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Glücklich und verzweifelt, witzig und aggressiv, liebevoll und träumerisch - in immer wieder anderen Stimmungen spricht der Künstler, Trinker und Privatmann Harald Juhnke in seiner Autobiographie über die "Loopings" seines Lebens und über "Wahrheiten, die ich noch niemandem anvertraut habe".

Produktbeschreibung
Glücklich und verzweifelt, witzig und aggressiv, liebevoll und träumerisch - in immer wieder anderen Stimmungen spricht der Künstler, Trinker und Privatmann Harald Juhnke in seiner Autobiographie über die "Loopings" seines Lebens und über "Wahrheiten, die ich noch niemandem anvertraut habe".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.1998

O du lieber Augustin
Im Partyzelt: Harald Juhnke und Harald Wieser machen ein Buch

Er sei der Lustigste unter den Traurigen, hat man von ihm gesagt. Doch vom Umschlag des Buches blickt uns der bekannte Schwerenöter reichlich melancholisch an, wenn auch mit einem Rest von Schalk. Er will uns seine sieben Leben erzählen, die sieben Leben eines Katers - was die Frage zuläßt, wieviel davon noch übrig ist. Seit Augustinus sind Konfessionen ein ernstes Genre, hier darf einem auch der bekanntere liebe Augustin einfallen. Er wird wissen, wie Juhnke dieses dicke Buch zustande brachte.

Da haben wir aber den anderen Harald übersehen. Er heißt Wieser und erscheint, kleiner geschrieben, auf Umschlag und Titel. Man erfährt, daß er über Psychoanalyse promovierte, Redakteur und Reporter war und Mitverfasser des Bestsellers "Journalistenleben". Als Ko-Autor von Juhnke dürfte der Profi Wieser keine halbe Arbeit gemacht haben, eher etwas mehr. Aber wie und wieviel? Darüber informiert uns kein einziger Satz.

Er hätte vielleicht klären können, warum uns das erste Kapitel Juhnke, der mit Musil und Ulrich kaum mehr als das U gemeinsam hat, als "Mann ohne Eigenschaften" präsentiert. Unser geschätztes Multitalent erschien mir bislang als ein Mann eher mit vielen Eigenschaften. Und so hält auch das anspruchsvolle Etikett nicht mal dieses Kapitel. Da muß Juhnke nämlich als eine Art apathische Beckett-Gestalt figurieren, mit Villa als Aschentonne, zugleich aber als meditierender Medienstratege, samt "Gartenpartyzeltling" als tabernaculum nobile.

"Wer angibt, hat mehr vom Leben" - das ist doch eine anständige Devise. Und mit diesem Kapitel kommt das Buch in Schwung. Das dicke Familienalbum wird aufgeblättert. Für die Fans, die alles über Kindheit und Jugend, die frühen Erfolge und die beiden Ehen wissen wollen. Die es interessiert, wie der junge H. J. in der HJ den Goebbels parodiert oder sich später von Hans Albers zum harten Saufen verführen läßt. Wie er für Victor de Kowa erfolgreich einspringt oder Marlon Brando für "Die Faust im Nacken" die deutsche Stimme leiht. Immerhin: Aus Schnurren und Anekdoten schält sich eine Story heraus, die einiges für die Zeit- und Mediengeschichte abwirft. Es ist die Story eines Pikaro der Nachkriegszeit und frühen Bundesrepublik, der zum Entertainer und Liebling der Massen aufsteigt und noch im Fall populär bleibt.

Juhnke darf nostalgisch die Meilensteine dieser Karriere noch einmal stemmen; darunter ein paar wirklich gute Theater- und Filmrollen, etwa den Hauptmann von Köpenick oder Falladas "Trinker". Er verschweigt auch nicht die zahllosen Klamotten oder den Auftritt, wo er sich als "Phönix aus der Flasche" verhöhnen läßt. Natürlich gehört der "Trinksport" zu dieser Laufbahn, aber auch die einem Therapeuten in den Mund gelegte These: "Denn der Alkohol ist nur seine Ersatzdroge. Seine eigentliche Droge ist die Kunst. Er ist ein Junkie der Schauspielerei."

Damit kommt ein apologetischer Ton ins Buch. Es wird eine Verteidigungsschrift für Junkie Juhnke, mit Tönen der Selbstzerknirschung und der Beichte. Fortan wird belegt und beteuert, Juhnke sei mehr als ein bloßer Unterhalter und als ein Zerrissener weder böse noch charakterlos.

Juhnke fühlt sich bis heute "eingesperrt in den Knast des Entertainers". Befreien soll ihn der Vergleich mit dem erreichbaren Bruder Johannes Mario und dem unerreichbaren großen Bruder Frank. Bisher war unbekannt, daß Juhnke sich für Literaturkritik interessiert und gar für den verjährten Streit um die Romane Simmels. Zäh genug ist das zu lesen. So halten wir uns lieber an seine lebenslange Schwärmerei für Frank Sinatra, an seine obsessive Idee, er hätte der deutsche Sinatra oder wenigstens der amerikanische Juhnke werden können.

Faul wird's nur, wenn die Liebe zum großen Bruder Sinatra Juhnkes fatale Entgleisung in Las Vegas wenn nicht rechtfertigen, so doch erklären soll: "Dem Groupie im Großväteralter entglitten die Kontrollen eines erwachsenen Menschen." Warum blieb man nicht beim schlichten Eingeständnis, Juhnke hätte den 2. Februar 1997 gern ungeschehen gemacht, an dem er in alkoholischer Randale den schwarzen Wachmann Bob Ferrell beleidigte?

Man weiß, wie aus einer Indiskretion eine Anti-Juhnke-Kampagne der Massenpresse wurde; und so folgten dem schlimmen Ausrutscher die schlimmeren Niederlagen - und weitere alkoholische Exzesse, und der verhängnisvolle Zirkel dreht sich, bis Juhnke aus künstlichem Koma und Heilschlaf erwacht. Die puren Details - auch die Schilderung des Aufenthalts in der Baseler Klinik - liest man nicht ohne Empathie; und so ist man fast geneigt, den auf den Balken der Boulevardpresse gekreuzigten Schmerzensmann überzeugend zu finden. Aber das ist keine Rolle mit Zukunft. Denn was soll das Publikum, für das dieses Buch geschrieben wurde, mit einem definitiv geläuterten Harald Juhnke anfangen? HARALD HARTUNG.

Harald Juhnke/Harald Wieser: "Meine sieben Leben". Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998. 352 S., Abb., geb., 38,- DM.

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