Ein hinreißend humorvolles Buch über den Traum vom eigenen Haus.
Frühmorgens um fünf liegt ein Mann schlaflos im Bett und wackelt unschlüssig mit den Zehen. Soll er, oder soll er nicht? Soll er seiner Frau Pia und seinen drei Kindern den größten Wunsch erfüllen? Ein eigenes Haus im Grünen: Das ist der Traum seiner Familie. Leider ist das aber genau das, was er nicht will, denn er liebt das Leben in der Stadt, in einer Altbauwohnung in der Nähe von Kinos und Kneipen. Schließlich überwindet er seine Widerstände und trifft eine mutige Entscheidung: Er baut selbst ein Haus. Und eigentlich wäre das ein großartiges Abenteuer - wenn es nicht von haarsträubenden Widrigkeiten, absurden Begegnungen und dem heimlichen Wunsch begleitet wäre, sich aus dem Staub zu machen. Natürlich bleibt der Mann und stellt sich seiner zehenwackelnden Schlaflosigkeit und den Kernfragen des Lebens. Zum Beispiel nach den richtigen Fliesen im Bad. Die herzerwärmende Geschichte einer wunderbaren Familie: charmant und liebenswert!
Frühmorgens um fünf liegt ein Mann schlaflos im Bett und wackelt unschlüssig mit den Zehen. Soll er, oder soll er nicht? Soll er seiner Frau Pia und seinen drei Kindern den größten Wunsch erfüllen? Ein eigenes Haus im Grünen: Das ist der Traum seiner Familie. Leider ist das aber genau das, was er nicht will, denn er liebt das Leben in der Stadt, in einer Altbauwohnung in der Nähe von Kinos und Kneipen. Schließlich überwindet er seine Widerstände und trifft eine mutige Entscheidung: Er baut selbst ein Haus. Und eigentlich wäre das ein großartiges Abenteuer - wenn es nicht von haarsträubenden Widrigkeiten, absurden Begegnungen und dem heimlichen Wunsch begleitet wäre, sich aus dem Staub zu machen. Natürlich bleibt der Mann und stellt sich seiner zehenwackelnden Schlaflosigkeit und den Kernfragen des Lebens. Zum Beispiel nach den richtigen Fliesen im Bad. Die herzerwärmende Geschichte einer wunderbaren Familie: charmant und liebenswert!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.2010Mann mit Haus
Viele träumen von einem Haus im Grünen. Gerhard Matzig baute sich eins und schrieb ein Buch, das von den Abgründen des gebauten Glücks handelt
Große gesellschaftliche Umbrüche manifestieren sich immer in Dingen und Formen. In der Mode. In Autos. Und vor allem in der Architektur, bei den Antworten, die Architekten, Bauherren, die Gesellschaft auf die Frage geben, wie wir miteinander leben wollen.
Wenn man durch Wohnzeitschriften der alten Bundesrepublik blättert, könnten die Formen, die "Glück" dort annimmt, nicht unterschiedlicher sein: 1954 wohnt das junge Paar am Stadtrand in einem Spitzdachhaus, die Frau steht am neuen Herd und bereitet einen deftigen Braten für die Familie, der Vater, mit dicker Brille und Wohlstandsbauch ausgestattet, poliert im Vorgarten den üppigen Chrom am Opel Rekord. Zehn Jahre später gilt das Spitzdachhaus ebenso wie der mit Stolz davor geparkte Wagen fast schon als Gipfel der Spießigkeit - das junge Paar trinkt nun lieber gemeinsam Martini unterm Flachdach: 1964 lebt man immer noch im Vorort, jetzt aber in einem schicken Bungalow.
Danach entwächst die Generation, die mit Seitenscheitel und Kleidchen im Spitzdachhaus groß wurde, der Vorstadt und will nichts weniger als ein Haus im Grünen: 1974 erfordert der Alles-ist-möglich-Wohnstil der Wohngemeinschaften weitgehende Hypotheken- und Möbelfreiheit - das Leben sollte idealerweise in einen Koffer passen, in "Schöner Wohnen" sitzt man nun auf Matten und weichen Kissen. Und noch mal zehn Jahre später hat sich die Wohnwiese aufgelöst, die Coolness der achtziger und frühen neunziger Jahre brachte mehr Singlehaushalte mit Backsteinwänden denn je hervor: Im Zeitalter von Yuppiewelt und Wallstreetkarrieren wird auch die Wohnwelt kälter und disziplinierter. Man liegt auf beinharten Futons, man hat keine Zeit am grünen Stadtrand zu vertrödeln, einzig angemessene Wohnform ist der Loft mit Fitnessgerät und New-York-Skylinetapete.
Schöner leben
Und dann? Kam das Spitzdach zurück. Als Teil einer neuen Ästhetik des Coolen. In Ludwigsburg vor Stuttgart machten die Architekten Bottega und Ehrhardt im Jahr 2000 den grausamen Versuch, das Spitzdach neu zu definieren: Sie betonierten es kurzerhand mit ein und schufen so einen kriegsbunkerartigen Klotz: Das Spitzdach hier war eine Vorschrift der Baubehörde, der Bauherr wollte aber Flachdach und unspießig, entstanden ist der Albtraum unter den Mehrfamilienhäusern: Ein schweres und zu allem Überfluss braunverputztes Hochsicherheitsgebäude - das aber viel über seine Zeit verriet.
Denn es war nach 2001 eine Zeit angebrochen, die sich durch kollektive Hysterie (das Boot ist voll; die Globalisierung macht unsere kleinen Betriebe kaputt; alles potentielle Attentäter da draußen; und jetzt noch die Schweinegrippe) und ein gleichzeitiges Bedürfnis nach Gemütlichkeit und Cocooning auszeichnete; und in dem Moment, in dem es für die meisten ökonomisch immer schwerer wurde, sich den Traum einer eigenen Immobilie zu erfüllen, sprossen die Fernsehsendungen nur so aus dem Boden, in denen die geerbten, heruntergekommenen Häuser den armen Besitzern aus den Händen gerissen und von Leuten wie Tine Wittler vollsaniert wurden.
Und bis heute assoziieren überzeugte Stadtmenschen mit Vororten entweder die kleinbürgerliche Spießerödnis oder die nicht viel weniger trübselige, ereignislose Eleganz menschenleerer Villenviertel, wo höherer Nachwuchs im Celebrity-Leisure-Look beim Ausparken unschöne Dellen in den Cayenne fährt. Ist es vorbei mit dem Traum vom Leben im Grünen? Ökologisch spricht alles dagegen: Ein Mensch, der in Deutschland siebzig wird, verbringt fast vier Jahre seines Lebens im Auto oder im Zustand des Unterwegsseins. Und eine Familie mit drei Kindern braucht zwei Autos, rechnet Pendlerpauschalen aus, dazu kommen die Energie- und Instandhaltungskosten. Das Wohnen am Stadtrand wird einfach zu teuer, von den Grundstückspreisen einmal ganz abgesehen: Ein Mensch mit mittlerem Einkommen kann sich, entgegen dem Versprechen der alten, untergegangenen Bundesrepublik, das gar nicht mehr leisten. Eigentlich.
Dass es trotzdem funktionieren kann, wollte der Architekt Andreas Meck zeigen. Er entwarf für den Architekturkritiker der "Süddeutschen Zeitung", Gerhard Matzig, ein Einfamilienhaus mit Spitzdach - und der hat darüber ein fröhliches, selbstironisches Sachbuch geschrieben. Weil der Bauherr sich kein größeres Grundstück leisten konnte, ist dieses Haus nur vier Meter achtzig breit, ungemein grazil und wirkt ein bisschen wie eine Mischung aus dem kleinen Schwarzen und einem Gartenschuppen. Man denkt an die Ästhetik der von dem französischen Architekturtheoretiker Marc-Antoine Laugier 1753 beschriebenen "Urhütte": Vier Baumstämme bilden ihr Grundrissquadrat, schräge Äste das Spitzdach, aller barocker Zinnober sollte weggelassen werden. Freiheit durch Reduktion aufs Wesentliche: Das war es, was Laugier wollte. Einen Neuanfang mit ganz einfachen Formen. "Das schmale Haus" von Meck ist eine Neuinterpretation des Einfamilienhauses für Zeiten, in denen sich das kaum einer mehr leisten kann. Eine moderne Version der Urhütte.
In ihr wohnt einer, der zu jener bundesrepublikanischen Spezies gehört, die nie eine Hütte haben wollte. Matzig, der Hausherr des Ensembles aus Rasen, Fahrradschuppen und Hütte in Haute-Couture-Architektur, war einmal ein richtiger Stadtmensch. Für ihn zählt das Einfamilienhaus zur größten Lebenslüge der Welt. Wie er dann trotzdem im Eigenheim im Münchner Vorort gelandet ist, erzählt er in seinem Buch. Seine Nächte waren schlaflos, er rang zehenwackelnd mit sich: Stadtrand oder zentraler Altbau, Garten oder Balkon, Eigenheim oder Mietvertrag, Reihenhaushälfte oder Architektenhaus, Hund oder Meerschweinchen - und diese Fragen gehen natürlich über das Bauen, über die Frage nach dem richtigen Gefäß fürs Leben hinaus und stellen die Frage nach diesem Leben. Danach, was in dem schockhaften biographischen Moment passiert, an dem man das Meer der Möglichkeiten, die Reihe schnell aufzugebender Wohnungen und Beziehungen verlassen und sich festlegen muss: Auf eine Frau. Eine Familie. Ein Haus. Das Glück im Singular.
Schmaler wohnen
Der Autor durchlebte die klassische, ziemlich spießige Spießerangst vor dem Spießerdasein, der viele Menschen in der Mitte ihres Lebens erliegen. Er wusste: Beim Bauen geht schief, was schiefgehen kann, schiefer Estrich, pfuschende Bauarbeiter, Nachbarn, die klagen, und natürlich stimmt das, was der Architekt als Preis ausgerechnet hat, gar nicht, alles wird teurer. Und dann, wenn das überstanden ist: Ehekrieg. Heulende Kinder. Statistisch gesehen trennen sich die meisten Paare noch beim Bauen.
Und doch lebt Matzig dem Vernehmen nach glücklich im wohl schmalsten Haus Deutschlands, zusammen mit seiner Frau und drei Kindern unter einem Spitzdachhaus - und es sieht nicht spießig aus. Warum?
Weil es eben fast kein Haus mehr ist. Die Not - zu wenig Geld, ein "richtiges", dickes, normales Haus auf eine Wiese zu stellen - hat hier eine Form hervorgebracht, die man als positive Krisenästhetik bezeichnen kann. Das Haus ist so schmal, dass es fast wie ein Waggon aussieht, so, als könne man es hinten an das Auto dranhängen und bis nach Süditalien ziehen. Eigentlich sieht es eher wie eine Mobilie aus als wie eine Immobilie.
Deutsche müssen sich an derartige Enge erst noch gewöhnen - in Japan wäre ein derartige Grundfläche geradezu Platzverschwendung. Der Architekt Tadao Ando baute in Osaka das Kanamori-Haus mit einer Rekordbreite von neunzig Zentimetern. Der Held in Matzigs Buch bekommt von Architektenseite zu hören: "Natürlich kann man auch in dieser Breite ein wunderschönes Haus bauen. Sie müssen nur ihr Leben ändern."
MASCHA KUCHEJDA
Gerhard Matzig: "Meine Frau will einen Garten". Goldmann, 256 Seiten, 17,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Viele träumen von einem Haus im Grünen. Gerhard Matzig baute sich eins und schrieb ein Buch, das von den Abgründen des gebauten Glücks handelt
Große gesellschaftliche Umbrüche manifestieren sich immer in Dingen und Formen. In der Mode. In Autos. Und vor allem in der Architektur, bei den Antworten, die Architekten, Bauherren, die Gesellschaft auf die Frage geben, wie wir miteinander leben wollen.
Wenn man durch Wohnzeitschriften der alten Bundesrepublik blättert, könnten die Formen, die "Glück" dort annimmt, nicht unterschiedlicher sein: 1954 wohnt das junge Paar am Stadtrand in einem Spitzdachhaus, die Frau steht am neuen Herd und bereitet einen deftigen Braten für die Familie, der Vater, mit dicker Brille und Wohlstandsbauch ausgestattet, poliert im Vorgarten den üppigen Chrom am Opel Rekord. Zehn Jahre später gilt das Spitzdachhaus ebenso wie der mit Stolz davor geparkte Wagen fast schon als Gipfel der Spießigkeit - das junge Paar trinkt nun lieber gemeinsam Martini unterm Flachdach: 1964 lebt man immer noch im Vorort, jetzt aber in einem schicken Bungalow.
Danach entwächst die Generation, die mit Seitenscheitel und Kleidchen im Spitzdachhaus groß wurde, der Vorstadt und will nichts weniger als ein Haus im Grünen: 1974 erfordert der Alles-ist-möglich-Wohnstil der Wohngemeinschaften weitgehende Hypotheken- und Möbelfreiheit - das Leben sollte idealerweise in einen Koffer passen, in "Schöner Wohnen" sitzt man nun auf Matten und weichen Kissen. Und noch mal zehn Jahre später hat sich die Wohnwiese aufgelöst, die Coolness der achtziger und frühen neunziger Jahre brachte mehr Singlehaushalte mit Backsteinwänden denn je hervor: Im Zeitalter von Yuppiewelt und Wallstreetkarrieren wird auch die Wohnwelt kälter und disziplinierter. Man liegt auf beinharten Futons, man hat keine Zeit am grünen Stadtrand zu vertrödeln, einzig angemessene Wohnform ist der Loft mit Fitnessgerät und New-York-Skylinetapete.
Schöner leben
Und dann? Kam das Spitzdach zurück. Als Teil einer neuen Ästhetik des Coolen. In Ludwigsburg vor Stuttgart machten die Architekten Bottega und Ehrhardt im Jahr 2000 den grausamen Versuch, das Spitzdach neu zu definieren: Sie betonierten es kurzerhand mit ein und schufen so einen kriegsbunkerartigen Klotz: Das Spitzdach hier war eine Vorschrift der Baubehörde, der Bauherr wollte aber Flachdach und unspießig, entstanden ist der Albtraum unter den Mehrfamilienhäusern: Ein schweres und zu allem Überfluss braunverputztes Hochsicherheitsgebäude - das aber viel über seine Zeit verriet.
Denn es war nach 2001 eine Zeit angebrochen, die sich durch kollektive Hysterie (das Boot ist voll; die Globalisierung macht unsere kleinen Betriebe kaputt; alles potentielle Attentäter da draußen; und jetzt noch die Schweinegrippe) und ein gleichzeitiges Bedürfnis nach Gemütlichkeit und Cocooning auszeichnete; und in dem Moment, in dem es für die meisten ökonomisch immer schwerer wurde, sich den Traum einer eigenen Immobilie zu erfüllen, sprossen die Fernsehsendungen nur so aus dem Boden, in denen die geerbten, heruntergekommenen Häuser den armen Besitzern aus den Händen gerissen und von Leuten wie Tine Wittler vollsaniert wurden.
Und bis heute assoziieren überzeugte Stadtmenschen mit Vororten entweder die kleinbürgerliche Spießerödnis oder die nicht viel weniger trübselige, ereignislose Eleganz menschenleerer Villenviertel, wo höherer Nachwuchs im Celebrity-Leisure-Look beim Ausparken unschöne Dellen in den Cayenne fährt. Ist es vorbei mit dem Traum vom Leben im Grünen? Ökologisch spricht alles dagegen: Ein Mensch, der in Deutschland siebzig wird, verbringt fast vier Jahre seines Lebens im Auto oder im Zustand des Unterwegsseins. Und eine Familie mit drei Kindern braucht zwei Autos, rechnet Pendlerpauschalen aus, dazu kommen die Energie- und Instandhaltungskosten. Das Wohnen am Stadtrand wird einfach zu teuer, von den Grundstückspreisen einmal ganz abgesehen: Ein Mensch mit mittlerem Einkommen kann sich, entgegen dem Versprechen der alten, untergegangenen Bundesrepublik, das gar nicht mehr leisten. Eigentlich.
Dass es trotzdem funktionieren kann, wollte der Architekt Andreas Meck zeigen. Er entwarf für den Architekturkritiker der "Süddeutschen Zeitung", Gerhard Matzig, ein Einfamilienhaus mit Spitzdach - und der hat darüber ein fröhliches, selbstironisches Sachbuch geschrieben. Weil der Bauherr sich kein größeres Grundstück leisten konnte, ist dieses Haus nur vier Meter achtzig breit, ungemein grazil und wirkt ein bisschen wie eine Mischung aus dem kleinen Schwarzen und einem Gartenschuppen. Man denkt an die Ästhetik der von dem französischen Architekturtheoretiker Marc-Antoine Laugier 1753 beschriebenen "Urhütte": Vier Baumstämme bilden ihr Grundrissquadrat, schräge Äste das Spitzdach, aller barocker Zinnober sollte weggelassen werden. Freiheit durch Reduktion aufs Wesentliche: Das war es, was Laugier wollte. Einen Neuanfang mit ganz einfachen Formen. "Das schmale Haus" von Meck ist eine Neuinterpretation des Einfamilienhauses für Zeiten, in denen sich das kaum einer mehr leisten kann. Eine moderne Version der Urhütte.
In ihr wohnt einer, der zu jener bundesrepublikanischen Spezies gehört, die nie eine Hütte haben wollte. Matzig, der Hausherr des Ensembles aus Rasen, Fahrradschuppen und Hütte in Haute-Couture-Architektur, war einmal ein richtiger Stadtmensch. Für ihn zählt das Einfamilienhaus zur größten Lebenslüge der Welt. Wie er dann trotzdem im Eigenheim im Münchner Vorort gelandet ist, erzählt er in seinem Buch. Seine Nächte waren schlaflos, er rang zehenwackelnd mit sich: Stadtrand oder zentraler Altbau, Garten oder Balkon, Eigenheim oder Mietvertrag, Reihenhaushälfte oder Architektenhaus, Hund oder Meerschweinchen - und diese Fragen gehen natürlich über das Bauen, über die Frage nach dem richtigen Gefäß fürs Leben hinaus und stellen die Frage nach diesem Leben. Danach, was in dem schockhaften biographischen Moment passiert, an dem man das Meer der Möglichkeiten, die Reihe schnell aufzugebender Wohnungen und Beziehungen verlassen und sich festlegen muss: Auf eine Frau. Eine Familie. Ein Haus. Das Glück im Singular.
Schmaler wohnen
Der Autor durchlebte die klassische, ziemlich spießige Spießerangst vor dem Spießerdasein, der viele Menschen in der Mitte ihres Lebens erliegen. Er wusste: Beim Bauen geht schief, was schiefgehen kann, schiefer Estrich, pfuschende Bauarbeiter, Nachbarn, die klagen, und natürlich stimmt das, was der Architekt als Preis ausgerechnet hat, gar nicht, alles wird teurer. Und dann, wenn das überstanden ist: Ehekrieg. Heulende Kinder. Statistisch gesehen trennen sich die meisten Paare noch beim Bauen.
Und doch lebt Matzig dem Vernehmen nach glücklich im wohl schmalsten Haus Deutschlands, zusammen mit seiner Frau und drei Kindern unter einem Spitzdachhaus - und es sieht nicht spießig aus. Warum?
Weil es eben fast kein Haus mehr ist. Die Not - zu wenig Geld, ein "richtiges", dickes, normales Haus auf eine Wiese zu stellen - hat hier eine Form hervorgebracht, die man als positive Krisenästhetik bezeichnen kann. Das Haus ist so schmal, dass es fast wie ein Waggon aussieht, so, als könne man es hinten an das Auto dranhängen und bis nach Süditalien ziehen. Eigentlich sieht es eher wie eine Mobilie aus als wie eine Immobilie.
Deutsche müssen sich an derartige Enge erst noch gewöhnen - in Japan wäre ein derartige Grundfläche geradezu Platzverschwendung. Der Architekt Tadao Ando baute in Osaka das Kanamori-Haus mit einer Rekordbreite von neunzig Zentimetern. Der Held in Matzigs Buch bekommt von Architektenseite zu hören: "Natürlich kann man auch in dieser Breite ein wunderschönes Haus bauen. Sie müssen nur ihr Leben ändern."
MASCHA KUCHEJDA
Gerhard Matzig: "Meine Frau will einen Garten". Goldmann, 256 Seiten, 17,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieter Bartetzko hat die Beleuchtung der Frage, warum sich der Mensch immer wieder für den Traum vom Eigenheim im Grünen abrackert und dafür jede Menge Unglück in Kauf nimmt, durch Gerhard Matzig mit großem Vergnügen und, wie es scheint, wiederholtem einverstandenem Nicken gelesen. Die "Wonne" bei der Lektüre liegt laut Rezensent nicht zuletzt darin, dass der Autor - als Architekturkritiker und Ehemann intimer Kenner der Materie - sich seinem Sujet mit Ironie und lakonischer Abgeklärtheit nähert. Bartetzko zeigt sich von den stilistischen Eigenheiten des Buches sehr angetan, dessen Genauigkeit und Ton ihn positiv an die Satiren von Simon Borowiak erinnern.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Matzigs hochamüsante Erlebnisse zwischen Maklerterminen und Fliesenauswahl liest TV-Moderator Dieter Moor mitreißend schwungvoll."