Marktplatzangebote
21 Angebote ab € 1,00 €
  • Gebundenes Buch

Ein junger Mann, völlig unerfahren, zart, scheu, keusch, streng autoritär erzogen, begegnet zufällig einer Frau in den besten Jahren, mit mehr als bunter Vergangenheit, groß, stark und dominant. Hingerissen von seiner altmodischen Unschuld, reißt sie den Auserwählten aus der elterlichen Obhut , und es kommt zu einer überstürzten Vermählung. Ein bizarres Paar findet zusammen, bei dem alles, aber auch alles verkehrt funktioniert. Mit diesem Roman wollte der tschechische Erzähler und Dramatiker Pavel Kohout sich selbst, wie er sagt, "endlich etwas wirklich Heiteres bescheren."

Produktbeschreibung
Ein junger Mann, völlig unerfahren, zart, scheu, keusch, streng autoritär erzogen, begegnet zufällig einer Frau in den besten Jahren, mit mehr als bunter Vergangenheit, groß, stark und dominant. Hingerissen von seiner altmodischen Unschuld, reißt sie den Auserwählten aus der elterlichen Obhut , und es kommt zu einer überstürzten Vermählung. Ein bizarres Paar findet zusammen, bei dem alles, aber auch alles verkehrt funktioniert. Mit diesem Roman wollte der tschechische Erzähler und Dramatiker Pavel Kohout sich selbst, wie er sagt, "endlich etwas wirklich Heiteres bescheren."
Autorenporträt
Pavel Kohout, geb. 1928 in Prag, ist als Dramatiker und Schriftsteller international bekannt geworden. Als einer der Wortführer des 'Prager Frühlings' wurde er 1969 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Kohout lebt heute in Wien und Prag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.1998

Die starken Arme von Liliane
Die Welt ist ein Irrenhaus, und hier ist die Zentrale: Pavel Kohouts Schelmenroman / Von Eva Menasse

Ein tschechisches Irrenhaus, nach der Wende. Fünf Pavillons, darin alle jene, die an der neueren tschechischen Geschichte verrückt geworden sind. Im Garten von Pavillon eins haben sich ein paar Opas Schützengräben ausgehoben und spielen Erster Weltkrieg: Die einen fühlen sich nach wie vor als Masaryk-Legionäre, die anderen als treue Untertanen Kaiser Franz Josephs. Im Pavillon zwei wird der Zweite Weltkrieg kuriert: "Dort verlassen die Patienten unter Tränen die tschechischen Verteidigungsbunker an der Grenze, denunzieren sich dann gegenseitig bei der Gestapo und bestrafen am Schluß die Deutschen, indem sie sie zwingen, mit Zahnbürsten die Toiletten zu scheuern. Im dritten Pavillon gibt es kommunistische Aufmärsche, wo zuerst alle zu einer eingebildeten Tribüne emporwinken, sich darauf gegenseitig als Verräter verurteilen, anschließend amnestieren und gleich wieder Aufmarsch spielen. Am heitersten, so heißt es, geht es im vierten Pavillon zu: "Da unterzeichnet man abwechselnd die Charta 77 und die Anticharta, dann klingeln alle einträchtig mit den Schlüsseln und besaufen sich mit Bier." Der fünfte Pavillon ist der neueste: Dort werden die pleite gegangenen Kapitalisten eingeliefert, die daran irre geworden sind, daß sie ungeschickter gestohlen haben als die anderen. Bald nach seiner Eröffnung wurde in diesem Pavillon eine kommunistische Partei gegründet.

Pavel Kohout, der dieses Irrenhaus beschrieben, aber bestimmt nicht zur Gänze erfunden hat, könnte in den drei mittleren Pavillons einsitzen. Der Theater- und Prosaschriftsteller und ehemalige Dissident ist heute siebzig Jahre alt: Als Elfjähriger hat er die deutsche Annexion seines Heimatlandes erlebt, als Sechzehnjähriger, mit nichts als einem Helm bewaffnet, am sogenannten Prager Aufstand teilgenommen. Dann kam die kommunistische Machtübernahme, der Prager Frühling und dessen Ende. Gemeinsam mit Václav Havel verfaßte Kohout das Gründungsdokument der Charta 77; 1978 emigrierte er nach Wien. Von da sah er den Kommunismus doch noch fallen: Heute lebt er als "Städtebigamist", wie er sagt ("Bis auf Frau und Hund habe ich alles zweimal"), in Wien und Prag.

Man könnte also sagen: Das einzige, was in Mitteleuropa Bestand hat, ist der Umbruch; und Pavel Kohout ist genau der Richtige, das darzustellen. Für dieses Vorhaben konnte er eigentlich nur den etwas aus der Mode gekommenen Schelmenroman wählen - die Geschichten, die Kohout in "Meine Frau und ihr Mann" erzählt, hätten jede andere Form gesprengt.

Vilém Rosol, ein parzivalesker Tor, ein tschechischer Simplicissimus, von seinen fanatisch religiösen Eltern in absoluter Unschuld und Unwissenheit gehalten, fällt der wilden Helikon-Bläserin Liliane in die Arme und später zum Opfer. Erst jedoch bricht eine phantastische Zeit für den Jungen an: Liliane führt ihn in die körperliche Liebe ein, überlistet die strengen, aber weltfremden Eltern und heiratet ihn. Daß sie bei der Trauung für ihn das Jawort spricht, sagt alles über die Beziehung aus.

So weit der erste Teil, der nur ein Schelmenstück wäre, kennte man seine Entstehungsgeschichte nicht: Kohout schrieb diese Beziehungskomödie Anfang der siebziger Jahre, "als man begann, uns regelmäßig zu verhaften", wie er sich im Interview erinnert. Jene aufmüpfigen Schriftsteller, aus denen heute zum Großteil Politiker und Botschafter geworden sind, verfaßten damals zur gegenseitigen Belustigung Geschichten und lasen sie im privaten Rahmen vor. Daran, dieses Manuskript zu veröffentlichen, dachte Kohout damals nicht: Seine Freunde lachten darüber zu laut, und für öffentliche Späße schienen ihm die Verhältnisse zu ernst.

Vor vier Jahren entdeckte Kohouts Frau Jelena das Fragment in der Wiener Wohnung - da war die Zeit reif, es fertigzuschreiben. Spielt der erste Teil im realen Sozialismus, so ist im zweiten der reale Kapitalismus über die Tschechen hereingebrochen, so überfallartig wie die gierige, untreue Frau über den naiven, blutarmen Jüngling.

Im ersten Teil ist die Welt noch übersichtlich: Alle halten einander in einem ausgewogenen System der Bedrohung in Schach, nur die besonders Skrupellosen wie Rosols Frau können sich kleine Vergünstigungen zusätzlich herausreißen. Im zweiten Teil beginnen sich die Verhältnisse zu überschlagen. Der dumme Vilém muß über Nacht erwachsen werden, denn seine promiske Frau hat ihn verstoßen und seine Eltern, die den jüngsten Umsturz seelisch nicht verkraftet haben, sind im Irrenhaus. Zum ersten Mal hält er eigenes Geld in der Hand und versucht, ein Taxi zu nehmen. Vom ersten Fahrer wird er, wie von allen weiteren, in einer ihm fremden Sprache höflich angesprochen und darauf verjagt. Er lernt daraus, daß in Prag die Taxifahrer nur Ausländer mitnehmen. So öffnet er Taxitüren nur noch mit den demütigen Worten: "Ich bin aber nur ein Tscheche", bis sich ein Mährer seiner erbarmt, der ihn aber gleich um sein ganzes Geld erleichtert.

In dieser Art geht es weiter. Von einem schmierigen Exkommunisten namens Václav Husák wird berichtet, dessen erste Tat nach der Wende eine Namensänderung ist. Er nennt sich nun "Havel", ein einfacher, in Böhmen verbreiteter Name, wie es heißt, und zieht daraus schamlosen Nutzen.

Da werden in ehemaligen Nonnenklöstern Stundenhotels eröffnet, Schweinehälften von einer Fleisch-Mafia in Leichenwagen transportiert und Firmen mit dem Namen "United Pigs Ltd" gegründet. Als private Leibwächter der neuen Politiker fungieren die ehemaligen kommunistischen Geheimpolizisten - das hat den Vorteil, daß man einander schon lange kennt. In der Tiefgarage unter dem Nationaltheater wird etwas in Betrieb genommen, was man wohl "Swinger-Club" nennt: Säuberlich nach Geschlechtern getrennt, findet die tschechische Prominenz Einlaß in stockdunkle Räume, wo jeder mit jedem sich vergnügen kann, wofür "United Pigs" unverschämt abkassiert.

Pavel Kohouts zehnter Roman handelt von der Gier nach Sex, Geld und persönlichem Vorteil, die hemmungslos und fiebrig ausbricht nach Jahrzehnten unnatürlicher Ruhe unter der Diktatur. Mit den politischen Fesseln entledigen sich die Tschechen gleich auch der paar moralischen Schranken, die sie noch vom sogenannten fortschrittlichen Westen getrennt haben.

Das Buch, das übrigens, wäre es allein nach dem Autor gegangen, "Der Frau und die Mann" hätte heißen sollen, funktioniert perfekt nach dem Königsprinzip der Satire: die Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit zu verzerren. Je toller die Blüten, die die Geschichte treibt, je unwahrscheinlicher und absurder die Ereignisse, desto geneigter wird der Leser, das alles als stimmige Details einer kohärenten Welt anzusehen. Und desto klarer wird, daß sich einer da nur die Tatsachen zum Vorbild genommen hat, weil sich einen solchen Wahnsinn niemand ausdenken kann. Wenn wir also ehrlich sind, ist es doch so: Die Welt ist ein Irrenhaus. Der Rest ist nur eine Frage des Pavillons.

Pavel Kohout: "Meine Frau und ihr Mann". Eine Beichte. Aus dem Tschechischen übersetzt von Karl-Heinz Jähn. Albrecht Knaus Verlag, München 1998. 284 S., geb., 36,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr