Zwei Frauen erzählen einander alles, was sie bewegt: Sie sprechen über Freundschaft und Liebe, über die Schönheit des Alltäglichen, die Einsamkeit und die Anonymität der Großstadt. Doch wer ist Annabel Lee, die Freundin der Ich-Erzählerin, eigentlich? Ist es ihre Geliebte? Oder doch nur eine japanische Porzellanfigur, benannt nach der Heldin des schwermütigen Gedichts von Edgar Allan Poe? Oder handelt es sich am Ende um ein Selbstgespräch?Mary MacLanes Roman lässt all das elegant in der Schwebe. Das literarische Können der Autorin, die 1902 mit ihrem ungestümen Debüt »Ich erwarte die Ankunft des Teufels« für Furore sorgte, zeigt sich hier von einer zarten und melancholischen Tonart.Nachdem MacLanes Werk zwischenzeitlich völlig in Vergessenheit geraten war, wird es seit einigen Jahren wiederentdeckt und in immer mehr Sprachen übersetzt. Die deutsche Erstübersetzung ihres Debüts von Ann Cotten stand 2020 auf Platz 1 der SWR-Bestenliste, der Süddeutschen Zeitung galt sie als »die literarische Wiederentdeckung der Saison«, und die NZZ urteilte: »Die Autorin wird schreibend zu ihrem eigenen Kunstwerk.«
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Auch mit ihrem zweiten Buch hält Mary McLane die Rezensentin Angela Schader in ihrem Bann, auch wenn die amerikanische Autorin darin radikal mit ihrem furiosen Erstling "Ich erwarte die Ankunft des Teufels" breche, der hundertzwanzig Jahre nach seinem Erscheinen auch auf Deutsch herauskam. In "Meine Freundin Annabel Lee" zeigt sich McLane weniger rebellisch und exuberant, erklärt Schader, vielmehr gebe sie hier einer fundamentalen Einsamkeit Ausdruck, die auch ihr früher Ruhm nicht lindern konnte: Annabel Lee ist eine Porzellanfigurine, Gegenüber und Selbstprojektion zugleich, eine "Advokatin der Bitternis", mit der sich die Erzählerin intellektuelle und emotionale Scharmützel liefert. Rezensentin Schader findet in diesem Buch keine durchgehende Handlung, vermisst sie aber auch nicht angesichts dieser lose verbundene Reihe von extravaganten Streiflichtern, poetischen Denkstücken und "Bildern von magischer Schönheit".
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ungleich weniger rebellisch und exuberant als der Erstling, aber wie dieser von bestechender, irritierender Eigenart.« Neue Zürcher Zeitung, 14.07.2021