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Das Reisejournal des großen französischen Romanciers Émile Zola (1840-1902) aus dem Jahr 1894 ist eine brillante historisch-politische Momentaufnahme von hellwacher Intellektualität und präziser Beobachtungsgabe. Die uralte Stadt der Päpste soll sich in eine moderne europäische Hauptstadt verwandeln: Diese gewaltige Metamorphose beobachtet Zola in allen Details und lässt sich dabei immer wieder von der Schönheit römischer Szenen und Panoramen überwältigen.

Produktbeschreibung
Das Reisejournal des großen französischen Romanciers Émile Zola (1840-1902) aus dem Jahr 1894 ist eine brillante historisch-politische Momentaufnahme von hellwacher Intellektualität und präziser Beobachtungsgabe. Die uralte Stadt der Päpste soll sich in eine moderne europäische Hauptstadt verwandeln: Diese gewaltige Metamorphose beobachtet Zola in allen Details und lässt sich dabei immer wieder von der Schönheit römischer Szenen und Panoramen überwältigen.
Autorenporträt
Emile Zola (1840-1902) war Dockarbeiter, Verlagsangestellter und Journalist. 1898 protestierte er gegen die Verurteilung von A. Dreyfus, mußte ins Exil nach England und kehrte nach einem Jahr amnestiert und gefeiert zurück. Sein Hauptwerk ist der 20bändige Romanzyklus 'Les Rougon-Macquart'.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.01.2015

Die Kohleaugen des Papstes
Im Herbst 1894 fuhr Émile Zola nach Italien, um in Rom zu recherchieren:
Sein nun erstmals übersetztes Reise-Notizbuch zeigt, wie man einen Hauptstadtroman vorbereitet
VON GUSTAV SEIBT
Das späte 19. Jahrhundert war schon so gedenktagversessen und geschäftstüchtig wie unsere Zeit. 1895 war der 25. Jahrestag der Eroberung Roms durch die Italiener und damit der Abschluss der Einigung Italiens zu feiern. Und dazu gedachte Émile Zola, der prominenteste französische Schriftsteller der Epoche, einen seiner umfangreichen, maximal wirklichkeitsnahen Romane vorzulegen. Nur ein halbes Jahr vor dem Veröffentlichungstermin reiste er für sechs Wochen nach Rom, um die vorbereitenden Arbeiten zu erledigen, also das, was Heimito von Doderer später spöttisch „Zolaisieren“ nannte. Am 31. Oktober 1894 reiste das Ehepaar Zola mit dem Zug an, am 15. Dezember verließ es die Stadt wieder.
  Im Gepäck auf der Heimfahrt war ein prall gefülltes Notizbuch mit Eindrücken, Stimmungsbildern, Ortsbeschreibungen, Gesprächsprotokollen, Zahlen und Einfällen. Die 800 Seiten des Romans „Rome“ entstanden danach in wenigen Wochen. Sie verdünnten mit einer figurenreichen, knallig dramatisierten Handlung den dicken Faktensirup, den Zola im rastlosen Terminwirbel seiner römischen Wochen destilliert hatte. Überall war er gewesen, in den Slums, die sich in den halbfertigen Bauruinen nach einem Immobiliencrash gebildet hatten, beim Königspaar im Quirinal, in der Abgeordnetenkammer, in den Arbeitszimmern von Finanz- und Unterrichtsminister, in großen Zeitungsredaktionen, auf dem Land – glühende Sonnenuntergänge beleuchten eine rückständige Landwirtschaft, der zur selben Zeit auch Werner Sombart eine berühmte Studie widmete –, im ehemaligen jüdischen Ghetto, an den Baustellen der neuen Tiberkais, bei päpstlichen Fürsten und beim neuen Beamtenadel des jungen Königreichs.
  Alles musste geprüft werden: Wie ist der Stellung der Frauen? Wovon lebt die große Stadt? Wie ist das Verhältnis der Religion zu den neuen Verhältnissen? Das war sogar der Hauptpunkt, denn Zola legte seinen Rom-Roman als Mittelteil einer Trilogie an, die nach der Religion in der zeitgenössischen Gesellschaft insgesamt fragte. Drei Städte sollten dafür stehen: Lourdes für das Elend, das die Menschen Hilfe und Trost suchen lässt, Rom für die Religion als Macht- und Kultsystem, Paris für eine Modernisierung, die ein zu seinem Ursprung zurückkehrendes Christentum mit den Idealen des Sozialismus versöhnt.
  Diese großartige Trilogie wurde mehrfach ins Deutsche übersetzt, aber bisher fehlte das Tagebuch der römischen Recherche-Reise, das in Frankreich längst den Ruf hat, durch seine dokumentarische Anlage dem ausgeführten Roman an Modernität überlegen zu sein. Und wirklich sind diese verdichteten, zwischen künstlerischem Selbstgespräch, impressionistischer Farbenskizze und geschichtsphilosophischem Zeitkommentar ausgespannten Notizen eine denkbar inspirierende Lektüre – vielleicht vor allem jetzt für deutsche Leser, die ja immer vergleichen können: Wie sähe eine entsprechende Recherche in ihrer heutigen Hauptstadt ein Vierteljahrhundert nach einer ähnlichen Epochenwende aus?
  Man imaginiere sich einen amerikanischen Großschriftsteller, der einige Wochen in Berlin zwischen Neukölln und Bundestag, zwischen alten Stasi-Offizieren und jungen Schriftstellerinnen herumwanderte! Hätte Zola, der ein passionierter Fotograf war, ein Smartphone besessen, er hätte ganz gewiss Gebrauch davon gemacht. Gott sei Dank aber hatte er nur Stift und Papier, denn das zwang ihn, in Worten zu malen, um das Panorama Roms vom Gianicolo aus festzuhalten, verfallende Häuser in den Tiber bröckeln zu lassen oder die Düsternis eines spiegelglatten Vulkansees am Grund eines laubumschlossenen Kraters vor Augen zu bringen.
  Noch faszinierender ist das Zolaisieren im engeren Sinn, die detektivische Recherche. Der politisch verdächtige Franzose schaffte es nicht, zum Papst vorgelassen zu werden, umso eindringlicher sind seine Studien zu dessen Umgebung und Alltag: Der Papst hat Kohleaugen wie Voltaire, weiß er, er gleicht einer matt schimmernden Alabasterlampe, sein Gewand ist fleckig vom Tabakschnupfen, seine Tafel frugal. Wo hebt er sein Geld auf? Zola weiß es. Wo ist sein Klosett? Zola will es wissen. Genau schaut er sich Grundrisse an und vergleicht sie bei seinen spionageartigen Besuchen im Vatikan, denn er muss den nächtlichen Besuch seines Helden, des sozial engagierten, idealistischen Priesters Pierre beim Papst so glaubwürdig wie möglich ausgestalten. Das sollte der Höhepunkt des Romans werden, und ja: Das gelang.
  Bewundernswert sind Zolas Fähigkeiten als Soziologe und politischer Diagnostiker. Eine italienisch-französische Finanzkrise, die sich aus einer Immobilienblase entwickelte, analysiert er ebenso fachmännisch wie den unglücklichen Sozialaufbau der Hauptstadt, die einen wirtschaftlich maroden Adel, eine verwahrloste, arbeitslose Unterschicht, aber kein Bürgertum aufweist. Dass Italien sich mit Rom und seinen historischen Erbschaften eine unselige Bürde aufgeladen hat, erkennt Zola mit visionärem Scharfsinn.
  Würde das moderne, demokratische Rom sich ebenso vom imperialen Erbe verderben lassen wie das Papstchristentum oder würde es der Machtversuchung widerstehen? Das schien Zola die entscheidende Frage für die Zukunft Italiens. Rom sei, so notierte er beunruhigt, „eine Stadt, deren Schicksal es wäre, alles aus ihr Hervorgehende in einen Akt des Stolzes zu wenden, als eine Errungenschaft, eines Weltreichs würdig, hinzustellen“, um noch hinzuzufügen: „Und das Desaster, wenn es schiefgeht.“ Genau dieses Desaster trat ein. Italien wollte Imperium werden, beteiligte sich ohne Not am Ersten Weltkrieg, wurde danach faschistisch. Zola wäre davon nicht überrascht gewesen.
  Schade, dass dieses schön gemachte Buch zwar ein kundiges Nachwort von Hanns-Josef Ortheil, ein paar Abbildungen, aber nicht das wichtigste Hilfsmittel hat, um seine Empirie zu erschließen: ein Namensregister.
Émile Zola: Meine Reise nach Rom. Aus dem Französischen von Helmut Moysich. Mit einem Nachwort von Hanns-Josef Ortheil. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2014. 270 Seiten, 24 Euro.
Vielleicht sind die Notizen dieses
Tagebuchs dem Rom-Roman,
dem sie dienten, sogar überlegen
Zola, der ein leidenschaftlicher
Fotograf war, bannte, was er sah,
ins Objektiv der Sprache
Papst Leo XIII. in seiner Sänfte auf dem Weg zur Messe: Émile Zola schaffte es nicht, zu ihm vorgelassen zu werden.
Foto: Süddeutsche Zeitung
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Endlich sind die Notizen Emile Zolas seiner sechswöchigen Reise nach Rom im Jahre 1894 auch ins Deutsche übersetzt worden, freut sich Rezensent Gustav Seibt. Begeistert stürzt sich der Kritiker auf die umfangreiche Lektüre von Stimmungsbildern, Gesprächsprotokollen, Eindrücken, Ideen und Ortsbeschreibungen, die Zola hier für seinen großen Hauptstadtroman "Rome" sammelte. Seibt reist mit Zola durch Slums, die sich nach dem Immobiliencrash bildeten, schaut in die Arbeitszimmer von Finanz- und Unterrichtsminister, jüdische Ghettos und Zeitungsredaktionen, und liest mit besonderer Neugier, was Zola aus dem Umfeld des Papstes zusammentrug. Nicht zuletzt bewundert Seibt die brillante Mischung aus kenntnisreichem Hintergrundwissen, künstlerischen Selbstgesprächen und "impressionistischen Farbenskizzen". Neben dem lesenswerten Nachwort Hanns-Josef Ortheils hätte er sich allerdings auch ein Namensregister gewünscht.

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