Fernsehsenders oder auf einer Versammlung von Kaufleuten - immer wieder scheitern Johnny, Max und ihre Freunde bei der Suche nach jener Lebenserfüllung, von der sie vor mehr als zwanzig Jahren schon als Schüler geträumt haben. War es damals noch ein prickelndes Abenteuer, eine ganze Schulklasse nackter Mädchen in der Umkleidekabine des Schwimmbads heimlich zu beobachten, hat für die Erwachsenen längst auch die Sexualität ihren Zauber verloren: "Max denkt daran, daß viele Menschen in diesen Wohnblocks nur deshalb Kinder zeugen, weil die Hausordnung das Halten von Hunden und Katzen verbietet."

Mit solchen Aperçus setzt sich Capus immer wieder in Distanz zu seinen Helden, deren Nöte und Ängste er so genau kennt. Einen echten Weltenbummler aber kann die wohlgeordnete Provinz nicht dauerhaft fesseln oder gar lähmen. Am Ende, so lesen wir fast mit Erleichterung, verläßt der tätowierte Johnny die heimische Konditorei samt ihren Champagner-Trüffeln, verzichtet auf die bewundernden Blicke junger und alter Kundinnen und liegt sturzbetrunken in einem Güterzug, der ihn irgendwohin in den Süden bringen wird. Von seinem Aufwachen wird womöglich Capus' nächster Roman berichten. Wir dürfen neugierig sein.

SABINE DOERING.

Alex Capus: "Mein Studium ferner Welten". Ein Roman in 14 Geschichten. Residenz Verlag, Salzburg 2001. 208 S., geb., 34,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein begnadeter Erzähler." Die Weltwoche

"Federleicht geschrieben, spannend zu lesen und damit eine Rarität für den deutschen Sprachraum." Der Spiegel

"Was Alex Capus interessiert, sind ganz alte Themen: die Verheißungen und Hindernisse des Glücks, und unter diesen Hindernissen das fatalste, der Tod. Meisterhaft." Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Alex Capus ist ein wunderbarer Erzähler, für den alles eine Geschichte hat, die Welt lesbar ist; komische Geschichten, traurige, schräge und schlichte. Wo immer Capus eine Spur aufgreift, wird er fündig und teilt uns leicht und elegant seine Erkundungen mit." Süddeutsche Zeitung

"Wie wohl kein anderer Autor seiner Generation kann Capus für sich in Anspruch nehmen, das Werk seiner Vorbilder Anton Tschechow und Raymond Carver fortzuschreiben ... Es hat etwas Beeindruckendes, wie dieser Autor so gänzlich unberührt von Modeströmungen an der Gattung der Kurzgeschichte arbeitet, ihre Tradition weiterentwickelt und ihr Neues abverlangt. Mit 'Mein Studium ferner Welten' ist Capus zum dritten Mal ein großartiges Buch gelungen." Der Standard

"Alex Capus sieht im Nichts der uninteressanten Stadt ein Biotop kleiner, halbwegs geglückter oder verunglückter Lebensgeschichten, und wir wollen sofort nach Olten ziehen...Wie macht Alex Capus das? Indem er uns zeigt, welche Fülle an Geschichten überall um uns herum zu entdecken sind, wenn man nur richtig gucken kann. Und wenn man dann auch noch so schwebend leicht, liebevoll genau erzählen kann wie er, dann sind wir Leser glücklich und wünschen uns, dass wir mehr erfahren ..." Elke Heidenreich, WDR2

"Federleicht geschrieben, humorvoll und klug: ein wunderbarer kleiner Roman über das schrecklich-schöne Leben in der Provinz." Focus Online

"Alex Capus präsentiert die traurig-komischen Helden Johnny Türler und Max Mohn mit soviel Zärtlichkeit und Ironie ..., dass man ihnen noch lang nach der Lektüre hinterher weint." Die Welt, Kultur Online

"Eine Sammlung meisterlicher Short-Stories über die Abgründe des normalen Bürgertums." Hamburger Morgenpost
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