Meine erste Geschichte der Kunst ist ein wunderbarer Bildband für Kinder und Jugendliche und ein ebenso interessantes Buch für Erwachsene. Es erläutert und betrachtet die großen und beliebtesten Meisterwerke der Kunst behutsam, heiter und sehr konkret. Zugleich werden hier die wichtigen Stile und Epochen illustriert und verständlich nahegebracht. Meine erste Geschichte der Kunst nimmt den Leser mit auf eine leidenschaftliche Reise durch die Kunst aller Epochen, von der Frühgeschichte bis in unsere Tage. Dabei reisen Betrachter und Leser mit dem Auge, dem Verstand und auf den Flügeln ihrer Phantasie. Übersichtliche Tabellen und Zeitachsen vermitteln historische Fakten und Zusammenhänge anschaulich und leicht verständlich.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2009Tanz der Felsengeister
Ein Bilderbuch über 23 000 Jahre Kunst – von der Antike bis zur Moderne. Eine Einführung für Kleine
Das kleine Mammut aus der Schwäbischen Alb, das älteste vollständig erhaltene Kunstwerk in der Geschichte der Menschheit, kommt in Béatrice Fontanels Kunstgeschichte für Kinder nicht vor. Dieses nicht nur die Fachwelt entzückende Wunderding, gerade mal 3,5 cm hoch und dennoch Inbegriff gesammelter Energie, wurde erst in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu spät. Zu jung, trotz seiner 35 000 Jahre, als dass es noch hätte berücksichtigt werden können. So beginnt dieser sehr schön bebilderte Schnelllauf durch 23 000 Jahre Kunst mit dem erheblich später entstandenen ausdruckvollen Köpfchen der Venus von Brassempouy; in der Tat ein Köpfchen, keine zwei Daumenbreiten messend. Aber das wird in der knappen Bildlegende nicht mitgeteilt, auch nicht, dass es aus Elfenbein geschnitzt ist; nur dass es Eigentum des Nationalmuseums für Archäologie in Saint-Germain-en-Laye ist.
Diese Kargheit hat Methode, von der Antike bis zur Moderne, und so muss im Kapitel mit Malerei des ausgehenden 20. Jahrhunderts auch der normal gebildete Erwachsene sich erst mal durchgoogeln, um für Nachfragen zum Beispiel nach einem „Tanz der Felsengeister” eines Künstlers der Aborigines gewappnet zu sein.
Beim Alleinlesen beziehungsweise -schauen, ohne begleitende Hilfe Erwachsener, bleibt Meine erste Geschichte der Kunst ohnehin kaum mehr als ein, wenn auch ambitioniert gestaltetes, didaktisch absichtsvolles Bilderbuch. Wobei freilich die überlebensgroße Bronze des Athleten von Riace nur unerheblich größer erscheint als ein kleines kykladisches Idol. Ein Register am Ende des Buchs hätte da gut getan, für alle die mehr wissen wollen, zumal auch die Texte auf den 49 Doppelseiten, in denen die Kunst von der kleinen Venus bis zu Damien Hirsts diamantenbesetztem Totenschädel abgehandelt wird, zuweilen kaum auf die Abbildungen Bezug nehmen, manchmal auch geradezu ärgerlich bevormunden. Zum Beispiel wenn uns die Autorin zum Thema „Spielarten der Abstraktion” versichert, dass die Gemälde von Pollock, Yves Klein oder Rothko „sich derart in unser Gedächtnis einprägen, dass wir die nicht so leicht vergessen können”.
Was im Übrigen Midjau-Midjawus „Geistertanz” betrifft, so ist der eine rare Ausnahme insofern, als er nicht dem abendländischen Kulturkreis einschließlich Ägypten und Mesopotamien angehört. Die zweite ist Hiroshige Utagawa im Abschnitt „Impressionismus”. Das geht in Ordnung, handelt es sich doch um ein erstes Kunstbuch. Die Auswahl der Künstler (98) und Kunstwerke (141) jedoch ist nicht immer einzusehen: dass zum Beispiel Honoré Daumier mit zwei Bildbeispielen präsent ist, genau so wie Picasso, der sich die Doppelseite mit Braque teilen muss, während der Maler der Revolution Jacques-Louis David ein Kapitel ganz für sich hat. Eine gewisse Vorliebe für Frankreich ist nicht zu übersehen. Die ganz Großen der Kunst wie Giotto, Leonardo, Holbein, Hieronymus Bosch oder Goya werden jedenfalls alle gewürdigt, oft mit Werken außerhalb der Hitliste. Dürer also nicht mit den wohlbekannten Aposteln, sondern mit Radierungen und zwei Selbstporträts, Rembrandt zwar mit der „Nachtwache”, aber auch mit dem Gemälde eines geschlachteten Ochsen und einem Selbstbildnis.
Vollkommen ist eine Auswahl nie, kann auch diese nicht sein, und zwangsläufig müssen die auf keine 100 Zeilen pro Kapitel beschränkten Texte vereinfachen. Doch wird diese Vereinfachung noch einmal potenziert, zum Prinzip erhoben in den die Farbpalette der jeweils vorgestellten Werke aufgreifenden Kapitelüberschriften mit ihrer Vorliebe zur Alliteration. „Die Mönche haben Muskelkater” – vom Buchmalen natürlich, Expressionisten schneiden „Groteske Grimassen” (im Graugrün aus der düsteren Farbpalette des George Grosz gedruckt) und Vincent van Gogh tritt in Gelborange auf als „genial und geisteskrank”. Derart unterfordern sollte man kein Kind. ELISABETH BAUSCHMID
Béatrice Fontanel
Meine erste Geschichte
der Kunst
Aus dem Französischen von Odile Kennel und Simone Kinateder. Dumont 2009. 112 Seiten. 19,95 Euro.
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Ein Bilderbuch über 23 000 Jahre Kunst – von der Antike bis zur Moderne. Eine Einführung für Kleine
Das kleine Mammut aus der Schwäbischen Alb, das älteste vollständig erhaltene Kunstwerk in der Geschichte der Menschheit, kommt in Béatrice Fontanels Kunstgeschichte für Kinder nicht vor. Dieses nicht nur die Fachwelt entzückende Wunderding, gerade mal 3,5 cm hoch und dennoch Inbegriff gesammelter Energie, wurde erst in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu spät. Zu jung, trotz seiner 35 000 Jahre, als dass es noch hätte berücksichtigt werden können. So beginnt dieser sehr schön bebilderte Schnelllauf durch 23 000 Jahre Kunst mit dem erheblich später entstandenen ausdruckvollen Köpfchen der Venus von Brassempouy; in der Tat ein Köpfchen, keine zwei Daumenbreiten messend. Aber das wird in der knappen Bildlegende nicht mitgeteilt, auch nicht, dass es aus Elfenbein geschnitzt ist; nur dass es Eigentum des Nationalmuseums für Archäologie in Saint-Germain-en-Laye ist.
Diese Kargheit hat Methode, von der Antike bis zur Moderne, und so muss im Kapitel mit Malerei des ausgehenden 20. Jahrhunderts auch der normal gebildete Erwachsene sich erst mal durchgoogeln, um für Nachfragen zum Beispiel nach einem „Tanz der Felsengeister” eines Künstlers der Aborigines gewappnet zu sein.
Beim Alleinlesen beziehungsweise -schauen, ohne begleitende Hilfe Erwachsener, bleibt Meine erste Geschichte der Kunst ohnehin kaum mehr als ein, wenn auch ambitioniert gestaltetes, didaktisch absichtsvolles Bilderbuch. Wobei freilich die überlebensgroße Bronze des Athleten von Riace nur unerheblich größer erscheint als ein kleines kykladisches Idol. Ein Register am Ende des Buchs hätte da gut getan, für alle die mehr wissen wollen, zumal auch die Texte auf den 49 Doppelseiten, in denen die Kunst von der kleinen Venus bis zu Damien Hirsts diamantenbesetztem Totenschädel abgehandelt wird, zuweilen kaum auf die Abbildungen Bezug nehmen, manchmal auch geradezu ärgerlich bevormunden. Zum Beispiel wenn uns die Autorin zum Thema „Spielarten der Abstraktion” versichert, dass die Gemälde von Pollock, Yves Klein oder Rothko „sich derart in unser Gedächtnis einprägen, dass wir die nicht so leicht vergessen können”.
Was im Übrigen Midjau-Midjawus „Geistertanz” betrifft, so ist der eine rare Ausnahme insofern, als er nicht dem abendländischen Kulturkreis einschließlich Ägypten und Mesopotamien angehört. Die zweite ist Hiroshige Utagawa im Abschnitt „Impressionismus”. Das geht in Ordnung, handelt es sich doch um ein erstes Kunstbuch. Die Auswahl der Künstler (98) und Kunstwerke (141) jedoch ist nicht immer einzusehen: dass zum Beispiel Honoré Daumier mit zwei Bildbeispielen präsent ist, genau so wie Picasso, der sich die Doppelseite mit Braque teilen muss, während der Maler der Revolution Jacques-Louis David ein Kapitel ganz für sich hat. Eine gewisse Vorliebe für Frankreich ist nicht zu übersehen. Die ganz Großen der Kunst wie Giotto, Leonardo, Holbein, Hieronymus Bosch oder Goya werden jedenfalls alle gewürdigt, oft mit Werken außerhalb der Hitliste. Dürer also nicht mit den wohlbekannten Aposteln, sondern mit Radierungen und zwei Selbstporträts, Rembrandt zwar mit der „Nachtwache”, aber auch mit dem Gemälde eines geschlachteten Ochsen und einem Selbstbildnis.
Vollkommen ist eine Auswahl nie, kann auch diese nicht sein, und zwangsläufig müssen die auf keine 100 Zeilen pro Kapitel beschränkten Texte vereinfachen. Doch wird diese Vereinfachung noch einmal potenziert, zum Prinzip erhoben in den die Farbpalette der jeweils vorgestellten Werke aufgreifenden Kapitelüberschriften mit ihrer Vorliebe zur Alliteration. „Die Mönche haben Muskelkater” – vom Buchmalen natürlich, Expressionisten schneiden „Groteske Grimassen” (im Graugrün aus der düsteren Farbpalette des George Grosz gedruckt) und Vincent van Gogh tritt in Gelborange auf als „genial und geisteskrank”. Derart unterfordern sollte man kein Kind. ELISABETH BAUSCHMID
Béatrice Fontanel
Meine erste Geschichte
der Kunst
Aus dem Französischen von Odile Kennel und Simone Kinateder. Dumont 2009. 112 Seiten. 19,95 Euro.
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