Immer wieder zweite Liga!
Seit 20 Jahren ist Manuel Andrack bekennender Fan des 1. FC Kölns. In der vergangenen Saison stieg sein Lieblingsfußballklub zum dritten Mal in die zweite Liga ab, was für jeden Fan ein schmerzhafter Moment ist. Manuel Andrack beschließt, dass gerade jetzt ein Liebesbeweis von Nöten ist. Er will in der Saison 2004/05 jedes Spiel des FC im Stadion sehen.
Wie Tim Parks in "Eine Saison mit Verona" begleitet er von nun an den FC. Egal, ob es nach Dresden oder nach Unterhaching geht. Es wird eine Reise in Städte und Stadien, die nicht in der "Sportschau" auftauchen.
Im Fanbus erfährt er nicht nur, was Fans alles ertragen und erleiden, sondern auch ihre Geschichten. Jede Fan-Geschichte ist eine besondere, und doch in Liebe und Hingabe an den Fußball ähneln sie sich alle.
Wie sieht man als Fan ein Spiel, wenn das Herz bis zum Halse schlägt und für Taktik und spielerische Finessen im Kopf kein Platz mehr ist? Und warum kommen selbst in einem Spiel an einem lausi
Seit 20 Jahren ist Manuel Andrack bekennender Fan des 1. FC Kölns. In der vergangenen Saison stieg sein Lieblingsfußballklub zum dritten Mal in die zweite Liga ab, was für jeden Fan ein schmerzhafter Moment ist. Manuel Andrack beschließt, dass gerade jetzt ein Liebesbeweis von Nöten ist. Er will in der Saison 2004/05 jedes Spiel des FC im Stadion sehen.
Wie Tim Parks in "Eine Saison mit Verona" begleitet er von nun an den FC. Egal, ob es nach Dresden oder nach Unterhaching geht. Es wird eine Reise in Städte und Stadien, die nicht in der "Sportschau" auftauchen.
Im Fanbus erfährt er nicht nur, was Fans alles ertragen und erleiden, sondern auch ihre Geschichten. Jede Fan-Geschichte ist eine besondere, und doch in Liebe und Hingabe an den Fußball ähneln sie sich alle.
Wie sieht man als Fan ein Spiel, wenn das Herz bis zum Halse schlägt und für Taktik und spielerische Finessen im Kopf kein Platz mehr ist? Und warum kommen selbst in einem Spiel an einem lausi
Eigentlich kann Manuel Andrack kein Fußballbuch schreiben. Eigentlich hätte er sich auf Beschreibungen der Busfahrten zu den Auswärtsspielen des 1. FC Köln beschränken müssen, auf Gedanken zu Sinn und Unsinn von tierischen Vereinsmaskottchen (ausgenommen selbstverständlich den Kölner Geißbock) oder zu Lobliedern und Spottgesängen der Fans. Andrack ist nämlich FC-Anhänger von Kopf bis Fuß und vor allem im Herzen, deshalb gibt er freimütig zu: "Das Fansein schaltet das Gehirn aus." Und darum behauptet er, von "taktischen Finessen" während der neunzig Spielminuten wenig mitzubekommen. "Ich erinnere ein Spiel nach dem Ergebnis und nach den aufregendsten Torszenen." In seinem Werk "Meine Saison mit dem FC" kommt Andrack, die unauffälligere Hälfte in Harald Schmidts Fernsehshow, aber nicht umhin, hier und da auch das Fan-Gehirn einzuschalten, um einen dramatischen Spielverlauf zu beschreiben. Über eine "1:0-Berichterstattung" kommt er dabei nicht hinaus, aber das will er ja auch gar nicht in seinem "Bildungsroman, Reiseroman, Liebesroman". Andrack interessiert sich mehr für die Stadien der Zweitligavereine, in denen einst Kartoffeln angebaut wurden (Erfurt), Bälle in Richtung eines nahegelegenen Flüßchens gekickt werden (Ahlen) oder in denen sogenannte Schachtscheißer als Maskottchen verkauft werden (Aue). Die zweite Liga, das ist Manuel Andracks kleine Fußballwelt. Über die kommenden Reisen des Aufsteigers 1. FC Köln zu den allseits bekannten erstklassigen Bundesliga-Standorten, so behauptet der Vierzigjährige, werde er kein Wort verlieren.
Andrack ist generell gerne unterwegs. Nach seinem Erstlingswerk "Du mußt wandern" verspürte er den Drang, auch über das Tingeln als Fußballfan ein Buch zu schreiben. Die Inspiration dafür holte er sich bei dem Engländer Tim Parks, der seit zwei Jahrzehnten in Verona lebt und vor einiger Zeit seinen Heimatklub Hellas eine Saison lang durch die italienische Serie A begleitete. Doch viel mehr als die Idee und die Binnenstruktur haben die Werke des gebürtigen Kölners und des Schriftstellers aus dem Mutterland des Fußballs nicht gemeinsam. Parks wollte in seinem Wälzer dem Phänomen nachspüren, "daß die Menge im Fußballstadion irgendwie ein Sinnbild unserer modernen Gesellschaft ist". Andrack beschränkt sich in seinen Erzählungen rund um 34 Liga- und DFB-Pokalspiele weitgehend auf Anekdoten aus dem Fanblock, auf Eindrücke bei Busfahrten und Ausflüge in seine eigene Geschichte als Fußballfreund.
Stellenweise überzeugt Andrack mit frischem, selbstironischem Blick auf schöne Nebensächlichkeiten des deutschen Fußballs. Hübsch seine Beobachtung, daß es in der Saison 2004/05 keinen Zweitligaklub nördlich von Ahlen oder Cottbus gab. Nett seine Betrachtung über den "Landeshauptstadtvereinsfluch", der offenbart, wie wenig Landeshauptstädte im bezahlten Fußball vertreten sind. Originell seine semantische Analyse des fordernden Fußballerspruches "Die muß man schlagen". Und pointiert, wie er die auf Christoph Daum folgenden Fußballehrer des 1. FC Köln in sechs Typen unterteilt. Dabei macht Andrack aus seinem Fanherzen keine Mördergrube: Über Friedhelm Funkels Taktik kann er sich mehr als ein Jahr später noch böse ereifern, und auch dem Aufstiegstrainer Huub Stevens weint er keine Träne nach. Zu guter Letzt zeigt sich Andrack aber so himmelhoch jauchzend wie ein typischer Kölner. Nach dem letzten Zweitligaspiel war er sich sicher: "Ich hatte einen zukünftigen deutschen Meister gesehen." Wir glauben es ihm nur allzugerne - und nehmen selbst die Analyse des großen Tim Parks gelassen hin: "Wir wissen, daß wir lächerlich sind."
THOMAS KLEMM
Besprochenes Buch: Manuel Andrack: Meine Saison mit dem FC. Ein Bildungsroman. Ein Reiseroman. Ein Liebesroman. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2005, 245 Seiten, 9,90 Euro.
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"Ein Klassebuch. Dafür gebührt ihm ein lobender Eintrag im unvergänglichen Bummibuch des statthaften Fußballgottes.", Junge Welt