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Charlie Chaplin, das Jahrhundertgenie, hat Millionen von Menschen bewegt, gefesselt, inspiriert. Jede Generation entdeckt ihn in seinen zeitlosen Filmen von neuem: als einen der ihren. In Meine Reise zu Chaplin erzählt Patrick Roth, wie er vor genau 27 Jahren - als 22jähriger Filmstudent - dem Meister wortwörtlich "von der Leinwand" eines verfallenden Kinos in Los Angeles "bis vor die Schweizer Haustür" nach Vevey gefolgt war. Meine Reise zu Chaplin ist die Geschichte einer Begeisterung. Im Encore seiner Erzählung geht Roth die Reiseroute "nochmals" ab. Dieses Buch erzählt von der Suche nach…mehr

Produktbeschreibung
Charlie Chaplin, das Jahrhundertgenie, hat Millionen von Menschen bewegt, gefesselt, inspiriert. Jede Generation entdeckt ihn in seinen zeitlosen Filmen von neuem: als einen der ihren. In Meine Reise zu Chaplin erzählt Patrick Roth, wie er vor genau 27 Jahren - als 22jähriger Filmstudent - dem Meister wortwörtlich "von der Leinwand" eines verfallenden Kinos in Los Angeles "bis vor die Schweizer Haustür" nach Vevey gefolgt war.
Meine Reise zu Chaplin ist die Geschichte einer Begeisterung. Im Encore seiner Erzählung geht Roth die Reiseroute "nochmals" ab. Dieses Buch erzählt von der Suche nach einer magisch-konkreten Begegnung mit diesem großen Mann. Ein Liebesbrief auch an Chaplins Film Lichter der Großstadt und die für Roth darin so zentrale Szene, den "heiligsten Moment der Filmgeschichte", das Ereignis einer Berührung zwischen dem Tramp und dem ehemals blinden Blumenmädchen.
Autorenporträt
Patrick Roth wurde am 25. Juni 1953 in Freiburg im Breisgau geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Nach dem Abitur im Jahr 1971 ging er für ein Sprachstudium nach Paris und widmete sich in den dortigen Kinos einem intensiven privaten Filmstudium. Ab 1974 studierte er Anglistik, Germanistik und Romanistik an der Universität Freiburg im Breisgau. 1975 kam er - ausgestattet mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Los Angeles, wo er Anglistik und Filmwissenschaft studierte und bis 2012 lebte. In dieser Zeit entstanden erste Drehbücher und Short Stories. 1979 realisierte er mit der Produktionsfirma Mythograph den Kurzfilm "The Boxer", 1980 die Literaturverfilmung "The Killers" nach der gleichnamigen Geschichte aus dem Band "South Of No North" von Charles Bukowski. Von 1982 bis 1984 nahm er Schauspielunterricht bei dem Film- und Theaterregisseur Daniel Mann und schrieb Einakter für seine Schauspielklasse. Mitte der achtziger Jahre kehrte Roth zur deutschen Sprache zurück und schrieb eine Reihe von Hörspielen und Theaterstücken, die er teilweise selbst in Deutschland inszenierte. Im Sommersemester 2008 und 2012 lehrte er im Rahmen einer Poetik-Dozentur an der Universität Hildesheim. Für sein literarisches Schaffen wurde Patrick Roth vielfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1997

Näher, mein Charlie, zu dir
Patrick Roth feiert einen Komiker / Von Christoph Bartmann

Alles beginnt im Dunkeln", so heißt der erste Satz in diesem Buch, in dem Patrick Roth Zeugnis ablegt von seiner ungewöhnlichen, ja "unmäßigen" Begeisterung für das Werk von Charles Spencer Chaplin. Alles beginnt im Dunkeln, die frühen Erinnerungen ebenso wie der Film. Als Fünfjährigen, erinnert sich Roth, habe man ihn auf den Rat der Großmutter trotz hohen Fiebers "Chaplin kucken" lassen; das tue ihm sicher gut, meinte sie. "Schon in Chaplins Namen", erinnert er sich weiter, "erschien uns Schnelligkeit mit Komik gemischt". CHAP-lin, das habe ihm onomatopoetisch soviel bedeutet wie "kleiner Streich". Und zwar "Streiche, die Spuren hinterlassen", unter anderem im eigenen Leben. Acht Jahre später betet er eine Quintanerin an, weil sie Geraldine Chaplin in "Doktor Schiwago" so ähnlich sieht. Weitere neun Jahre danach übergibt ihm, unter einem Chaplin-Poster, eine Freiburger Anglistik-Professorin die Bewerbungsformulare für ein Amerika-Stipendium. Und damit sind die Weichen für die Reise zu Chaplin schon gestellt.

Patrick Roths kurzweiliges, aber ambitioniertes Buch erzählt im wesentlichen davon, wie er als zweiundzwanzigjähriger Filmstudent den verehrten Meister in dessen Schweizer Villa aufsuchte, ihn dort zwar nicht zu Gesicht bekam, aber dennoch überglücklich wieder abreiste. Sehr viel passiert demnach nicht auf den knapp hundert Seiten dieser Erzählung. In seinem feierlichen Ton und der großen Schrifttype, seiner manchmal umständlichen Lauterkeit und der fallweise hymnisch aufbrausenden Begeisterung erinnert "Meine Reise zu Chaplin" ein wenig an Peter Handkes "Versuche". Wie Handke handelt Roth von Stunden der wahren Empfindung.

Im Untertitel nennt sich sein Buch "Ein Encore". Das ist auch ein Hinweis auf ein Kino gleichen Namens, in dem der Student aus Deutschland einst in Hollywood sein Evidenz-Erlebnis mit Chaplins "City Lights" hatte. Der Kinobesuch wirft eine Lebensplanung um und läßt eine Wallfahrt fällig werden. In diesem Augenblick beschließt nämlich der junge Mann, nach Ablauf seines Stipendiums nicht nach Deutschland zurückzukehren. Und er faßt den noch kühneren Entschluß, bald den greisen Chaplin zu besuchen. "Damals", schreibt Patrick Roth, "hätte ich mich vor jeden Gott gewagt." Also macht er sich am Neujahrstag 1976 auf nach Vevey, seinen Gott, wenn schon nicht zu sehen, dann zu fühlen. Er will einen Brief übergeben, den er im Zug aufgesetzt hat - "vor seinem Haus zu stehen und zu warten, dabei zu wissen, daß die geschriebenen Zeilen . . . mich - auch nur für Sekunden - in sein Bewußtsein schließen könnte, diese Gleichzeitigkeit-mit-ihm war das Ziel". Dieser junge Mann ist anscheinend ein Fan und ein Mystiker zugleich.

"Ich hatte ihn" - Chaplin - "mit Numinosem versehen", konstatiert der Erzähler und nennt seinen Umgang mit dem Idol "vermessen". Solche vorsätzliche Vermessenheit begleitet den Weg dieses Autors schon seit längerem. Auch in seiner früheren Erzähl-Trilogie "Riverside", "Johnny Shines" und "Corpus Christi" wagte sich Patrick Roth vor und an einen Gott. Diese Bücher handeln von der Reinigung der Aussätzigen und der Wiedererweckung der Toten. Es sind "Christusnovellen", die im Heiligen Land spielen oder in der Wüste von Nevada. Sie schöpfen ihre Inspiration gleichermaßen aus den Korintherbriefen wie aus John Fords "Der Mann, der Liberty Valance erschoß".

Patrick Roths aus den Verheißungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie und dem Geist der christlichen Offenbarung eigentümlich amalgamierte Phantasie zögert nicht, auch Chaplin das Attribut der Heiligkeit zuzusprechen. Die Schlußsequenz aus "City Lights", erklärt er, sei für ihn der "heiligste Moment der Filmgeschichte". Deshalb erzählt er ihn fiebrig stammelnd, aber hellsichtig nach. Jenen Moment nämlich, in dem der Tramp und das blinde Blumenmädchen einander wiedererkennen. Ein solches Erkennen, in dem Figuren und Zuschauer fühlend sehen, was gar nicht zu sehen war, kommt für Roth einer "Totenerweckung" gleich. "The visual is denied", kommentiert er die Szene: "Das ist das Große. Das Sehen wird zurückgewiesen, vom Seher, Chaplin. Dem Medium, in dem er arbeitet, wird widersprochen. Und Eingang geschaffen einem anderen, Größeren."

Die amerikanische Freundin, der er dies alles erklärt, versteht erwartungsgemäß kein Wort ("Heartbreak City, so what?"). Wir, die mit der schwierigen Gedankenwelt Patrick Roths offenbar eher vertraut sind, ahnen dagegen, daß hier beinahe eine Definition dessen geliefert wird, was den Autor umtreibt: Ihm schwebt eine Kunst vor, die uns an die Schwelle des Numinosen führt, um sich dann von ihm widersprechen zu lassen; eine Kunst also, die sich vor dem verneigt, was mächtiger ist als sie. "Im höchsten Moment", so Roth, verneint sie ihre eigenen Mittel, gibt auf - und geht damit übers Ziel."

Ob der alte Chaplin dem jungen Pilger bei dessen Exegese hätte folgen können? Wahrscheinlich hätte Roths theologische Lesart seines Films auch einem Chaplin im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte Rätsel aufgegeben. Immerhin hat er sich den Brief, den ihm der Besucher hatte übergeben lassen, von seiner Frau Oona vorlesen lassen und, nach Auskunft seines Butlers, darüber geweint. Chaplins Antwort, sie ist auf der letzten Seite des Buches abgedruckt, fiel kürzer aus. Unter einem Porträtfoto stehen drei Wörter: "Thank you letter" und seine Unterschrift: Charlie Chaplin.

Patrick Roth: "Meine Reise zu Chaplin. Ein Encore". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 98 S., geb., 28,- DM.

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"Patrick Roth schafft es, uns durch Leidenschaft und Kalkül, durch intimes Erzählen und kluge Konstruktion zugleich zu verführen, uns mit auf die 'Reise zu Chaplin' zu nehmen." (Hubert Winkels, Die Zeit)
»ein sehr eindrücklicher literarischer Text« (Manuela Reichart, Deutschlandradio Kultur, 16.09.2013)