Bitterböser Humor
„Ayoola ruft mich mit diesen Worten herbei: Korede, ich habe ihn umgebracht.
Ich hatte gehofft, diese Worte nie wieder zu hören.“
Dieses Buch beginnt bereits mit einem Knall. Und Oyinkan Braithwaite lässt es noch viele weitere Male knallen. Nein, ein Pistolenschuss fällt
nie, immerhin ist es ein Messer die bevorzugte Waffe der Schwester. Es ist der Humor, der knallt. Genau…mehrBitterböser Humor
„Ayoola ruft mich mit diesen Worten herbei: Korede, ich habe ihn umgebracht.
Ich hatte gehofft, diese Worte nie wieder zu hören.“
Dieses Buch beginnt bereits mit einem Knall. Und Oyinkan Braithwaite lässt es noch viele weitere Male knallen. Nein, ein Pistolenschuss fällt nie, immerhin ist es ein Messer die bevorzugte Waffe der Schwester. Es ist der Humor, der knallt. Genau auf den Punkt. Die Kapitel sind meist nur wenige Seiten kurz, manchmal sogar nur zwei oder drei, und an ihrem Ende steht oft eine Pointe, ein Cliffhanger, ein Nach-Luft-Schnappen.
Einen Krimi oder gar Thrillerspannung sollten die Lesenden allerdings nicht erwarten. „Meine Schwester, die Serienmöderin“ ist ganz klar ein Roman, wenn auch ein bitterböser mit makaberem Humor und ein paar Leichen. Spannend fand ich ihn trotzdem, weil ich wissen wollte, was mit den Schwestern passiert. Daher habe ich das Buch auch binnen nur eines Tages gelesen.
Zum Glück für ihre Schwester Ayoola hat die Ich-Erzählerin Korede einen ausgeprägten Hang zu Sauberkeit und Putzen. Darum kann die ältere Schwester der jüngeren auch so hervorragend nach ihren „Missgeschicken“ helfen. Das Buch liest sich an vielen Stellen leicht und beschwingt. Sarkasmus und Ironie tun aber hier, wie fast immer, erst deswegen so richtig weh, weil es letztendlich um ernste Themen geht. Die Schwester als Serienmörderin ist ohne das Patriarchat nicht denkbar und das Buch liest sich daher sehr feministisch.
„Es überrascht mich nicht, dass sie das Messer an sich genommen hat. Wäre es mir vor ihr eingefallen, hätte ich mit einem Hammer darauf eingeschlagen.“
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch dringend auf meine Content Note am Ende dieser Rezension verweisen.
Total spannend als weiße, europäische Leserin fand ich, dass Braithwaites Schilderung von Nigeria und dessen „gehobene Mittelschicht“, wie sie es selbst bezeichnet. Das hat nichts mit afrikanischen Elendsschilderungen zu tun, dies sonst im Westen noch häufig vorherrschen. Vieles wirkt nicht anders, als bei uns. Das Spezifische kommt durch Versatzstücke, wenn Korruption geschildert wird oder die Schwestern vor einem älteren Chief und Gast des Vaters traditionell knien. Braithwaite bleibt absolut souverän, sie erklärt diese Dinge nicht ausführlich für ein westliches Publikum. Das finde ich letztendlich umso interessanter, weil ich eben das Gefühl habe, dass hier eine nigerianische Autorin in erster Linie für ein Schwarzes, nigerianisches Publikum schreibt.
Das machte für mich dann einige Stellen nochmal interessanter, wenn Braithwaite z.B. Colorism thematisiert, also die Diskriminierung aufgrund der Schattierung der Hautfarbe (was sich übrigens ebenfalls durch die Kolonialisierung erklären lässt).
"»Und ihr beide habt also denselben Vater und dieselbe Mutter?«
»Sie hat euch doch gesagt, dass sie meine Schwester ist.«
»Aber ist sie von beiden Seiten deine Schwester? Sie sieht ein bisschen gemischt aus.“
Loyalität in der Familie und unter Frauen ist ein zentrales Thema. Gerade an dieser Stelle bleibe ich gerade am Ende aber mit einem Fragezeichen zurück: Was bedeutet denn nun dieses ungewöhnliche Schwestern-Beziehung für den Feminismus? Das Ende plätschert auch ein wenig aus. Und: Gerade, weil Braithwaite oft so auf den Punkt schreibt – auf den Knall – fällt gelegentlich auf, wenn sie es nicht macht und die Kapitel etwas weniger prägnant sind. Aber: Es ist ein Debüt und ich habe mich wirklich amüsiert! 4,5 Sterne sind daher bei mir sicher.
Fazit
Hier fand ich den bitterbösen, pointierten Humor und das feministische Thema toll. Dazu kriege ich hier mal einen ganz anderen Blick auf Nigeria. Das alles habe ich in einem Rutsch und mit viel Amüsement gelesen. Dafür gibt es eine Empfehlung von mir und 4,5 von 5 Sternen.
CN / Content Note: häusliche Gewalt, Misshandlung von Kindern, Misogynie, sexistische Beleidigungen, Gewalt gegen Tiere