»Tom Barbash hat seinen Roman mit Beatles-Staub besprüht. Er schafft es, John Lennon wieder zum Leben zu erwecken.« The New York Times Book Review.
Dieser Roman ist eine Hommage an das New York der späten Siebzigerjahre: das Showbusiness boomt, die Hochzeit des Fernsehens ist angebrochen, die Kennedys kämpfen erneut um den Posten des Präsidenten der Vereinigten Staaten und Yoko Ono wird weiterhin für das Aus der Beatles verantwortlich gemacht. Mittendrin: Familie Winter. Wir schreiben das Jahr 1979 in New York City, als der 23-jährige Anton Winter zurück vom Freiwilligendienst in Afrika wieder nach Hause ins berüchtigte New Yorker Dakota Building zieht. Antons Vater ist der berühmte Late-Night-Show-Moderator Buddy Winter. Er hatte erst kürzlich einen Zusammenbruch live im Fernsehen erlitten, jetzt soll Anton seinem Vater wieder auf die Beine helfen, genauer gesagt: seiner Karriere. Eine Mission, bei der ihm solch illustre Persönlichkeiten wie Johnny Carson, Ted und Joan Kennedy - allesamt Bekannte der Winters - helfen könnten. Doch der größte Hoffnungsträger für Anton ist Nachbar und Freund John Lennon, denn mit einem Comeback der Beatles in Buddys neuer Show würden die Einschaltquoten durch die Decke gehen. Je mehr Anton jedoch in die berufliche und spirituelle Neuerfindung seines Vaters involviert wird, desto mehr stellt er seinen eigenen Weg infrage.
Dieser Roman ist eine Hommage an das New York der späten Siebzigerjahre: das Showbusiness boomt, die Hochzeit des Fernsehens ist angebrochen, die Kennedys kämpfen erneut um den Posten des Präsidenten der Vereinigten Staaten und Yoko Ono wird weiterhin für das Aus der Beatles verantwortlich gemacht. Mittendrin: Familie Winter. Wir schreiben das Jahr 1979 in New York City, als der 23-jährige Anton Winter zurück vom Freiwilligendienst in Afrika wieder nach Hause ins berüchtigte New Yorker Dakota Building zieht. Antons Vater ist der berühmte Late-Night-Show-Moderator Buddy Winter. Er hatte erst kürzlich einen Zusammenbruch live im Fernsehen erlitten, jetzt soll Anton seinem Vater wieder auf die Beine helfen, genauer gesagt: seiner Karriere. Eine Mission, bei der ihm solch illustre Persönlichkeiten wie Johnny Carson, Ted und Joan Kennedy - allesamt Bekannte der Winters - helfen könnten. Doch der größte Hoffnungsträger für Anton ist Nachbar und Freund John Lennon, denn mit einem Comeback der Beatles in Buddys neuer Show würden die Einschaltquoten durch die Decke gehen. Je mehr Anton jedoch in die berufliche und spirituelle Neuerfindung seines Vaters involviert wird, desto mehr stellt er seinen eigenen Weg infrage.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.12.2020John rettet sie alle
Tom Barbashs Roman über Lennon und das Dakota Building am Central Park. Von Elke Heidenreich
New York, Ende der 70er-Jahre. Reginald „Buddy“ Winter ist ein Star unter den vielen Talkmastern, seine Sendung läuft 1978 schon seit zehn Jahren mit gigantischen Einschaltquoten, Dalí war da und Woody Allen, Liz Taylor und Al Gore, Pavarotti, Nurejew und John Lennon. Und dann schmeißt Buddy eines Tages mitten in der Show hin, Nervenzusammenbruch, er taucht unter. So was ist im Showgeschäft tödlich, Klatsch, Neugier, Spekulationen blühen, Buddys Familie hält tapfer durch. Die Mutter hilft ihrer Freundin Joan Kennedy gerade beim Wahlkampf für Ted, dem letzten der Kennedy-Brüder, der es zum Präsidenten schaffen will. Man lebt im Dakota Building, dem berühmtesten Apartmenthaus der Welt. „Wir wohnten in einer Wohnung mit fünf Kaminen und zwei Küchen, die früher einmal Boris Karloff gehört hatte.“ (Boris Karloff hatte 1931 das Monster in „Frankenstein“ gespielt, was irgendwie zum Dakota passt.)
Wer hier erzählt, ist Anton, Buddys Sohn, der seinen Vater in den Shows seit Jahren betreut hatte, die Witze mit geschrieben, die Gäste mit ausgesucht hatte, Anton, der gerade von einem Hilfsprojekt in Afrika zurückkommt und jetzt endlich sein eigenes Leben auf die Reihe kriegen will. Aber Buddy braucht seine Hilfe, um wieder in die Spur und zurück ins Fernsehen zu kommen.
Tom Barbash, US-Sachbuchautor, Pädagoge und Kritiker, spinnt eine Geschichte aus Wahrheit und Erfindung, aus realen und ausgedachten Figuren, das macht das Buch so verwirrend präsent und süffig. Die Fernsehlandschaft voller Intrigen, Neid, Wichtigtuerei, die jetzt aufgefächert wird, kennen oder vermuten wir ja schon lange hinter dem ganzen Prominentenzauber in ihrer Verlogenheit und Aufgeblasenheit. (Ich kenne, Sie vermuten!) Buddy muss sich durch demütigende Essen mit jungen, gelackten Produzenten quälen und darf höchstens ein paarmal Johnny Carson, den erfolgreichsten Late-Night-Talker aller Zeiten, im Urlaub vertreten. Aber eine eigene Show liegt noch nicht wieder in der Luft. „Alle wollen abchecken, ob ich nicht doch einen an der Klatsche habe“, sagt Buddy nach so einem Essen. „Scheiß auf die. (…) Und ich hab vor dem Essen extra noch Acid eingeworfen. (…) Wie soll man diese Ärsche auch sonst ertragen?“ Jetzt kommt ein illustrer Bewohner des Dakota ins Spiel: Auf mehreren Etagen in mehreren riesigen Wohnungen lebt John Lennon mit Yoko Ono. „Soweit ich wusste, verbrachte John seine Tage damit, in einem blau-weißen Kimono zu lesen, makrobiotisch zu kochen, fernzusehen und sich um seinen Sohn Sean zu kümmern. Yoko arbeitete unten im Erdgeschoss in ihrem Büro, wo sie Sachen kaufte: Wohnungen, ein paar Häuser, zwei Farmen mit preisgekrönten Milchkühen, von denen sie eine später für spektakuläre 250 000 Dollar verkaufen würde.“
Herrlich, schon sind wir mittendrin im Prominentenklatsch, und wir sind erst auf Seite 43 von 350. Anton freundet sich im Fahrstuhl mit John an, Anton segelt, John will es lernen. Man trifft sich, segelt an der Villa von Billy Joel vorbei, John erzählt, wie er mal Elvis getroffen hat. Der Mittelteil des Buches, das beste Stück, ist ein Segeltörn, den John und Anton zusammen mit drei erfahrenen Seebären zu den Bermudas unternehmen. Sie kommen in einen Sturm, der ihnen alles abfordert, und es ist ausgerechnet John, der sich in diesem Sturm bewährt, eigentlich: wiederfindet. „Ich kletterte nach oben und sah tatsächlich John am Ruder, festgebunden, die Beine zu beiden Seiten auf die Reling des Cockpits gestemmt, die Hände ans Steuer geklammert. Er sang aus voller Kehle ein Shanty, das kaum zotiger, roher und männlicher hätte sein können. Seine Brille war komplett mit Meerwasser bespritzt, sein Gesicht glänzte, so steuerte er uns durch den Sturm und die entfesselten Wellen.“
John rettet sie alle, aber vor allem rettet er sich. „Es hat sich angefühlt wie das Konzentrat meines ganzen Lebens“, sagt er später: „Es war wieder wie damals in Hamburg auf der Bühne, als wir Pillen eingeschmissen haben, alle im Saal total ausgeflippt sind und wir bis sechs Uhr früh durchgezogen haben, uns einfach haben mitreißen lassen. Genau diese Energie war das. Diese Lebendigkeit. Endlich wieder leben!“
War es so? Hätte es so sein können?
Tom Barbash schreibt in seiner Danksagung, dass ihm Kapitän Hank Halsted ausführlich von einem echten Segeltörn mit John erzählt hat. Aber Literatur muss nicht wahr, sie muss wahrhaftig sein, die Erzählung muss in sich stimmen, die Sprache muss das Erzählte richtig benennen, und all das schafft Barbash leicht und sicher. Und er schreibt mit diesem Roman auch ein Porträt von einem New York, das es so nicht mehr gibt.
Aber dann kommt der 8. Dezember 1980. Einer der verrückten Fans, die immer vorm Dakota herumlungern, erschießt John. Wir kennen das Bild der zerbrochenen Brille, nun nicht mehr mit Meerwasser, sondern mit Blut bespritzt. „Erst lieben wir sie, dann töten wir sie“, sagt Antons Mutter über fehlgeleitete Liebe und fehlgeleiteten Hass. Und so sind letztlich alle gescheitert. Buddy scheitert, Ted Kennedy scheitert, John Lennon scheitert tödlich, und vielleicht hat die esoterisch angehauchte Yoko ja recht: Wenn Mond und Merkur nicht richtig stehen, geht eben alles schief.
Tom Barbash, Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens, Roman, 350 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 22 Euro.
„Es war wieder wie damals in
Hamburg auf der Bühne, als wir
Pillen eingeschmissen haben“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Tom Barbashs Roman über Lennon und das Dakota Building am Central Park. Von Elke Heidenreich
New York, Ende der 70er-Jahre. Reginald „Buddy“ Winter ist ein Star unter den vielen Talkmastern, seine Sendung läuft 1978 schon seit zehn Jahren mit gigantischen Einschaltquoten, Dalí war da und Woody Allen, Liz Taylor und Al Gore, Pavarotti, Nurejew und John Lennon. Und dann schmeißt Buddy eines Tages mitten in der Show hin, Nervenzusammenbruch, er taucht unter. So was ist im Showgeschäft tödlich, Klatsch, Neugier, Spekulationen blühen, Buddys Familie hält tapfer durch. Die Mutter hilft ihrer Freundin Joan Kennedy gerade beim Wahlkampf für Ted, dem letzten der Kennedy-Brüder, der es zum Präsidenten schaffen will. Man lebt im Dakota Building, dem berühmtesten Apartmenthaus der Welt. „Wir wohnten in einer Wohnung mit fünf Kaminen und zwei Küchen, die früher einmal Boris Karloff gehört hatte.“ (Boris Karloff hatte 1931 das Monster in „Frankenstein“ gespielt, was irgendwie zum Dakota passt.)
Wer hier erzählt, ist Anton, Buddys Sohn, der seinen Vater in den Shows seit Jahren betreut hatte, die Witze mit geschrieben, die Gäste mit ausgesucht hatte, Anton, der gerade von einem Hilfsprojekt in Afrika zurückkommt und jetzt endlich sein eigenes Leben auf die Reihe kriegen will. Aber Buddy braucht seine Hilfe, um wieder in die Spur und zurück ins Fernsehen zu kommen.
Tom Barbash, US-Sachbuchautor, Pädagoge und Kritiker, spinnt eine Geschichte aus Wahrheit und Erfindung, aus realen und ausgedachten Figuren, das macht das Buch so verwirrend präsent und süffig. Die Fernsehlandschaft voller Intrigen, Neid, Wichtigtuerei, die jetzt aufgefächert wird, kennen oder vermuten wir ja schon lange hinter dem ganzen Prominentenzauber in ihrer Verlogenheit und Aufgeblasenheit. (Ich kenne, Sie vermuten!) Buddy muss sich durch demütigende Essen mit jungen, gelackten Produzenten quälen und darf höchstens ein paarmal Johnny Carson, den erfolgreichsten Late-Night-Talker aller Zeiten, im Urlaub vertreten. Aber eine eigene Show liegt noch nicht wieder in der Luft. „Alle wollen abchecken, ob ich nicht doch einen an der Klatsche habe“, sagt Buddy nach so einem Essen. „Scheiß auf die. (…) Und ich hab vor dem Essen extra noch Acid eingeworfen. (…) Wie soll man diese Ärsche auch sonst ertragen?“ Jetzt kommt ein illustrer Bewohner des Dakota ins Spiel: Auf mehreren Etagen in mehreren riesigen Wohnungen lebt John Lennon mit Yoko Ono. „Soweit ich wusste, verbrachte John seine Tage damit, in einem blau-weißen Kimono zu lesen, makrobiotisch zu kochen, fernzusehen und sich um seinen Sohn Sean zu kümmern. Yoko arbeitete unten im Erdgeschoss in ihrem Büro, wo sie Sachen kaufte: Wohnungen, ein paar Häuser, zwei Farmen mit preisgekrönten Milchkühen, von denen sie eine später für spektakuläre 250 000 Dollar verkaufen würde.“
Herrlich, schon sind wir mittendrin im Prominentenklatsch, und wir sind erst auf Seite 43 von 350. Anton freundet sich im Fahrstuhl mit John an, Anton segelt, John will es lernen. Man trifft sich, segelt an der Villa von Billy Joel vorbei, John erzählt, wie er mal Elvis getroffen hat. Der Mittelteil des Buches, das beste Stück, ist ein Segeltörn, den John und Anton zusammen mit drei erfahrenen Seebären zu den Bermudas unternehmen. Sie kommen in einen Sturm, der ihnen alles abfordert, und es ist ausgerechnet John, der sich in diesem Sturm bewährt, eigentlich: wiederfindet. „Ich kletterte nach oben und sah tatsächlich John am Ruder, festgebunden, die Beine zu beiden Seiten auf die Reling des Cockpits gestemmt, die Hände ans Steuer geklammert. Er sang aus voller Kehle ein Shanty, das kaum zotiger, roher und männlicher hätte sein können. Seine Brille war komplett mit Meerwasser bespritzt, sein Gesicht glänzte, so steuerte er uns durch den Sturm und die entfesselten Wellen.“
John rettet sie alle, aber vor allem rettet er sich. „Es hat sich angefühlt wie das Konzentrat meines ganzen Lebens“, sagt er später: „Es war wieder wie damals in Hamburg auf der Bühne, als wir Pillen eingeschmissen haben, alle im Saal total ausgeflippt sind und wir bis sechs Uhr früh durchgezogen haben, uns einfach haben mitreißen lassen. Genau diese Energie war das. Diese Lebendigkeit. Endlich wieder leben!“
War es so? Hätte es so sein können?
Tom Barbash schreibt in seiner Danksagung, dass ihm Kapitän Hank Halsted ausführlich von einem echten Segeltörn mit John erzählt hat. Aber Literatur muss nicht wahr, sie muss wahrhaftig sein, die Erzählung muss in sich stimmen, die Sprache muss das Erzählte richtig benennen, und all das schafft Barbash leicht und sicher. Und er schreibt mit diesem Roman auch ein Porträt von einem New York, das es so nicht mehr gibt.
Aber dann kommt der 8. Dezember 1980. Einer der verrückten Fans, die immer vorm Dakota herumlungern, erschießt John. Wir kennen das Bild der zerbrochenen Brille, nun nicht mehr mit Meerwasser, sondern mit Blut bespritzt. „Erst lieben wir sie, dann töten wir sie“, sagt Antons Mutter über fehlgeleitete Liebe und fehlgeleiteten Hass. Und so sind letztlich alle gescheitert. Buddy scheitert, Ted Kennedy scheitert, John Lennon scheitert tödlich, und vielleicht hat die esoterisch angehauchte Yoko ja recht: Wenn Mond und Merkur nicht richtig stehen, geht eben alles schief.
Tom Barbash, Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens, Roman, 350 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 22 Euro.
„Es war wieder wie damals in
Hamburg auf der Bühne, als wir
Pillen eingeschmissen haben“
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»Es ist ein wunderschönes Eintauchen in die Vergangenheit und ein kurzer Auftritt des Ehrengastes [John Lennon], so lebendig geschrieben, als ob man neben ihm sitzen möchte.« bookreviews.at 20210105
John rettet sie alle
Tom Barbashs Roman über Lennon und das Dakota Building am Central Park. Von Elke Heidenreich
New York, Ende der 70er-Jahre. Reginald „Buddy“ Winter ist ein Star unter den vielen Talkmastern, seine Sendung läuft 1978 schon seit zehn Jahren mit gigantischen Einschaltquoten, Dalí war da und Woody Allen, Liz Taylor und Al Gore, Pavarotti, Nurejew und John Lennon. Und dann schmeißt Buddy eines Tages mitten in der Show hin, Nervenzusammenbruch, er taucht unter. So was ist im Showgeschäft tödlich, Klatsch, Neugier, Spekulationen blühen, Buddys Familie hält tapfer durch. Die Mutter hilft ihrer Freundin Joan Kennedy gerade beim Wahlkampf für Ted, dem letzten der Kennedy-Brüder, der es zum Präsidenten schaffen will. Man lebt im Dakota Building, dem berühmtesten Apartmenthaus der Welt. „Wir wohnten in einer Wohnung mit fünf Kaminen und zwei Küchen, die früher einmal Boris Karloff gehört hatte.“ (Boris Karloff hatte 1931 das Monster in „Frankenstein“ gespielt, was irgendwie zum Dakota passt.)
Wer hier erzählt, ist Anton, Buddys Sohn, der seinen Vater in den Shows seit Jahren betreut hatte, die Witze mit geschrieben, die Gäste mit ausgesucht hatte, Anton, der gerade von einem Hilfsprojekt in Afrika zurückkommt und jetzt endlich sein eigenes Leben auf die Reihe kriegen will. Aber Buddy braucht seine Hilfe, um wieder in die Spur und zurück ins Fernsehen zu kommen.
Tom Barbash, US-Sachbuchautor, Pädagoge und Kritiker, spinnt eine Geschichte aus Wahrheit und Erfindung, aus realen und ausgedachten Figuren, das macht das Buch so verwirrend präsent und süffig. Die Fernsehlandschaft voller Intrigen, Neid, Wichtigtuerei, die jetzt aufgefächert wird, kennen oder vermuten wir ja schon lange hinter dem ganzen Prominentenzauber in ihrer Verlogenheit und Aufgeblasenheit. (Ich kenne, Sie vermuten!) Buddy muss sich durch demütigende Essen mit jungen, gelackten Produzenten quälen und darf höchstens ein paarmal Johnny Carson, den erfolgreichsten Late-Night-Talker aller Zeiten, im Urlaub vertreten. Aber eine eigene Show liegt noch nicht wieder in der Luft. „Alle wollen abchecken, ob ich nicht doch einen an der Klatsche habe“, sagt Buddy nach so einem Essen. „Scheiß auf die. (…) Und ich hab vor dem Essen extra noch Acid eingeworfen. (…) Wie soll man diese Ärsche auch sonst ertragen?“ Jetzt kommt ein illustrer Bewohner des Dakota ins Spiel: Auf mehreren Etagen in mehreren riesigen Wohnungen lebt John Lennon mit Yoko Ono. „Soweit ich wusste, verbrachte John seine Tage damit, in einem blau-weißen Kimono zu lesen, makrobiotisch zu kochen, fernzusehen und sich um seinen Sohn Sean zu kümmern. Yoko arbeitete unten im Erdgeschoss in ihrem Büro, wo sie Sachen kaufte: Wohnungen, ein paar Häuser, zwei Farmen mit preisgekrönten Milchkühen, von denen sie eine später für spektakuläre 250 000 Dollar verkaufen würde.“
Herrlich, schon sind wir mittendrin im Prominentenklatsch, und wir sind erst auf Seite 43 von 350. Anton freundet sich im Fahrstuhl mit John an, Anton segelt, John will es lernen. Man trifft sich, segelt an der Villa von Billy Joel vorbei, John erzählt, wie er mal Elvis getroffen hat. Der Mittelteil des Buches, das beste Stück, ist ein Segeltörn, den John und Anton zusammen mit drei erfahrenen Seebären zu den Bermudas unternehmen. Sie kommen in einen Sturm, der ihnen alles abfordert, und es ist ausgerechnet John, der sich in diesem Sturm bewährt, eigentlich: wiederfindet. „Ich kletterte nach oben und sah tatsächlich John am Ruder, festgebunden, die Beine zu beiden Seiten auf die Reling des Cockpits gestemmt, die Hände ans Steuer geklammert. Er sang aus voller Kehle ein Shanty, das kaum zotiger, roher und männlicher hätte sein können. Seine Brille war komplett mit Meerwasser bespritzt, sein Gesicht glänzte, so steuerte er uns durch den Sturm und die entfesselten Wellen.“
John rettet sie alle, aber vor allem rettet er sich. „Es hat sich angefühlt wie das Konzentrat meines ganzen Lebens“, sagt er später: „Es war wieder wie damals in Hamburg auf der Bühne, als wir Pillen eingeschmissen haben, alle im Saal total ausgeflippt sind und wir bis sechs Uhr früh durchgezogen haben, uns einfach haben mitreißen lassen. Genau diese Energie war das. Diese Lebendigkeit. Endlich wieder leben!“
War es so? Hätte es so sein können?
Tom Barbash schreibt in seiner Danksagung, dass ihm Kapitän Hank Halsted ausführlich von einem echten Segeltörn mit John erzählt hat. Aber Literatur muss nicht wahr, sie muss wahrhaftig sein, die Erzählung muss in sich stimmen, die Sprache muss das Erzählte richtig benennen, und all das schafft Barbash leicht und sicher. Und er schreibt mit diesem Roman auch ein Porträt von einem New York, das es so nicht mehr gibt.
Aber dann kommt der 8. Dezember 1980. Einer der verrückten Fans, die immer vorm Dakota herumlungern, erschießt John. Wir kennen das Bild der zerbrochenen Brille, nun nicht mehr mit Meerwasser, sondern mit Blut bespritzt. „Erst lieben wir sie, dann töten wir sie“, sagt Antons Mutter über fehlgeleitete Liebe und fehlgeleiteten Hass. Und so sind letztlich alle gescheitert. Buddy scheitert, Ted Kennedy scheitert, John Lennon scheitert tödlich, und vielleicht hat die esoterisch angehauchte Yoko ja recht: Wenn Mond und Merkur nicht richtig stehen, geht eben alles schief.
Tom Barbash, Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens, Roman, 350 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 22 Euro.
„Es war wieder wie damals in
Hamburg auf der Bühne, als wir
Pillen eingeschmissen haben“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Tom Barbashs Roman über Lennon und das Dakota Building am Central Park. Von Elke Heidenreich
New York, Ende der 70er-Jahre. Reginald „Buddy“ Winter ist ein Star unter den vielen Talkmastern, seine Sendung läuft 1978 schon seit zehn Jahren mit gigantischen Einschaltquoten, Dalí war da und Woody Allen, Liz Taylor und Al Gore, Pavarotti, Nurejew und John Lennon. Und dann schmeißt Buddy eines Tages mitten in der Show hin, Nervenzusammenbruch, er taucht unter. So was ist im Showgeschäft tödlich, Klatsch, Neugier, Spekulationen blühen, Buddys Familie hält tapfer durch. Die Mutter hilft ihrer Freundin Joan Kennedy gerade beim Wahlkampf für Ted, dem letzten der Kennedy-Brüder, der es zum Präsidenten schaffen will. Man lebt im Dakota Building, dem berühmtesten Apartmenthaus der Welt. „Wir wohnten in einer Wohnung mit fünf Kaminen und zwei Küchen, die früher einmal Boris Karloff gehört hatte.“ (Boris Karloff hatte 1931 das Monster in „Frankenstein“ gespielt, was irgendwie zum Dakota passt.)
Wer hier erzählt, ist Anton, Buddys Sohn, der seinen Vater in den Shows seit Jahren betreut hatte, die Witze mit geschrieben, die Gäste mit ausgesucht hatte, Anton, der gerade von einem Hilfsprojekt in Afrika zurückkommt und jetzt endlich sein eigenes Leben auf die Reihe kriegen will. Aber Buddy braucht seine Hilfe, um wieder in die Spur und zurück ins Fernsehen zu kommen.
Tom Barbash, US-Sachbuchautor, Pädagoge und Kritiker, spinnt eine Geschichte aus Wahrheit und Erfindung, aus realen und ausgedachten Figuren, das macht das Buch so verwirrend präsent und süffig. Die Fernsehlandschaft voller Intrigen, Neid, Wichtigtuerei, die jetzt aufgefächert wird, kennen oder vermuten wir ja schon lange hinter dem ganzen Prominentenzauber in ihrer Verlogenheit und Aufgeblasenheit. (Ich kenne, Sie vermuten!) Buddy muss sich durch demütigende Essen mit jungen, gelackten Produzenten quälen und darf höchstens ein paarmal Johnny Carson, den erfolgreichsten Late-Night-Talker aller Zeiten, im Urlaub vertreten. Aber eine eigene Show liegt noch nicht wieder in der Luft. „Alle wollen abchecken, ob ich nicht doch einen an der Klatsche habe“, sagt Buddy nach so einem Essen. „Scheiß auf die. (…) Und ich hab vor dem Essen extra noch Acid eingeworfen. (…) Wie soll man diese Ärsche auch sonst ertragen?“ Jetzt kommt ein illustrer Bewohner des Dakota ins Spiel: Auf mehreren Etagen in mehreren riesigen Wohnungen lebt John Lennon mit Yoko Ono. „Soweit ich wusste, verbrachte John seine Tage damit, in einem blau-weißen Kimono zu lesen, makrobiotisch zu kochen, fernzusehen und sich um seinen Sohn Sean zu kümmern. Yoko arbeitete unten im Erdgeschoss in ihrem Büro, wo sie Sachen kaufte: Wohnungen, ein paar Häuser, zwei Farmen mit preisgekrönten Milchkühen, von denen sie eine später für spektakuläre 250 000 Dollar verkaufen würde.“
Herrlich, schon sind wir mittendrin im Prominentenklatsch, und wir sind erst auf Seite 43 von 350. Anton freundet sich im Fahrstuhl mit John an, Anton segelt, John will es lernen. Man trifft sich, segelt an der Villa von Billy Joel vorbei, John erzählt, wie er mal Elvis getroffen hat. Der Mittelteil des Buches, das beste Stück, ist ein Segeltörn, den John und Anton zusammen mit drei erfahrenen Seebären zu den Bermudas unternehmen. Sie kommen in einen Sturm, der ihnen alles abfordert, und es ist ausgerechnet John, der sich in diesem Sturm bewährt, eigentlich: wiederfindet. „Ich kletterte nach oben und sah tatsächlich John am Ruder, festgebunden, die Beine zu beiden Seiten auf die Reling des Cockpits gestemmt, die Hände ans Steuer geklammert. Er sang aus voller Kehle ein Shanty, das kaum zotiger, roher und männlicher hätte sein können. Seine Brille war komplett mit Meerwasser bespritzt, sein Gesicht glänzte, so steuerte er uns durch den Sturm und die entfesselten Wellen.“
John rettet sie alle, aber vor allem rettet er sich. „Es hat sich angefühlt wie das Konzentrat meines ganzen Lebens“, sagt er später: „Es war wieder wie damals in Hamburg auf der Bühne, als wir Pillen eingeschmissen haben, alle im Saal total ausgeflippt sind und wir bis sechs Uhr früh durchgezogen haben, uns einfach haben mitreißen lassen. Genau diese Energie war das. Diese Lebendigkeit. Endlich wieder leben!“
War es so? Hätte es so sein können?
Tom Barbash schreibt in seiner Danksagung, dass ihm Kapitän Hank Halsted ausführlich von einem echten Segeltörn mit John erzählt hat. Aber Literatur muss nicht wahr, sie muss wahrhaftig sein, die Erzählung muss in sich stimmen, die Sprache muss das Erzählte richtig benennen, und all das schafft Barbash leicht und sicher. Und er schreibt mit diesem Roman auch ein Porträt von einem New York, das es so nicht mehr gibt.
Aber dann kommt der 8. Dezember 1980. Einer der verrückten Fans, die immer vorm Dakota herumlungern, erschießt John. Wir kennen das Bild der zerbrochenen Brille, nun nicht mehr mit Meerwasser, sondern mit Blut bespritzt. „Erst lieben wir sie, dann töten wir sie“, sagt Antons Mutter über fehlgeleitete Liebe und fehlgeleiteten Hass. Und so sind letztlich alle gescheitert. Buddy scheitert, Ted Kennedy scheitert, John Lennon scheitert tödlich, und vielleicht hat die esoterisch angehauchte Yoko ja recht: Wenn Mond und Merkur nicht richtig stehen, geht eben alles schief.
Tom Barbash, Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens, Roman, 350 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 22 Euro.
„Es war wieder wie damals in
Hamburg auf der Bühne, als wir
Pillen eingeschmissen haben“
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