Der Autor nimmt uns mit auf die abenteuerliche Weltreise seiner Fleeceweste und zeigt uns, wie sich die Globalisierung auf den Alltag der Menschen auswirkt. So lesen wir etwa von den reichen Menschen in Dubai, die das Erdöl für den Fleecestoff verkaufen und sich zu ihrem Vergnügen mitten in der Wüste eine Skihalle errichtet haben. Von den armen Menschen in Bangladesch, die dem harten Arbeitsleben in der Textilindustrie ausgeliefert sind. Von den riesigen Containerschiffen, die die Weltmeere nach Fahrplan durchqueren. Von dem Autor in Deutschland, der die Fleeceweste nach zwei Jahren in den Altkleidercontainer wirft. Und von dem Senegalesen Adrame, der die Weste schließlich trägt, während er mit anderen Flüchtlingen auf einem kleinen Fischerboot im Atlantik treibt. Die Weltreise einer Fleeceweste macht Hintergründe und Zusammen hänge der Globalisierung begreifbar, zeigt eindrucksvoll die Ungerechtigkeit des Welthandels - und lässt den nächsten Klamottenkauf mit Sicherheit kritischer ausfallen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2009Öl aus Dubai
Der Handel rund um die Welt
Ist die Globalisierung wirklich die Ursache für Elend und Armut in der sogenannten Dritten Welt? Nicht moralische Entrüstung, sondern das Wissen, wie die Weltwirtschaft funktioniert, kann diese Frage beantworten. Wolfgang Korn zeigt in seinem Sachbuch Die Weltreise einer Fleece-Weste, dass mit einer fiktiven Geschichte, die aber die realen Fakten über den Welthandel als Gerüst für die Handlung verwendet, schon eine Menge Informationen geliefert werden können. Zum Beispiel über die Handelswege der Containerschiffe auf den Weltmeeren, – wie das Öl aus Dubai nach Bangladesch verschifft wird, um hier das Polyester zu gewinnen, aus dem der Stoff der Weste hergestellt wird, die dann, geschneidert in einer Textilfabrik, den Weg in den Containerhafen nach Hamburg nimmt. Wenn sie dann Jahre später ausgemustert wird, gelangt sie über eine Kleidersammlung nach Afrika.
Doch an all diese Orten, auf der Raffinerie und den Containerschiffen, in der Kleiderfabrik in Bangladesch und im Warenhaus in Hannover, in dem die Weste verkauft wird, arbeiten Menschen, deren Schicksal eng mit der globalisierten Wirtschaft verbunden ist. Viele von ihnen sind die Verlierer dieses Systems, die Näherin in Bangladesch zum Beispiel, die unter gefährlichen Bedingungen – immer wieder stürzen die schlampig gebauten Gebäude ein – arbeiten muss, von ihrem geringen Lohn lebt ihre ganze Familie. Oder die Arbeiter in der Polyester-Fabrik, deren Generalstreik niedergeschlagen wird.
Aber sind die reichen Industrienationen, die die Bedingungen der Globalisierung diktieren, wirklich die Sieger? Am Schluss erreicht die Fleeceweste mit einem Bootsflüchtling aus Senegal wieder Europa. Der hofft, hier die Arbeit zu finden, die die EU durch ihre Subventionspolitik in seinem Land verhindert. „Muss die Geschichte so enden? Nein, das muss nicht sein! Wir können dafür sorgen, dass sich einige Dinge ändern.”
(ab 12 Jahre) ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
WOLFGANG KORN: Die Weltreise einer Fleece-Weste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung. Mit Illustrationen von Birgit Jansen. Bloomsbury 2008. 168 Seiten, 14,90 Euro
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Der Handel rund um die Welt
Ist die Globalisierung wirklich die Ursache für Elend und Armut in der sogenannten Dritten Welt? Nicht moralische Entrüstung, sondern das Wissen, wie die Weltwirtschaft funktioniert, kann diese Frage beantworten. Wolfgang Korn zeigt in seinem Sachbuch Die Weltreise einer Fleece-Weste, dass mit einer fiktiven Geschichte, die aber die realen Fakten über den Welthandel als Gerüst für die Handlung verwendet, schon eine Menge Informationen geliefert werden können. Zum Beispiel über die Handelswege der Containerschiffe auf den Weltmeeren, – wie das Öl aus Dubai nach Bangladesch verschifft wird, um hier das Polyester zu gewinnen, aus dem der Stoff der Weste hergestellt wird, die dann, geschneidert in einer Textilfabrik, den Weg in den Containerhafen nach Hamburg nimmt. Wenn sie dann Jahre später ausgemustert wird, gelangt sie über eine Kleidersammlung nach Afrika.
Doch an all diese Orten, auf der Raffinerie und den Containerschiffen, in der Kleiderfabrik in Bangladesch und im Warenhaus in Hannover, in dem die Weste verkauft wird, arbeiten Menschen, deren Schicksal eng mit der globalisierten Wirtschaft verbunden ist. Viele von ihnen sind die Verlierer dieses Systems, die Näherin in Bangladesch zum Beispiel, die unter gefährlichen Bedingungen – immer wieder stürzen die schlampig gebauten Gebäude ein – arbeiten muss, von ihrem geringen Lohn lebt ihre ganze Familie. Oder die Arbeiter in der Polyester-Fabrik, deren Generalstreik niedergeschlagen wird.
Aber sind die reichen Industrienationen, die die Bedingungen der Globalisierung diktieren, wirklich die Sieger? Am Schluss erreicht die Fleeceweste mit einem Bootsflüchtling aus Senegal wieder Europa. Der hofft, hier die Arbeit zu finden, die die EU durch ihre Subventionspolitik in seinem Land verhindert. „Muss die Geschichte so enden? Nein, das muss nicht sein! Wir können dafür sorgen, dass sich einige Dinge ändern.”
(ab 12 Jahre) ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
WOLFGANG KORN: Die Weltreise einer Fleece-Weste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung. Mit Illustrationen von Birgit Jansen. Bloomsbury 2008. 168 Seiten, 14,90 Euro
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008Den Fleck kenn' ich doch!
Drei Jugendsachbücher erklären die Globalisierung / Von Fridtjof Küchemann
Am Anfang war der Weltapfel. Mit Martin Behaims erstem Globus aus dem Jahr 1492 jedenfalls beginnt Gerd Schneider sein Jugendsachbuch "Globalisierung", denn der Nürnberger Kaufmann Behaim hatte bereits am Globus gearbeitet, als Kolumbus auf den Bahamas an Land ging. Von der Kolonialisierung zur Kommunikationstechnologie unserer Tage schlägt Schneider seinen Bogen - und von den Schattenseiten der Globalisierung bis zu ihren Vorzügen. Der Sklavenhandel und die aktuelle Ausbeutung von Arbeitern in Entwicklungsländern werden ebenso beleuchtet wie die Möglichkeit, so einfach wie nie zuvor mit Menschen aus aller Welt über das Internet, bei Reisen oder als Migranten in Kontakt zu kommen. Und neben den stereotypen Heuschrecken, Haien und Halunken der Weltwirtschaft werden auch Unternehmer gezeigt, die von den Folgen der Globalisierung in die Bredouille gebracht werden.
Schneiders Werk könnte also ein Schulbuch sein: mit seiner Ausgewogenheit und Tiefe, sogar mit seiner Aufmachung, den grau unterlegten Zitaten und begleitenden Karikaturen. Aber vielleicht auch im Urteil seiner jugendlichen Leser, die sich in ihrer Freizeit lieber etwas lebendiger - und womöglich engagierter - informieren ließen. "In den Zeiten der Globalisierung sollte man die Gestaltung unserer Welt nicht nur den Politikern und schon gar nicht den Wirtschaftsbossen alleine überlassen", schreibt Schneider abschließend. Deutlicher und direkter wird er nicht: "Wenn dieses Buch einige Anregungen zum Wissenwollen und Mitgestalten gegeben hat, wurde es jedenfalls nicht umsonst geschrieben - und gelesen!"
Ganz anders geht Klaus Werner-Lobo die Sache an. Vor sieben Jahren hatte er zusammen mit Hans Weiss in einem "Schwarzbuch Markenfirmen" internationale Konzerne mit Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Entwicklungsländern in Verbindung gebracht. Das angenehm sachlich gehaltene Buch erregte einiges Aufsehen. Und erstaunlicherweise hat bis heute keine der diskreditierten Firmen geklagt. Jetzt hat der Autor mit "Uns gehört die Welt!" ein Buch veröffentlicht, um Jugendlichen Anlass und (über eine eigens eingerichtete Website) Gelegenheit zu bieten, gegen die dargestellten Missstände Stellung zu beziehen.
"Dieses Buch wird euch zornig machen", verspricht Werner-Lobo. Und er hat recht. Als er nämlich auf der dritten Seite seines Vorworts beteuert, sein Ziel sei es, "dass ihr euch am Ende selbst eure Meinung bilden und danach handeln könnt", ist es bereits zu spät. Gleich im ersten Absatz hat Werner-Lobo mit der schlichten Behauptung, Millionen Menschen stürben in Kriegen, "damit große Firmen Waffenhandel betreiben und an wertvolle Rohstoffe gelangen können", einen agitatorischen Tiefschlag gelandet, von dem sich das Buch nicht mehr erholt. Zumal ihm noch ganz andere problematische Verkürzungen und Ungenauigkeiten folgen.
Gewissenlose Konzerne, korrupte Politiker, hemmungslose Superreiche: mit großer Geste führt Klaus Werner-Lobo durch das Gruselkabinett der Globalisierungskritik. Dabei ist immer noch beeindruckend, wenn der Autor schildert, wie er sogar Mitarbeiter des Bayer-Konzerns für fingierte Geschäfte mit Rohstoffen aus Afrika interessieren konnte, deren krimineller Hintergrund förmlich zu riechen war. Die juristisch offenbar stichfesten Formulierungen in kritischen Kurzporträts von zwanzig Firmen - darunter zielgruppenrelevante Konzerne wie Adidas oder H&M, Apple oder Nokia, Disney oder Mattel, Coca-Cola, McDonald's oder Nestlé - zeigen, dass Werner-Lobo durchaus mit der gebotenen Sorgfalt schreiben kann. Nur verzichtet er eben für den aktionistischen Effekt immer wieder auf Genauigkeit. Er schwächt damit sein Buch - und seine jungen Aktivisten, wenn sie sich, mit seinen Darstellungen gerüstet, im Detail widerlegen lassen müssen.
Eine überzeugende Balance zwischen Sachlichkeit und Lebendigkeit, Information und Initiative hat der Autor Wolfgang Korn in seinem Buch "Die Weltreise einer Fleece-Weste" gefunden. Anders als Pietra Rivoli vor drei Jahren in ihrem "Reisebericht eines T-Shirts" betreibt der Autor seine Tour als gut recherchiertes Gedankenspiel, und anders als die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin landet er nicht bei allgemein ökonomischen Überlegungen, sondern da, wo er begonnen hat: bei sich selbst. Im Fernsehen sieht er, wie afrikanische Flüchtlinge mit dem Boot auf den Kanaren stranden. Einer von ihnen trägt eine rote Weste mit Fleck, und der Autor muss an sein zum Verwechseln ähnliches Kleidungsstück denken, das neulich erst mit Rotweinspuren in die Altkleidersammlung ging. In der Weste hat Wolfgang Korn den Hauptdarsteller für seine "kleine Geschichte über die große Globalisierung" gefunden: Er schildert den Weg der Weste vom Rohstoff zum Recycling, von der Ölförderung in Dubai über die Polyesterproduktion, die Fleece-Weberei und die Nähfabrik in Bangladesh, die Containerhäfen in Singapur und Hamburg bis in den eigenen Kleiderschrank - und von dort über den Altkleidercontainer auf einen Markt in Dakar, wo sie ein senegalesischer Junge kauft, um für seine Flucht nach Teneriffa gerüstet zu sein.
Korn erzählt nicht nur von den Stationen seiner Weste, sondern immer wieder auch von Menschen in ihrer Nähe. Sei es der 13-jährige Araber, dessen internationalen Ausbildungsweg seine wohlhabende Familie bestimmt, sei es der bengalische Arbeiter, der nach einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen zusammengeschlagen wird und am nächsten Morgen doch kleinlaut wieder vor der Fabrik steht oder ebender junge Senegalese mit seinem Traum vom besseren Leben in Europa und dem Albtraum der Flucht. Es sind Geschichten. Aber sie erhellen schlaglichtartig, was Globalisierung für den Einzelnen bedeuten kann.
Und das Beste kommt zum Schluss. Am Ende seines Buches nämlich wird Korn nicht nur missionarisch, sondern persönlich. Seine Erkenntnis: "Ich hätte vorher nachfragen müssen." Nach der Herkunft der Fleece-Weste, die er da kaufen will, nach ihren Produktionsbedingungen, nach Energieverbrauch und Umweltbelastung. Aber hinterher ist man ja immer schlauer. Die Leser dieses Buches sind es übrigens auch. Und gut unterhalten noch dazu.
Gerd Schneider: "Globalisierung". Bibliothek des Wissens. Arena Verlag, Würzburg 2008. 149 S., br., 8,95 [Euro]. Ab 12 J.
Klaus Werner-Lobo: "Uns gehört die Welt - Macht und Machenschaften der Multis". Carl Hanser Verlag, München 2008. 256 S., br.., 16,90 [Euro]. Ab 12 J.
Wolfgang Korn: "Die Weltreise einer Fleece-Weste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung". Bloomsbury Verlag, Berlin 2008. 168 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Drei Jugendsachbücher erklären die Globalisierung / Von Fridtjof Küchemann
Am Anfang war der Weltapfel. Mit Martin Behaims erstem Globus aus dem Jahr 1492 jedenfalls beginnt Gerd Schneider sein Jugendsachbuch "Globalisierung", denn der Nürnberger Kaufmann Behaim hatte bereits am Globus gearbeitet, als Kolumbus auf den Bahamas an Land ging. Von der Kolonialisierung zur Kommunikationstechnologie unserer Tage schlägt Schneider seinen Bogen - und von den Schattenseiten der Globalisierung bis zu ihren Vorzügen. Der Sklavenhandel und die aktuelle Ausbeutung von Arbeitern in Entwicklungsländern werden ebenso beleuchtet wie die Möglichkeit, so einfach wie nie zuvor mit Menschen aus aller Welt über das Internet, bei Reisen oder als Migranten in Kontakt zu kommen. Und neben den stereotypen Heuschrecken, Haien und Halunken der Weltwirtschaft werden auch Unternehmer gezeigt, die von den Folgen der Globalisierung in die Bredouille gebracht werden.
Schneiders Werk könnte also ein Schulbuch sein: mit seiner Ausgewogenheit und Tiefe, sogar mit seiner Aufmachung, den grau unterlegten Zitaten und begleitenden Karikaturen. Aber vielleicht auch im Urteil seiner jugendlichen Leser, die sich in ihrer Freizeit lieber etwas lebendiger - und womöglich engagierter - informieren ließen. "In den Zeiten der Globalisierung sollte man die Gestaltung unserer Welt nicht nur den Politikern und schon gar nicht den Wirtschaftsbossen alleine überlassen", schreibt Schneider abschließend. Deutlicher und direkter wird er nicht: "Wenn dieses Buch einige Anregungen zum Wissenwollen und Mitgestalten gegeben hat, wurde es jedenfalls nicht umsonst geschrieben - und gelesen!"
Ganz anders geht Klaus Werner-Lobo die Sache an. Vor sieben Jahren hatte er zusammen mit Hans Weiss in einem "Schwarzbuch Markenfirmen" internationale Konzerne mit Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Entwicklungsländern in Verbindung gebracht. Das angenehm sachlich gehaltene Buch erregte einiges Aufsehen. Und erstaunlicherweise hat bis heute keine der diskreditierten Firmen geklagt. Jetzt hat der Autor mit "Uns gehört die Welt!" ein Buch veröffentlicht, um Jugendlichen Anlass und (über eine eigens eingerichtete Website) Gelegenheit zu bieten, gegen die dargestellten Missstände Stellung zu beziehen.
"Dieses Buch wird euch zornig machen", verspricht Werner-Lobo. Und er hat recht. Als er nämlich auf der dritten Seite seines Vorworts beteuert, sein Ziel sei es, "dass ihr euch am Ende selbst eure Meinung bilden und danach handeln könnt", ist es bereits zu spät. Gleich im ersten Absatz hat Werner-Lobo mit der schlichten Behauptung, Millionen Menschen stürben in Kriegen, "damit große Firmen Waffenhandel betreiben und an wertvolle Rohstoffe gelangen können", einen agitatorischen Tiefschlag gelandet, von dem sich das Buch nicht mehr erholt. Zumal ihm noch ganz andere problematische Verkürzungen und Ungenauigkeiten folgen.
Gewissenlose Konzerne, korrupte Politiker, hemmungslose Superreiche: mit großer Geste führt Klaus Werner-Lobo durch das Gruselkabinett der Globalisierungskritik. Dabei ist immer noch beeindruckend, wenn der Autor schildert, wie er sogar Mitarbeiter des Bayer-Konzerns für fingierte Geschäfte mit Rohstoffen aus Afrika interessieren konnte, deren krimineller Hintergrund förmlich zu riechen war. Die juristisch offenbar stichfesten Formulierungen in kritischen Kurzporträts von zwanzig Firmen - darunter zielgruppenrelevante Konzerne wie Adidas oder H&M, Apple oder Nokia, Disney oder Mattel, Coca-Cola, McDonald's oder Nestlé - zeigen, dass Werner-Lobo durchaus mit der gebotenen Sorgfalt schreiben kann. Nur verzichtet er eben für den aktionistischen Effekt immer wieder auf Genauigkeit. Er schwächt damit sein Buch - und seine jungen Aktivisten, wenn sie sich, mit seinen Darstellungen gerüstet, im Detail widerlegen lassen müssen.
Eine überzeugende Balance zwischen Sachlichkeit und Lebendigkeit, Information und Initiative hat der Autor Wolfgang Korn in seinem Buch "Die Weltreise einer Fleece-Weste" gefunden. Anders als Pietra Rivoli vor drei Jahren in ihrem "Reisebericht eines T-Shirts" betreibt der Autor seine Tour als gut recherchiertes Gedankenspiel, und anders als die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin landet er nicht bei allgemein ökonomischen Überlegungen, sondern da, wo er begonnen hat: bei sich selbst. Im Fernsehen sieht er, wie afrikanische Flüchtlinge mit dem Boot auf den Kanaren stranden. Einer von ihnen trägt eine rote Weste mit Fleck, und der Autor muss an sein zum Verwechseln ähnliches Kleidungsstück denken, das neulich erst mit Rotweinspuren in die Altkleidersammlung ging. In der Weste hat Wolfgang Korn den Hauptdarsteller für seine "kleine Geschichte über die große Globalisierung" gefunden: Er schildert den Weg der Weste vom Rohstoff zum Recycling, von der Ölförderung in Dubai über die Polyesterproduktion, die Fleece-Weberei und die Nähfabrik in Bangladesh, die Containerhäfen in Singapur und Hamburg bis in den eigenen Kleiderschrank - und von dort über den Altkleidercontainer auf einen Markt in Dakar, wo sie ein senegalesischer Junge kauft, um für seine Flucht nach Teneriffa gerüstet zu sein.
Korn erzählt nicht nur von den Stationen seiner Weste, sondern immer wieder auch von Menschen in ihrer Nähe. Sei es der 13-jährige Araber, dessen internationalen Ausbildungsweg seine wohlhabende Familie bestimmt, sei es der bengalische Arbeiter, der nach einer Demonstration für bessere Arbeitsbedingungen zusammengeschlagen wird und am nächsten Morgen doch kleinlaut wieder vor der Fabrik steht oder ebender junge Senegalese mit seinem Traum vom besseren Leben in Europa und dem Albtraum der Flucht. Es sind Geschichten. Aber sie erhellen schlaglichtartig, was Globalisierung für den Einzelnen bedeuten kann.
Und das Beste kommt zum Schluss. Am Ende seines Buches nämlich wird Korn nicht nur missionarisch, sondern persönlich. Seine Erkenntnis: "Ich hätte vorher nachfragen müssen." Nach der Herkunft der Fleece-Weste, die er da kaufen will, nach ihren Produktionsbedingungen, nach Energieverbrauch und Umweltbelastung. Aber hinterher ist man ja immer schlauer. Die Leser dieses Buches sind es übrigens auch. Und gut unterhalten noch dazu.
Gerd Schneider: "Globalisierung". Bibliothek des Wissens. Arena Verlag, Würzburg 2008. 149 S., br., 8,95 [Euro]. Ab 12 J.
Klaus Werner-Lobo: "Uns gehört die Welt - Macht und Machenschaften der Multis". Carl Hanser Verlag, München 2008. 256 S., br.., 16,90 [Euro]. Ab 12 J.
Wolfgang Korn: "Die Weltreise einer Fleece-Weste. Eine kleine Geschichte über die große Globalisierung". Bloomsbury Verlag, Berlin 2008. 168 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 12 J.
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"Korn beherrscht seine Materie souverän, schreibt packend, gelöst, gelegentlich witzelnd und leicht ironisch ... Schlau werden macht Spaß!" (Eselsohr über 'Detektive der Vergangenheit')
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Für Günther Frieß hat Wolfgang Korn ins Schwarze getroffen: Mit dem Weg einer Fleece-Weste, von der Gewinnung ihrer Rohstoffe bis zur Altkleidersammlung, mit der sie nach Afrika gebracht wird, erkläre der Wissenschaftsjournalist "anschaulich wie kenntnisreich" die Zusammenhänge der Globalisierung. Korn wirft Fragen auf, ohne zu moralisieren und appelliert an den mündigen Verbraucher, ohne auf "einfache Lösungen" zu setzen, lobt der Kritiker. Auch Birgit Jansens Zeichnungen, die die "kleine Geschichte" illustrieren, waren für den FR-Rezensenten ein Gewinn.
© Perlentaucher Medien GmbH
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