Lesja Ukrajinka ist zweifellos eine der bedeutendsten Dichterinnen der europäischen Moderne. Seit Taras Sevcenko, so schrieb der Doyen der ukrainischen Literatur Ivan Franko, habe die Ukraine "kein so starkes, glühendes und poetisches Wort gehört wie aus dem Munde dieser schwächlichen und kranken jungen Frau". Seit ihrer Kindheit von schwerer Krankheit gezeichnet, schikaniert von den russischen zaristischen Behörden, die meiste Zeit auf Reisen im russischen Reich, in Europa und Ägypten, schuf sie in ihrem nur 42 Jahre währenden Leben Gedichte, Verspoeme und Dramen, die zu den schönsten Dichtungen nicht nur der slavischen Literaturen gehören. Auf die Bibel, die Antike, mittelalterliche Legenden undandere europäische Stoffe zurückgreifend und sie sich aneignend, erreicht sie den Anschluss an die zeitgenössische Moderne. Doch bleibt die Ukraine, vor allem nach der russischen Revolution von 1905, eines ihrer zentralen Themen. So gestaltet sie in ihrem Hauptwerk, der 'Feerie' "Das Waldlied", in der poetischen symbolhaften Gestaltung der Landschaft des Polissja die Schuld des Menschen gegenüber der Natur. Wenn sie in ihren Gedichten auch heftige Kritik an der Repression und der daraus folgenden Resignation und Tatenlosigkeit übt, so will sie die Hoffnung auf eine freie Ukraine doch nicht aufgeben:Hier darf man bleiben... muss nicht mehr wandern...Alles wird gut sein... Heimat, mein Landkonnte, wie ich, sich erholen vom Leiden,klar ist der Himmel, nicht grau, nicht mehr weinend,Menschen sind fröhlich und ich... weckt mich nicht...Alles wird gut sein...Der vorliegende Band versammelt Gedichte, das Poem "Ein Märchen aus alter Zeit" und das "Waldlied" zu einem repräsentativen Querschnitt aus dem Schaffen dieser großen Dichterin in den einfühlsamen Nachdichtungen von Irena Katschaniuk-Spiech, die einen großen Teil ihrer Arbeitskraft der Vermittlung Lesja Ukrajinkas in Deutschland gewidmet hat.