Beatrix ist in meinen Augen eine sehr beeindruckende 11jährige. Ihre Eltern sind beide Künstler und sie selbst nicht minder ein kreativer Kopf, der es liebt seine Gefühle in Gedichten, bevorzugt Haikus, auszudrücken. Sie verliert nie ein Wort zu viel, trägt aber dennoch ihr Inneres nach Außen, indem
sie beim Erspinnen ihrer Gedichte die Worte mit dem Finger in die Luft malt, bevor sie sie zu…mehrBeatrix ist in meinen Augen eine sehr beeindruckende 11jährige. Ihre Eltern sind beide Künstler und sie selbst nicht minder ein kreativer Kopf, der es liebt seine Gefühle in Gedichten, bevorzugt Haikus, auszudrücken. Sie verliert nie ein Wort zu viel, trägt aber dennoch ihr Inneres nach Außen, indem sie beim Erspinnen ihrer Gedichte die Worte mit dem Finger in die Luft malt, bevor sie sie zu Papier bringt, ihre Stimmung tanzt und ihre Gefühle am liebsten mit einer Playlist untermalt. Sie ist spontan und lebensfroh, doch leider ist das eine Art, die kurz vor oder während der Pubertät nicht gut ankommt.
Man wirkt “komisch” und “anders”, wenn man sich nicht der Masse anschließt, und so kommt es, wie es kommen muss: ihre beste Freundin S und L und L, die zwei anderen Mädels aus ihrer Clique lassen Beatrix links liegen, verleugnen sie sogar gegenüber ihrer neuen Freundin A, weil sie ihnen peinlich ist.
Nun ist es schwierig für Beatrix weiter zu sich selbst zu stehen, da nicht mal ihre Eltern Zeit für sie haben, kurz vor der Entbindung ihrer kleinen Schwester. Zum Glück findet sie in der Schulredaktion neue Bekannte, die wie sie Freigeister sind und nicht in der Masse der anderen Schüler untergehen.
Lange hatte ich mich gefragt, warum Kat Yeh Beatrix früheren Freundeskreis nur mit den Anfangsbuchstaben betitelt und man die Namen erst am Ende des Buches erfährt. Im Nachhinein denke ich, weil S und L und L und A einfach keine Individuen waren, sie sind in der Masse untergegangen und wären beliebig austauschbar gewesen im Gegensatz zu Will oder Briggs, die sie in der Redaktion kennenlernt.
Neben Beatrix, ihren Eltern und zwei ihrer Lehrer, sind es vor allem Will und Briggs, die die Geschichte so interessant und lesenswert machen. Beide sind auf ihre Art genau wie Beatrix anders, wobei Will eine Andersartigkeit an den Tag legt, für die er sich nicht entschieden hat, sondern die ihm auferlegt ist. Aber um zu erfahren, was genau hinter dem Jungen mit der Leidenschaft für Labyrinthe und Listen steckt, dafür muss man die Geschichte schon selbst erlesen.
Zu guter letzt gibt es noch eine weitere Figur in “Mein Weg aus unsichtbarer Tinte”, die in erster Linie dafür verantwortlich war, warum ich das Buch in einem Rutsch verschlungen habe:
Beatrix versteckt sich, weil sie sich einerseits nicht verbiegen lassen, andererseits aber auch nicht mit “peinlichem” Verhalten auffallen möchte. So schreibt sie ihre Gedichte neuerdings mit unsichtbarer Tinte auf kleine Zettel und verbirgt diese in einer Mauerspalte. Eines Tages jedoch erhält sie Antwort auf ihre innersten Gedanken und dieser Fremde versteht sie tatsächlich! Nur um wen handelt es sich bei der geheimnisvollen Person, mit dem sie nun einen Schriftwechsel führt?
Nicht nur durch sich selbst, sondern vor allem über ihre neuen Freunde lernt sich Beatrix ganz neu kennen und lernt zu schätzen, wie wichtig Vertrauen ist und sich auf jemanden verlassen zu können. Irgendwann hat sie dann die Größe zu sich selbst zu stehen und nicht mehr unsichtbar sein zu wollen.
Man lernt so viel aus “Mein Weg aus unsichtbarer Tinte”: wie wichtig zuhören ist, dass es sich lohnt, man selbst zu sein und sich nicht verbiegen zu lassen, das Anderssein nicht immer auf freier Wahl beruht, dass man den Wert von Menschen nicht immer auf den ersten Blick erkennt, und das man nur wirklich glücklich sein kann, wenn man zu sich selbst steht!
Ich denke, dann findet man auch ganz von selbst neue Freunde. Selbst wenn es ein schwieriger Prozess ist, es ist ganz normal, dass man alte Freunde ziehen lassen muss, wenn man sich selbst verändert oder alte Freunde sich verändern.
Kat Yeh hat mit Beas Geschichte dazu eine wirklich einfühlsames, ruhiges, aber tiefgehendes Buch geschaffen, das nicht nur für das empfohlene Lesealter, sondern auch für ältere Jugendliche und Erwachsene geeignet ist, und sei es nur, um sich daran zu erinnern, wie es bei uns selbst in diesem Alter war.