Allsonntäglich entfaltet sich ab 20 Uhr die neue deutsche TV-Dreifaltigkeit: Tagesschau, Tatort, Talk mit Sabine Christiansen. Nach den Mythen der Tagesschau (Staatsmänner, Kriege, Katastrophen, Sport) und den tröstlichen Gewissheiten des Tatorts (Alle haben Dreck am Stecken) sondiert Sabine Christiansen das Gesellschaftsterrain. Unerbittlich stellt sie Fragen, die in das Dunkel unserer Zukunft weisen. Es treten auf: die Lobbyisten und ihre Statthalter im Parlament. Multimillionäre warnen davor, dass es kurz vor zwölf sei. Aber, bitte sehr, man könne ja auch ins Ausland gehen. Politiker führen entschlossen das Drama der Sachzwänge auf. Die große Koalition der Dauerreformer gibt sich die Ehre. Fast noch wichtiger als das, was gesagt wird, ist, was systematisch nicht gesagt wird. Komplexe Themen werden dramatisch vereinfacht und fortan in diese Richtung öffentlich diskutiert. Insofern eignet sich diese Sendung wie keine andere, um zu begreifen, wohin die Deutschland AG steuert.
In ´meine Sonntage mit ´Sabine Christiansen`` schreibt Walter van Rossum hellsichtig, intelligent und bitterböse über eine Medienlandschaft, die die Politik im eigentlichen Sinne längst zu überwuchern droht.
In ´meine Sonntage mit ´Sabine Christiansen`` schreibt Walter van Rossum hellsichtig, intelligent und bitterböse über eine Medienlandschaft, die die Politik im eigentlichen Sinne längst zu überwuchern droht.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Bettina Gaus klatscht in die Hände: Walter van Rossums kritische Auseinandersetzung mit Sabine Christiansens Polit-Talk ist offenbar Wasser auf ihre Mühlen. Ein "bitterböses Buch" habe Rossum da geschrieben, wenig ironisch, aber sehr "zornig" im Tonfall. Dabei gehe es ihm weniger um "Medienkritik" als vielmehr darum, der "tonangebenden Schicht in der Bundesrepublik" aufs Maul zu schauen und ihre Talk-Äußerungen auf "Wahrheitsgehalt" abzuklopfen. Und dabei erwerbe sich Rossum - so lobt die Rezensentin - das "Verdienst", zu den "ganz wenigen" zu gehören, die dem "Kaiser" in den neuen Kleidern sagen, dass er "nackt" ist. Beispielsweise zeige Rossum ebenso überzeugend wie "entlarvend" die Austauschbarkeit der politischen Positionen, indem er seine Leser raten lasse, von welchem Politiker welches Zitat stammt. Die Auflösung, so verrät Gaus, sei sehr "überraschend". Auch dass Rossum starke Zweifel an vermeintlich "unumstößlicher Wahrheit" meldet, zum Beispiel dem Zusammenhang von Steuersenkung und der Schaffung neuer Arbeitsplätze, gefällt der Rezensentin sehr. Allerdings kritisiert Gaus, dass Rossum mitunter "über das Ziel" hinaus schieße: So grenze seine Betrachtung der Reaktionen auf den Tod Möllemanns schon an "Verschwörungstheorie". Doch alles in allem fällt dies für die Rezensentin nicht so sehr ins Gewicht, denn überwiegend fand sie hier: "Klare, wahre Worte."
© Perlentaucher Medien GmbH
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