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Volle Kraft voraus: Sven Regener unterwegs.
Sven Regener, Musiker und Literat (oder umgekehrt), Sänger von Element of Crime und Verfasser der Herr-Lehmann-Trilogie, hat über einen Zeitraum von fünf Jahren für die verschiedensten Internet-Plattformen die dialogreichsten und witzigsten Logbücher verfasst, die je bei Fahrten durch die stürmischen Meere und stehenden Gewässer des Lebens entstanden sind. Denn was einmal in die Regener'sche Durchdenkmaschine hineingeraten ist, kommt nicht ungeschoren wieder heraus, und so sind wir dabei, wenn Regener auf der Suche nach einer…mehr

Produktbeschreibung
Volle Kraft voraus: Sven Regener unterwegs.

Sven Regener, Musiker und Literat (oder umgekehrt), Sänger von Element of Crime und Verfasser der Herr-Lehmann-Trilogie, hat über einen Zeitraum von fünf Jahren für die verschiedensten Internet-Plattformen die dialogreichsten und witzigsten Logbücher verfasst, die je bei Fahrten durch die stürmischen Meere und stehenden Gewässer des Lebens entstanden sind. Denn was einmal in die Regener'sche Durchdenkmaschine hineingeraten ist, kommt nicht ungeschoren wieder heraus, und so sind wir dabei, wenn Regener auf der Suche nach einer »Arno-Schmidt-Gesellschaft« über die Frankfurter Buchmesse stolpert, auf Element of Crime-Tournee in einen Paranoia-Rausch gerät, in Nashville, Tennessee, das Batman Building von der falschen Seite fotografiert, Österreich und Deutschland miteinander versöhnt oder Busfahrer Udos Meinung über den Hersteller der Wuppertaler Schwebebahn unter die Leute bringt (»Murks Aus Nürnberg«).

Und dann ist da auch noch Hamburg-Heiner, Freund, Feind, Kritiker und Einpeitscher zugleich, der fast täglich anruft, um Regener gedanklich auf Kurs zu halten, etwa mit einem Streit über die korrekte Notation von »O Tannenbaum« oder einer Diskussion über die Bedeutung österreichischer Herrschaft über Hamburg-Altona in den Jahren 1864-1866.

Liest man die Logbücher alle auf einen Schlag, dann bemerkt man plötzlich, dass da etwas ganz Eigenes entstanden ist, ein Hybrid zwischen Tagebuch und Roman, ein Seemannsgarn in der Tradition der großen Fabulierer und Schwadronierer, der Quatschköppe und Knalltüten, oder wie Hamburg-Heiner es sagen würde: »Wenn schon Jahrhundert, dann ja wohl das 18.!«
Autorenporträt
Sven Regener ist Musiker (Element of Crime) und Schriftsteller. Seine Romane Herr Lehmann (2001), Neue Vahr Süd (2004), Der kleine Bruder (2008), Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt (2013), Wiener Straße (2017) und Glitterschnitter (2021) waren allesamt Bestseller. Sie wurden verfilmt und in viele Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Diesen Schelmenroman im Mantel des Tourtagebuchs hat Rezensent Till Briegleb gern gelesen. Nicht unbedingt mit großen Einsichten in Sven Regeners Privat- oder Musikerleben en Detail oder in stilistisches Raffinement, aber das macht nichts. Entschädigt wurde unser Rezensent durch Kurzweil und Komik und kultivierten Spott über eher banale Erlebnisse aus dem heutigen Kulturbetrieb. Und durch die Bekanntschaft mit Hamburg Heiner, jener von Regener erdachten, real existierenden nervtötenden Nörgler-Figur, die hier zu neuen Ehren kommt, wenn wir Briegleb anhören. Als nimmermüde Korrektoren-Instanz in Sachen gutes Blogging.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Kein Wort über Königgrätz

Sven Regener hat seine Blogs gesammelt. "Meine Jahre mit Hamburg-Heiner" sind ein geniales Hybrid zwischen Roman und Tagebuch - und das lustigste Buch dieses Frühlings.

Von Sarah Elsing

Sven Regener, dem Autor der legendären Herr-Lehmann-Trilogie und Sänger der Band Element of Crime, ist nicht ganz klar, was das mit dem Bloggen überhaupt soll, als berlin.de im Sommer 2005 auf die Idee kommt, er solle die Erlebnisse der letzten zehn Tage vor dem Erscheinen der neuen Element of Crime-Platte in einem eigenen Blog festhalten. "Das ist Promo", erklärt Thorsten von Universal, der Regener ein halbes Jahr später auch noch einen Advents-Blog auf Zuender.zeit.de aufnötigt. Sven Regener erinnert sich an eine schreckliche Jubiläumssendung beim SFB, bei der er sich mit Otto Sander ordentlich die Kante gegeben habe. Alle zehn Minuten sei Sander aufgestanden und für die Kameras durch den Saal gelaufen. Damals habe er verstanden, was "Promo" sei.

Als "Promo" könnte man gewissermaßen das ganze Buch bezeichnen, das Regener jetzt unter dem Titel "Meine Jahre mit Hamburg-Heiner" herausgebracht hat, denn es besteht nur aus Blogs. Neben dem berlin.de- und dem Advents-Blog gibt es einen Blog über die "Element-of-Crime-Tour" 2007, einen Blog über einen Band-Ausflug nach Nashville und Blogs mit den irreführenden Titeln "Sex auf der Buchmesse", "VÖ heißt nicht Vorderes Österreich", "Die letzte U-Bahn geht später" und "Männer mit Spielplan". Alle hat Regener von 2005 bis 2010 seiner Plattenfirma zu Liebe geschrieben. Doch zum Glück entsteht, wenn man diese Blogs am Stück liest, kein schlaffes "Promo"-Flickwerk, sondern ein literarisch hochinteressantes Hybrid zwischen Tagebuch und Roman und ein echter Regener, der ja bereits mit "Herr Lehmann" (2001), "Neue Vahr Süd" (2004) und "Der kleine Bruder" Leser wie Rezensenten begeisterte.

Über was überhaupt schreiben, fragt sich der Autor zu Beginn. "Wenn man wenigstens eine anständige Verschwörungstheorie am Start hätte, irgend so einen total doofen Quark, den man jetzt unter die Leute bringen könnte, oder eine total bescheuerte, von keiner Ahnung getrübte Meinung." Dieses anfängliche Fremdeln mit dem Medium überwindet Regener mit der Erfindung des alten Kumpels "Hamburg-Heiner", kurz "HH", mit dessen Hilfe er ein Element einführt, das dem Wesen des Blogs eigentlich fremd ist, das der Autor aber beherrscht wie kein Zweiter: Dialoge, die wohl zu den absurdesten und witzigsten der deutschen Gegenwartsliteratur gehören.

Immer wenn das Blog an Schwung zu verlieren droht, wenn auch die nebensächlichsten Themen (Erdnüsse auf Bussitzen, Off-Tage, Psycho-Kämpfe mit FRK, dem "Frühstücksraum-Kellner") ironisch durchgenudelt sind und nicht einmal sinnlose Essens- oder Schuhfotografie mehr weiterhelfen, ruft plötzlich Hamburg-Heiner an. Mit ihm diskutiert Sven dann das Wahngebilde, das die Firma Windel dazu brachte, das schöne Lied "O Tannenbaum" in ihrem Gesangsheftchen "by windel for unicef" im 4/4- und nicht im Ÿ-Takt zu notieren. Hamburg-Heiner meint: "Wenn schon Jahrhundert, dann das 18." Firm ist Hamburg-Heiner auch in Konsumkritik ("Vielleicht ist der Flowery Golden Tippy Orange Pekoe First Flush von Starbucks auch ein Parteiprogramm.") und Stilkritik: "HH: Das ist mir aber jetzt schon aufgefallen, dass du neuerdings das ,sich' in deiner Prosa auf eine Weise hintanstellst, wie es nur adornobesessene Kulturwissenschaftler der früher 80er Jahre noch sich trauten, Freund! Sven: Man könnte tagelang damit sich vergnügen, es würde auf Dauer aber als prätentiös sich entlarven, fürchte ich. Deshalb mal was anderes: Wirst du heute Abend in der Altersdorfer Sporthalle sein?" Unter dem Titel "Ohne Roger ist alles Asche!" fragen sich die beiden im Buchmessen-Blog, wo die legendäre "Arno-Schmidt-Gesellschaft" ihren Stand hat, die eigentlich unter dem Kopfschmerz-Kürzel "ASS", "Arno-Schmidt-Stiftung", firmiert. Hamburg-Heiner glaubt, die ASS-Leute hätten nach der Lektüre des Regener-Blogs die Flucht ergriffen. Sven darauf: "So wirkmächtig, Kamerad, so wirkmächtig kann ein Blog nicht sein."

Und doch verfolgt Regener mit seinem "VÖ heißt nicht Vorderes Österreich"-Blog für standard.at das nicht unehrgeizige Ziel, erstens dem ß wieder zu mehr Geltung zu verhelfen und zweitens Österreich und Deutschland endlich miteinander auszusöhnen. Der Österreich-Blog ist Regeners witzigster, weil knackigster Blog von allen. Hier übertrumpft ein Kalauer den anderen, der Running Gag "Kein Wort über Königgrätz" wird bis an die Grenze des Wahnsinns ausgereizt, und auch Hamburg-Heiner läuft zur Höchstform auf. Von meisterlich lakonischer Komik sind auch die kleinen Stadtporträts, mit denen Regener den Österreichern Deutschland als Urlaubsland näherbringen will. Glanzlicht der Regenerschen Schwachsinnsfotografie - die er geschickt als Übertragung des "Eisensteinschen Montage-Prinzips" auf die Digitalfotografie tarnt - ist die verwackelte Fotostrecke "Samba-Karnevals-Straßenbahnfahrt" durch die Wintertristesse von Bremer Ausfallstraßen.

Was am Ende all dieser Blogs heraus kommt, ist eine äußerst amüsant und überdies natürlich klug zu lesende Aneinanderreihung von Nonsense, wie wir ihn bereits aus den Dialogen des Herrn Lehmann mit seinen Kreuzberger Bierphilosophen kennen. Oder, wie Regener es nennt: "The endless Streams of Laber". Deshalb greift Hamburg-Heiner immer wieder ordnend ein: "Sven! Schluss jetzt! Du hast einen Laberflash! Das will doch kein Mensch lesen!" Da müssen wir vehement widersprechen: Doch, wollen wir!

Sven Regener: "Meine Jahre mit Hamburg-Heiner".

Logbücher.

Galiani Verlag, Berlin 2011. 432 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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