Dieses Buch erzählt die dramatische, ungeheuerliche Geschichte einer österreichisch-jüdischen Familie, einer Schriftstellerfamilie. Sie beginnt in der Gegenwart, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin, auf dem der expressionistische Autor Arnolt Bronnen - Anarchist, Goebbels-Freund, Widerständler, Kommunist - begraben liegt. Und sie reicht zurück in das Auschwitz des Jahres 1867. Dort wurde der Großvater der in München lebenden Schriftstellerin Barbara Bronnen, Dr. Ferdinand Bronner, geboren, unter dem Pseudonym Franz Adamus einer der ersten naturalistischen Dramatiker.
Dieses Buch erzählt spannungsreich und tempogeladen die Geschichte eines großen Verschweigens. Barbara Bronnen kannte in ihrer Kindheit den Großvater nicht, den sein Sohn Arnolt Bronnen ein Leben lang verleugnete, sich einen Pfarrer Schmidt zum Vater erkor, einen somnambulen Zeugungsakt fingierte und 1941 gar einen Vaterschaftsprozeß gegen ihn führte.
Gestützt auf die umfangreichen Aufzeichnungen Ferdinand Bronners, die 1918, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs enden und in denen er seine jüdische Herkunft konsequent verschweigt, rekonstruiert Barbara Bronnen detailreich die Geschichte des Großvaters bis zu seinem Tod im Jahre 1948 und stößt, je weiter sie vordringt, auf immer mehr Beweise, daß in dieser Familiengeschichte etwas nicht stimmt. Sie befragt Familienmitglieder, heute noch in Bronners und Bronnen geschieden, die einander ächteten, und fährt nach Auschwitz. Sie enträtselt die dramatische Beziehung zwischen Großvater und Vater und spürt, sie verfolgt die richtige Fährte, bis sich ihr schließlich der wahnwitzige Coup von Vater und Großvater entschlüsselt, ein perfides Rasse-Spiel.
Dieses Buch erzählt spannungsreich und tempogeladen die Geschichte eines großen Verschweigens. Barbara Bronnen kannte in ihrer Kindheit den Großvater nicht, den sein Sohn Arnolt Bronnen ein Leben lang verleugnete, sich einen Pfarrer Schmidt zum Vater erkor, einen somnambulen Zeugungsakt fingierte und 1941 gar einen Vaterschaftsprozeß gegen ihn führte.
Gestützt auf die umfangreichen Aufzeichnungen Ferdinand Bronners, die 1918, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs enden und in denen er seine jüdische Herkunft konsequent verschweigt, rekonstruiert Barbara Bronnen detailreich die Geschichte des Großvaters bis zu seinem Tod im Jahre 1948 und stößt, je weiter sie vordringt, auf immer mehr Beweise, daß in dieser Familiengeschichte etwas nicht stimmt. Sie befragt Familienmitglieder, heute noch in Bronners und Bronnen geschieden, die einander ächteten, und fährt nach Auschwitz. Sie enträtselt die dramatische Beziehung zwischen Großvater und Vater und spürt, sie verfolgt die richtige Fährte, bis sich ihr schließlich der wahnwitzige Coup von Vater und Großvater entschlüsselt, ein perfides Rasse-Spiel.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2012Hauptsache, es kracht
Barbara Bronnens Bericht über das irrwitzige Leben und Fliehen und Schreiben des Dramatikers Arnolt Bronnen
Bronnen versuchte vor Gericht zu beweisen, dass sein Vater nicht sein Vater war. Und er deshalb kein Jude.
Es war Panik ausgebrochen bei der Filmpremiere von Remarques "Im Westen nichts Neues" im Dezember 1930 im Berliner Nollendorf-Theater. Olga Schkarena hatte eine ganze Meute weißer Mäuse freigelassen, Tumult brach los, die Nationalisten und Kriegsveteranen, die die Vorführung des verhassten Films stören wollten, nutzten die Aufregung, "schon nach zehn Minuten gleicht das Kino einem Tollhaus", notiert Joseph Goebbels später in sein Tagebuch. Die Vorstellung wird abgesetzt, die nächste auch. "Wir haben gewonnen", schreibt der spätere Propagandaminister. Ernst Jünger, der mit seiner Frau Gretha gekommen war, verlässt angeekelt den Saal. (Vielleicht hatte seine Frau auch einfach Angst vor Mäusen. Oder er selbst?) Olga Schkarena wird von jubelnden Nazi-Anhängern im Triumph aus dem Saal getragen. Wenige Monate später heiratet sie den Skandalschriftsteller Arnolt Bronnen.
Wenn irgendwann mal jemand die Geschichte des politischen Opportunismus im Deutschland des letzten Jahrhunderts schreibt, dann hätte dieser Mann darin, neben großen weltanschaulichen Achterbahnfahrern wie Hanns Heinz Ewers, Erich Ebermayer und Ernst Glaeser, unbedingt einen Ehrenplatz verdient. Arnolt Bronnen war ein Mann, der immer hart am politischen Rand marschierte. Welcher Rand das war, war ihm egal. Hauptsache, es kracht.
Er wurde 1895 als Sohn des jüdischen Dramatikers Ferdinand Bronner und dessen Frau Martha unter dem Namen Arnold Bronner in Wien geboren. Er war Kriegsfreiwilliger, Kommunist, die Aufführung seines ersten Dramas "Vatermord" war einer der größten Theaterskandale der Weimarer Republik. Bertolt Brecht wurde sein bester Freund, die "Dramatiker-Zwillinge" wurden sie genannt, dann schrieb er den heroischen Weltkriegsroman "O.S.", das nationalistische Gegenbuch zu Remarques Bestseller, worauf ihm Brecht die Freundschaft kündigte und Goebbels ihm die seine aufdrängte. "O.S." sei, so Goebbels, "der erste nationalsozialistische Roman". Ein Segen für die Bewegung.
Dumm nur, dass Bronnen, wie er sich nun in Abgrenzung zu seinem Vater nannte, Jude war. Im Gespräch versicherte er Goebbels jedoch, dass das nicht stimme. Der notierte sich: "Das ist sehr erfreulich. Er ist ein ordentlicher Kerl. Ich mag ihn." Und er mochte Olga, die Goebbels noch in ihrer Hochzeitsnacht mit Bronnen telefonisch zu sich bestellte. Und Olga kam. Arnolt wartete, und es begann eine Liebesgeschichte zu dritt.
Arnolts Freundschaft zu Goebbels hielt eine Weile. Doch ab 1933 reichte das allein nicht mehr. Und Bronnen strengte einen der wohl abenteuerlichsten Antivaterschaftsprozesse in der deutschen Rechtsgeschichte an. Seine Mutter war bereit, vor Gericht zu bezeugen, dass Arnold vom evangelischen Pfarrer Schmidt überfallartig vor Eheschließung gezeugt worden sei. Eine anschließende detaillierte Rassemerkmalsuntersuchung sollte sein Ariertum bestätigen. Was auch gelang. Währenddessen erfand Vater Ferdinand Bronner, der als Sohn eines jüdischen Ehepaares in Auschwitz geboren worden war, auch für sich selbst, in einem Artikel in der "B.Z. am Mittag", eine neue Herkunftsgeschichte. Auch er sei kein Jude, sondern ein christliches Findelkind. Auch er überlebte die Nazizeit.
Das alles, die Kämpfe, die Biographieerfindungen, die Freundschaften, Feindschaften und politischen Abenteuer dieser beiden Dramatiker, die nicht Vater und Sohn sein wollten, das ist ein so unglaubwürdiger Romanstoff, dass er wohl nur als Dokument lesbar wäre. Und Arnolt Bronnen hat das natürlich auch gleich selbst übernommen. Als er längst wieder Kommunist geworden und von Johannes R. Becher nach Ost-Berlin gerufen worden war, veröffentlichte er "arnolt bronnen gibt zu protokoll". Ein Verhör seiner selbst, ein zum Teil ehrliches, zum Teil irrwitziges, kühl geschriebenes, gerechtes und vor allem selbstgerechtes Buch.
Das Buch jedoch, das seine Tochter, die Journalistin Barbara Bronnen, jetzt über ihn und seinen Vater geschrieben hat, fügt dem bekannten Bild leider nicht viel Neues hinzu. Nur viel Gefühl, viele Mutmaßungen, viel Raunen und ungläubiges Staunen über die eigene Herkunftsgeschichte, über die beiden Männer, die ihr Vater und Großvater waren und sich als Dramatiker ihres Lebens wahnsinnige Biographien erfanden. Gegeneinander. Gegen die Zeit und immer wieder mit ihr. Die kursiv gesetzten Selbstgespräche haben etwas von einer Therapiesitzung, in die der Leser hineingezwungen wird. Nur manchmal reißt es einen mit, wenn es Barbara Bronnen deutlich zu machen gelingt, auf welch windigem Fundament ein Leben steht, wenn Vater und Großvater ein Leben auf der Flucht vor der eigenen Biographie führten.
VOLKER WEIDERMANN
Barbara Bronnen: "Meine Väter". Insel-Verlag, 330 Seiten, 22,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Barbara Bronnens Bericht über das irrwitzige Leben und Fliehen und Schreiben des Dramatikers Arnolt Bronnen
Bronnen versuchte vor Gericht zu beweisen, dass sein Vater nicht sein Vater war. Und er deshalb kein Jude.
Es war Panik ausgebrochen bei der Filmpremiere von Remarques "Im Westen nichts Neues" im Dezember 1930 im Berliner Nollendorf-Theater. Olga Schkarena hatte eine ganze Meute weißer Mäuse freigelassen, Tumult brach los, die Nationalisten und Kriegsveteranen, die die Vorführung des verhassten Films stören wollten, nutzten die Aufregung, "schon nach zehn Minuten gleicht das Kino einem Tollhaus", notiert Joseph Goebbels später in sein Tagebuch. Die Vorstellung wird abgesetzt, die nächste auch. "Wir haben gewonnen", schreibt der spätere Propagandaminister. Ernst Jünger, der mit seiner Frau Gretha gekommen war, verlässt angeekelt den Saal. (Vielleicht hatte seine Frau auch einfach Angst vor Mäusen. Oder er selbst?) Olga Schkarena wird von jubelnden Nazi-Anhängern im Triumph aus dem Saal getragen. Wenige Monate später heiratet sie den Skandalschriftsteller Arnolt Bronnen.
Wenn irgendwann mal jemand die Geschichte des politischen Opportunismus im Deutschland des letzten Jahrhunderts schreibt, dann hätte dieser Mann darin, neben großen weltanschaulichen Achterbahnfahrern wie Hanns Heinz Ewers, Erich Ebermayer und Ernst Glaeser, unbedingt einen Ehrenplatz verdient. Arnolt Bronnen war ein Mann, der immer hart am politischen Rand marschierte. Welcher Rand das war, war ihm egal. Hauptsache, es kracht.
Er wurde 1895 als Sohn des jüdischen Dramatikers Ferdinand Bronner und dessen Frau Martha unter dem Namen Arnold Bronner in Wien geboren. Er war Kriegsfreiwilliger, Kommunist, die Aufführung seines ersten Dramas "Vatermord" war einer der größten Theaterskandale der Weimarer Republik. Bertolt Brecht wurde sein bester Freund, die "Dramatiker-Zwillinge" wurden sie genannt, dann schrieb er den heroischen Weltkriegsroman "O.S.", das nationalistische Gegenbuch zu Remarques Bestseller, worauf ihm Brecht die Freundschaft kündigte und Goebbels ihm die seine aufdrängte. "O.S." sei, so Goebbels, "der erste nationalsozialistische Roman". Ein Segen für die Bewegung.
Dumm nur, dass Bronnen, wie er sich nun in Abgrenzung zu seinem Vater nannte, Jude war. Im Gespräch versicherte er Goebbels jedoch, dass das nicht stimme. Der notierte sich: "Das ist sehr erfreulich. Er ist ein ordentlicher Kerl. Ich mag ihn." Und er mochte Olga, die Goebbels noch in ihrer Hochzeitsnacht mit Bronnen telefonisch zu sich bestellte. Und Olga kam. Arnolt wartete, und es begann eine Liebesgeschichte zu dritt.
Arnolts Freundschaft zu Goebbels hielt eine Weile. Doch ab 1933 reichte das allein nicht mehr. Und Bronnen strengte einen der wohl abenteuerlichsten Antivaterschaftsprozesse in der deutschen Rechtsgeschichte an. Seine Mutter war bereit, vor Gericht zu bezeugen, dass Arnold vom evangelischen Pfarrer Schmidt überfallartig vor Eheschließung gezeugt worden sei. Eine anschließende detaillierte Rassemerkmalsuntersuchung sollte sein Ariertum bestätigen. Was auch gelang. Währenddessen erfand Vater Ferdinand Bronner, der als Sohn eines jüdischen Ehepaares in Auschwitz geboren worden war, auch für sich selbst, in einem Artikel in der "B.Z. am Mittag", eine neue Herkunftsgeschichte. Auch er sei kein Jude, sondern ein christliches Findelkind. Auch er überlebte die Nazizeit.
Das alles, die Kämpfe, die Biographieerfindungen, die Freundschaften, Feindschaften und politischen Abenteuer dieser beiden Dramatiker, die nicht Vater und Sohn sein wollten, das ist ein so unglaubwürdiger Romanstoff, dass er wohl nur als Dokument lesbar wäre. Und Arnolt Bronnen hat das natürlich auch gleich selbst übernommen. Als er längst wieder Kommunist geworden und von Johannes R. Becher nach Ost-Berlin gerufen worden war, veröffentlichte er "arnolt bronnen gibt zu protokoll". Ein Verhör seiner selbst, ein zum Teil ehrliches, zum Teil irrwitziges, kühl geschriebenes, gerechtes und vor allem selbstgerechtes Buch.
Das Buch jedoch, das seine Tochter, die Journalistin Barbara Bronnen, jetzt über ihn und seinen Vater geschrieben hat, fügt dem bekannten Bild leider nicht viel Neues hinzu. Nur viel Gefühl, viele Mutmaßungen, viel Raunen und ungläubiges Staunen über die eigene Herkunftsgeschichte, über die beiden Männer, die ihr Vater und Großvater waren und sich als Dramatiker ihres Lebens wahnsinnige Biographien erfanden. Gegeneinander. Gegen die Zeit und immer wieder mit ihr. Die kursiv gesetzten Selbstgespräche haben etwas von einer Therapiesitzung, in die der Leser hineingezwungen wird. Nur manchmal reißt es einen mit, wenn es Barbara Bronnen deutlich zu machen gelingt, auf welch windigem Fundament ein Leben steht, wenn Vater und Großvater ein Leben auf der Flucht vor der eigenen Biographie führten.
VOLKER WEIDERMANN
Barbara Bronnen: "Meine Väter". Insel-Verlag, 330 Seiten, 22,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Jörg Magenau hat Barbara Bronnens neues Buch "Meine Väter" mit gemischten Gefühlen gelesen. Einmal mehr setze sich die Autorin mit ihrer problematischen Familiengeschichte auseinander, so der Kritiker, der das Buch als "atemberaubende" deutsch-jüdische Familiensaga lobt. Interessiert liest er von den Gemeinsamkeiten zwischen Barbara Bronnens Großvater, Ferdinand Bronner und ihrem Vater Arnolt Bronnen, die nicht nur beide als Dramatiker wenig Erfolg hatten, sondern auch zeitlebens gegen ihre jüdische Herkunft kämpften: Während sich der Großvater nach seiner Konversion zum Protestantismus von Eliezer in Ferdinand umbenannte, änderte der Vater, der zunächst ein Propagandist der Nazis war, seinen Namen in das germanische "Bronnen" und setzte 1941 mit einer Vaterschaftsklage durch, dass seine Mutter in der Hochzeitsnacht vom Pfarrer "im Schlaf geschwängert" worden sei. Dass Barbara Bronnen allerdings ohne ausreichende Beweise behaupte, der Vaterschaftsprozess sei ein gemeinsamer Plan von Vater und Sohn gewesen, um auch Ferdinand Bronner vor der Deportation durch die Nazis zu schützen, erscheint dem Kritiker allerdings als allzu sentimentaler Versöhnungswunsch der Autorin - nicht zuletzt mit ihrem eigenen Vater. Darüber hinaus haben den Rezensenten zahlreiche Nebensächlichkeiten und "pseudo-objektive", kursiv gesetzte Einschübe, in denen die Autorin in der dritten Person zu sich selbst spricht, gestört.
© Perlentaucher Medien GmbH
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