Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.03.2013Mit bösem Blick
Als Dramatiker und Tagebuchschreiber hat sich Friedrich Hebbel bleibenden Nachruhm erworben, von seinen Gedichten haben es immerhin einige wenige in die gängigen Anthologien geschafft. Aber als Erzähler? Anlässlich seines zweihundertsten Geburtstags liegt nun eine Auswahl aus seinem erzählerischen Werk vor, die zum Entdecken einlädt. Es sind fast ausschließlich Texte des jungen Hebbel, der noch nicht den Weg zur dramatischen Form gefunden hat, Texte, die einen sichtlich noch unfertigen Schriftsteller auf der Suche nach eigenem Ton und Stil zeigen. Lektürespuren und dichterische Vorbilder meint man allenthalben ausmachen zu können, so etwa Kleist, E.T.A. Hoffmann oder Tieck, romantische Ingredienzen sind noch erstaunlich präsent. Und doch werden sie auch verharmlost und gebrochen, bilden einen raunenden Hintergrund, der nicht mehr recht geglaubt wird oder zur spielerischen Inszenierung einlädt, wie etwa in dem Text "Eine Nacht im Jägerhaus". Die oft spröde Erzählweise, harsche Geschlechterkonfrontationen oder soziale Ausweglosigkeiten scheinen in die Zukunft zu weisen, sind aber auch Zeugen von Hebbels bitterarmer Herkunft und seinem schroffen Charakter. Es ist ein böser Blick auf die Welt, den Hebbel vorführt, und manch harmonisierender Erzählschluss wirkt entsprechend aufgesetzt. Tragik, Skepsis oder gar Nihilismus - Konstanten des späteren Werks zeichnen sich ab, nur der Humor tritt manches Mal noch mildernd hinzu. (Friedrich Hebbel: "Meistererzählungen". Hrsg. von Monika Ritzer. Deutscher Taschenbuchverlag, München 2013. 254 S., br., 9,90 [Euro].) meis
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Als Dramatiker und Tagebuchschreiber hat sich Friedrich Hebbel bleibenden Nachruhm erworben, von seinen Gedichten haben es immerhin einige wenige in die gängigen Anthologien geschafft. Aber als Erzähler? Anlässlich seines zweihundertsten Geburtstags liegt nun eine Auswahl aus seinem erzählerischen Werk vor, die zum Entdecken einlädt. Es sind fast ausschließlich Texte des jungen Hebbel, der noch nicht den Weg zur dramatischen Form gefunden hat, Texte, die einen sichtlich noch unfertigen Schriftsteller auf der Suche nach eigenem Ton und Stil zeigen. Lektürespuren und dichterische Vorbilder meint man allenthalben ausmachen zu können, so etwa Kleist, E.T.A. Hoffmann oder Tieck, romantische Ingredienzen sind noch erstaunlich präsent. Und doch werden sie auch verharmlost und gebrochen, bilden einen raunenden Hintergrund, der nicht mehr recht geglaubt wird oder zur spielerischen Inszenierung einlädt, wie etwa in dem Text "Eine Nacht im Jägerhaus". Die oft spröde Erzählweise, harsche Geschlechterkonfrontationen oder soziale Ausweglosigkeiten scheinen in die Zukunft zu weisen, sind aber auch Zeugen von Hebbels bitterarmer Herkunft und seinem schroffen Charakter. Es ist ein böser Blick auf die Welt, den Hebbel vorführt, und manch harmonisierender Erzählschluss wirkt entsprechend aufgesetzt. Tragik, Skepsis oder gar Nihilismus - Konstanten des späteren Werks zeichnen sich ab, nur der Humor tritt manches Mal noch mildernd hinzu. (Friedrich Hebbel: "Meistererzählungen". Hrsg. von Monika Ritzer. Deutscher Taschenbuchverlag, München 2013. 254 S., br., 9,90 [Euro].) meis
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