Nelson Mandelas Lieblingsmärchen, die er aus den verschiedenen Ländern Afrikas zusammengetragen hat, geben Einblick in eine exotische, oftmals mythische Welt. Die Geschichten erzählen von dem fliegenden Hasen Mmutla, von dem Jäger Mthiyane, der in eine Schlange mit sieben Köpfen verwandelt wird, und von dem lockenden Zaubergesang eines prächtigen Vogels, dem nur die Kinder widerstehen können. Bei einigen Erzählungen handelt es sich um Schöpfungsmythen, in denen man erfährt, wie der Mond entstand, weshalb die Tiere Hörner und Schwänze bekamen und warum die Katze ein zahmes Haustier wurde.
Dieser reich illustrierte Märchenschatz spricht sowohl alte als auch junge Leser an und lädt zu einer faszinierenden Reise durch den afrikanischen Kontinent ein.
Dieser reich illustrierte Märchenschatz spricht sowohl alte als auch junge Leser an und lädt zu einer faszinierenden Reise durch den afrikanischen Kontinent ein.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.03.2004Wie der schlaue Hlakanyana das Ungeheuer überlistete
Nelson Mandela, der große alte Mann Südafrikas, stellt seine Lieblingsmärchen vor
Eine schöne Ideen, Nelson Mandela, den „großen alten Mann Südafrikas” darum zu bitten, ein Buch mit seinen afrikanischen Lieblingsmärchen herauszugeben. Er geht mit dem Auftrag recht fachmännisch und unbefangen zugleich um. In seinem Vorwort erzählt er, dass diese Geschichten allen gehören, dass es keine wirklichen „Originalfassungen” gibt, weil „Geschichten immer neue Wandlungen erfahren”. Dreißig sehr unterschiedliche Texte bietet er an, rund die Hälfte davon aus seiner Heimat Südafrika, aus der Tradition verschiedener Ethnien. Der Herausgeber ist völlig unbekümmert um die Herkunft der Texte: einer kommt nachweislich, so lesen wir, aus dem Flämischen (und erinnert an unser Märchen von den armen Kirchenmäusen und dem Schmalztopf), ein anderer ist malaiischen Ursprungs, wieder andere sind erst in den letzten Jahren von Schriftstellerinnen wie Gcina Mhlophe oder Diana Pitcher niedergeschrieben worden. Wichtig ist ihm, dass sie heute Teil jener Texte sind, „in dem die Kinder Afrikas das Wunder der Bücher” und Geschichten erleben. Der Band ist eine schöne Ergänzung der schon vorhandenen afrikanischen Märchensammlungen, z. B. von Birago Diop aus Westafrika, der in den vierziger Jahren bewusst bei professionellen Geschichtenerzählern an den Quellen gearbeitet hat. Alle Texte sind geeignet sie Kindern vorzulesen . Es geht oft turbulenter und auch rätselhafter zu als in unseren Märchen, und manche Geschichten sollte man einfach mit ihren geheimnisvollen Melodien auf sich wirken lassen! Nicht alle erschließen sich sofort.
Die originellen Illustrationen sehr unterschiedlicher Künstler machen das Buch noch kostbarer. Einige sind eindeutig aus afrikanischer Bildästhetik geboren, andere von Afrikanern europäischer oder indischer Herkunft erstellt worden und einige tragen die Handschrift moderner Kinderbuchillustration. Hier wird auf unaufdringliche Weise ein weltoffenes Südafrika demonstriert, das gerne aufnimmt und lernt und gerne gibt und verschenkt.
HERMANN SCHULZ
NELSON MANDELA: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen. Aus dem Englischen von Matthias Wolf. Mit vielen farbigen Illustrationen. C. H. Beck Verlag 2004. 192 Seiten, 19,90 Euro. Illustration aus Nelson Mandela: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Nelson Mandela, der große alte Mann Südafrikas, stellt seine Lieblingsmärchen vor
Eine schöne Ideen, Nelson Mandela, den „großen alten Mann Südafrikas” darum zu bitten, ein Buch mit seinen afrikanischen Lieblingsmärchen herauszugeben. Er geht mit dem Auftrag recht fachmännisch und unbefangen zugleich um. In seinem Vorwort erzählt er, dass diese Geschichten allen gehören, dass es keine wirklichen „Originalfassungen” gibt, weil „Geschichten immer neue Wandlungen erfahren”. Dreißig sehr unterschiedliche Texte bietet er an, rund die Hälfte davon aus seiner Heimat Südafrika, aus der Tradition verschiedener Ethnien. Der Herausgeber ist völlig unbekümmert um die Herkunft der Texte: einer kommt nachweislich, so lesen wir, aus dem Flämischen (und erinnert an unser Märchen von den armen Kirchenmäusen und dem Schmalztopf), ein anderer ist malaiischen Ursprungs, wieder andere sind erst in den letzten Jahren von Schriftstellerinnen wie Gcina Mhlophe oder Diana Pitcher niedergeschrieben worden. Wichtig ist ihm, dass sie heute Teil jener Texte sind, „in dem die Kinder Afrikas das Wunder der Bücher” und Geschichten erleben. Der Band ist eine schöne Ergänzung der schon vorhandenen afrikanischen Märchensammlungen, z. B. von Birago Diop aus Westafrika, der in den vierziger Jahren bewusst bei professionellen Geschichtenerzählern an den Quellen gearbeitet hat. Alle Texte sind geeignet sie Kindern vorzulesen . Es geht oft turbulenter und auch rätselhafter zu als in unseren Märchen, und manche Geschichten sollte man einfach mit ihren geheimnisvollen Melodien auf sich wirken lassen! Nicht alle erschließen sich sofort.
Die originellen Illustrationen sehr unterschiedlicher Künstler machen das Buch noch kostbarer. Einige sind eindeutig aus afrikanischer Bildästhetik geboren, andere von Afrikanern europäischer oder indischer Herkunft erstellt worden und einige tragen die Handschrift moderner Kinderbuchillustration. Hier wird auf unaufdringliche Weise ein weltoffenes Südafrika demonstriert, das gerne aufnimmt und lernt und gerne gibt und verschenkt.
HERMANN SCHULZ
NELSON MANDELA: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen. Aus dem Englischen von Matthias Wolf. Mit vielen farbigen Illustrationen. C. H. Beck Verlag 2004. 192 Seiten, 19,90 Euro. Illustration aus Nelson Mandela: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2004Die Weisheit afrikanischer Tiere
Lauter Schöpfungsakte: Nelson Mandelas Lieblingsmärchen
Für die unbestimmte Liebe der übrigen Welt zu Afrika gibt es viele Gründe. Es ist gewiß nicht ganz falsch, zur Erklärung der Faszination sogar eine Art genetischer Bedingtheit anzunehmen: Afrika als Wiege menschlichen Lebens steckt in allen Menschen. Doch auch das ist eine Erkenntnis, die Afrika bietet: Für das Leben dort, wie es sich seit Urzeiten vollzieht, wird der Mensch im Grunde gar nicht benötigt. Wer einmal Zeuge des ewigen Schöpfungsakts in den wenigen Minuten zwischen Nacht und Tag in der wild gebliebenen afrikanischen Natur war, begreift das unmittelbar. Eben noch ist es so finster unter dem Sternenhimmel, daß man kaum die Hand vor Augen erkennen kann, schon färbt sich der Horizont rot. Im Zwielicht nimmt das Land Gestalt an. Flußpferde grunzen, Elefanten trompeten, der Chor der Vögel hebt an. Aus der Ferne weht das Brüllen eines Löwen herüber. Mit ständigem Crescendo nimmt das Konzert der Tiere an Intensität zu. Eine monumentale Symphonie des Werdens entsteht, die bei Sonnenaufgang jäh abbricht. Mit dem Beginn des Tags ist die Schöpfung vollendet.
Es verwundert nicht, daß viele der Erzählungen, die Nelson Mandela als seine Lieblingsmärchen bezeichnet und in einem schönen Buch versammelt hat, von Tieren handeln und von der Schöpfung und daß die meisten von ihnen ganz ohne Menschen auskommen. Nicht erst seit Erich Kästners "Konferenz der Tiere" erscheinen Vier- und Mehrbeiner stilisiert als die eigentlich besseren Menschen. Doch die eher um sich selbst kreisende Weisheit der Tiere in afrikanischen Märchen erschließt sich menschlicher Logik - zumal in der heutigen Zeit - nicht unbedingt auf Anhieb. Mandela schreibt im Vorwort einigermaßen geheimnisvoll: "Eine Geschichte ist eine Geschichte, und deshalb kann man sie so erzählen, wie es der eigenen Phantasie, dem eigenen Wesen oder der jeweiligen Umwelt entspricht." In den Geschichten selbst bleiben viele Motive und Handlungen im Ungefähren, es wird, zum Teil auch stilistisch sehr holprig, mehr geraunt als virtuos fabuliert. Mitunter ballen sich die Klischees wie dunkle Wolken am Gewitterhimmel über der Savanne. Manch eine dieser kurzen Erzählungen, die vom unwiderstehlichen Gesang eines Vogels handeln oder vom Durst der Tiere in der Wüste, bleibt sogar ganz und gar unverständlich. Doch das läßt sich auch als Moment afrikanischer Selbstinszenierung verstehen: Der größte Reiz Afrikas liegt ja seit je gerade in seiner Unergründlichkeit.
Dreißig Märchen sind hier versammelt, einige stammen aus uralten Zeiten, andere sind von zeitgenössischen afrikanischen Autoren den Vorfahren und der Tradition nachträglich in den Mund gelegt; sie sind hier am stärksten von geliehener Weisheit und schlichter Pädagogik geprägt. Die Geschichten stammen aus allen Teilen des Kontinents, wobei der gewiß nicht mythenarme Westen und die orientalisch orientierten Maghreb-Staaten unterrepräsentiert sind, während der Süden - Mandelas Heimat - starkes Übergewicht hat. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft kann man keinen der Texte als besonders bedeutsam oder gut geglückt hervorheben; dazu sind Erzählstruktur und Stil zu gleichförmig.
Insgesamt läßt sich die Sammlung auch als eine Art Mentalitäts-Reader's-Digest der Völker im südlichen Afrika lesen. Dabei wird deutlich, daß die Gemeinsamkeiten etwa zwischen San und Xhosa sowie Kapmalaien und Kapholländern weit stärker ausgeprägt sind als die über Jahrhunderte behaupteten Gegensätze zwischen diesen Völkern. Das Spektrum des Uneinheitlichen im afrikanischen Märchen erscheint zusätzlich geweitet durch die Illustrationen. Sie schlagen wie selbstverständlich Bögen von Felsmalereien der Ureinwohner zur farbgesättigten Symbolik moderner afrikanischer Kunst.
ANDREAS OBST
Nelson Mandela: "Meine afrikanischen Lieblingsmärchen". Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Wolf. Mit Illustrationen verschiedener Künstler. Verlag C. H. Beck, München 2004. 189 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lauter Schöpfungsakte: Nelson Mandelas Lieblingsmärchen
Für die unbestimmte Liebe der übrigen Welt zu Afrika gibt es viele Gründe. Es ist gewiß nicht ganz falsch, zur Erklärung der Faszination sogar eine Art genetischer Bedingtheit anzunehmen: Afrika als Wiege menschlichen Lebens steckt in allen Menschen. Doch auch das ist eine Erkenntnis, die Afrika bietet: Für das Leben dort, wie es sich seit Urzeiten vollzieht, wird der Mensch im Grunde gar nicht benötigt. Wer einmal Zeuge des ewigen Schöpfungsakts in den wenigen Minuten zwischen Nacht und Tag in der wild gebliebenen afrikanischen Natur war, begreift das unmittelbar. Eben noch ist es so finster unter dem Sternenhimmel, daß man kaum die Hand vor Augen erkennen kann, schon färbt sich der Horizont rot. Im Zwielicht nimmt das Land Gestalt an. Flußpferde grunzen, Elefanten trompeten, der Chor der Vögel hebt an. Aus der Ferne weht das Brüllen eines Löwen herüber. Mit ständigem Crescendo nimmt das Konzert der Tiere an Intensität zu. Eine monumentale Symphonie des Werdens entsteht, die bei Sonnenaufgang jäh abbricht. Mit dem Beginn des Tags ist die Schöpfung vollendet.
Es verwundert nicht, daß viele der Erzählungen, die Nelson Mandela als seine Lieblingsmärchen bezeichnet und in einem schönen Buch versammelt hat, von Tieren handeln und von der Schöpfung und daß die meisten von ihnen ganz ohne Menschen auskommen. Nicht erst seit Erich Kästners "Konferenz der Tiere" erscheinen Vier- und Mehrbeiner stilisiert als die eigentlich besseren Menschen. Doch die eher um sich selbst kreisende Weisheit der Tiere in afrikanischen Märchen erschließt sich menschlicher Logik - zumal in der heutigen Zeit - nicht unbedingt auf Anhieb. Mandela schreibt im Vorwort einigermaßen geheimnisvoll: "Eine Geschichte ist eine Geschichte, und deshalb kann man sie so erzählen, wie es der eigenen Phantasie, dem eigenen Wesen oder der jeweiligen Umwelt entspricht." In den Geschichten selbst bleiben viele Motive und Handlungen im Ungefähren, es wird, zum Teil auch stilistisch sehr holprig, mehr geraunt als virtuos fabuliert. Mitunter ballen sich die Klischees wie dunkle Wolken am Gewitterhimmel über der Savanne. Manch eine dieser kurzen Erzählungen, die vom unwiderstehlichen Gesang eines Vogels handeln oder vom Durst der Tiere in der Wüste, bleibt sogar ganz und gar unverständlich. Doch das läßt sich auch als Moment afrikanischer Selbstinszenierung verstehen: Der größte Reiz Afrikas liegt ja seit je gerade in seiner Unergründlichkeit.
Dreißig Märchen sind hier versammelt, einige stammen aus uralten Zeiten, andere sind von zeitgenössischen afrikanischen Autoren den Vorfahren und der Tradition nachträglich in den Mund gelegt; sie sind hier am stärksten von geliehener Weisheit und schlichter Pädagogik geprägt. Die Geschichten stammen aus allen Teilen des Kontinents, wobei der gewiß nicht mythenarme Westen und die orientalisch orientierten Maghreb-Staaten unterrepräsentiert sind, während der Süden - Mandelas Heimat - starkes Übergewicht hat. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft kann man keinen der Texte als besonders bedeutsam oder gut geglückt hervorheben; dazu sind Erzählstruktur und Stil zu gleichförmig.
Insgesamt läßt sich die Sammlung auch als eine Art Mentalitäts-Reader's-Digest der Völker im südlichen Afrika lesen. Dabei wird deutlich, daß die Gemeinsamkeiten etwa zwischen San und Xhosa sowie Kapmalaien und Kapholländern weit stärker ausgeprägt sind als die über Jahrhunderte behaupteten Gegensätze zwischen diesen Völkern. Das Spektrum des Uneinheitlichen im afrikanischen Märchen erscheint zusätzlich geweitet durch die Illustrationen. Sie schlagen wie selbstverständlich Bögen von Felsmalereien der Ureinwohner zur farbgesättigten Symbolik moderner afrikanischer Kunst.
ANDREAS OBST
Nelson Mandela: "Meine afrikanischen Lieblingsmärchen". Aus dem Englischen übersetzt von Matthias Wolf. Mit Illustrationen verschiedener Künstler. Verlag C. H. Beck, München 2004. 189 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 6 J.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Elisabeth von Thadden mag dieses Buch mit den Lieblingsmärchen Nelson Mandelas. Verblüfft zeigt sie sich über die Ähnlichkeiten mit den uns vertrauten Fabeln und Geschichten der Gebrüder Grimm, auch in den afrikanischen Pendants gibt es böse Wölfe, auch hier tanzt Aschenputtel mit dem Prinzen. Was der Rezensentin besonders gefällt, ist die Abwesenheit jeglicher erzieherischen Moral der europäischen Spätaufklärung, der "latente Appell an Gehorsam und Tugend". Die "farbentrunkene" Illustrierung des Bandes findet ein besonderes Lob. Obwohl bei jedem Märchen ein anderer Künstler zu Gange war, seien die Illustrationen doch "wie durch eine Handschrift verbunden". Stets drücke sich in den "flächig konturierten" und in "einfachen, starken" Farben gehaltenen Zeichnungen ein Rest des menschlichen Rätsels aus, dessentwegen Märchen seit Jahrtausenden erzählt würden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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