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In einem völlig veränderten modernen Barcelona wird unser Held, Bohemien und Gelegenheitsfriseur, zum unfreiwilligen Hobbydetektiv, um sich vom Verdacht eines Mordes zu befreien.

Produktbeschreibung
In einem völlig veränderten modernen Barcelona wird unser Held, Bohemien und Gelegenheitsfriseur, zum unfreiwilligen Hobbydetektiv, um sich vom Verdacht eines Mordes zu befreien.
Autorenporträt
Eduardo Mendoza wurde am 11. Januar 1943 in Barcelona geboren. 1965 schloß er sein Jurastudium ab und arbeitete für kurze Zeit als Rechtsanwalt. Hierbei lernte er die juristisch-administrative Sprache kennen, die er später in einigen seiner Romane parodierte. Von 1973 bis 1982 war er in New York als Dolmetscher im Auftrag der Vereinten Nationen tätig. Im Jahr 2015 erhielt er den Franz-Kafka-Literaturpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2003

Made in Barcelona
Eduardo Mendoza findet die Parasiten im katalanischen Speck

Wie es in einem süddeutschen Freistaat, der sich standhaft gegen den Verdacht wehrt, ein Einwandererland zu sein, dazu kommen konnte, daß der urwüchsig-autochthone "Spezl" in jüngerer Zeit durch den fremdländischen "Amigo" ersetzt wurde, hat schon manchen Sprachforscher vor Rätsel gestellt. Zur Aufhellung des Mysteriums dürfte der in der Herkunftssprache des Lehnbegriffs schreibende Autor Eduardo Mendoza aus Barcelona mit seinem Kriminalroman "Niemand im Damensalon" einen Beitrag geleistet haben. Denn die Lektüre dieses Buches läßt keinen Zweifel daran: Mehr als das latente Liebäugeln mit der Eigenstaatlichkeit verbindet Bajuwaren- und Balearen-Amigos. Katalonien ist geradezu das Mutterland der Vetternwirtschaft. Niemand hat es lediglich bisher gewußt.

Dieser Niemand, der titelgebende und dennoch namenlos bleibende Held des Romans, dürfte sich in bezug auf Gerechtigkeit und Chancengleichheit in seiner Heimatstadt Barcelona seit geraumer Zeit wenig Illusionen machen. Den größten Teil seines Lebens hat er, aus ihm selbst ebensowenig wie den behandelnden Ärzten bekannten Gründen, in einer Irrenanstalt verbracht. Wenn er auf der ersten Seite überraschend entlassen wird, so nur infolge des Umstands, daß die Klapsmühle einem Shoppingcenter weichen muß, dessen Eigentümer, dank enger Beziehungen zur Stadtregierung, kein anderer als der Anstaltsleiter ist. Wieder in Freiheit, möchte der Namenlose eigentlich nur einen bescheidenen Damensalon eröffnen. Doch statt der ersehnten Dauerwellen erwarten ihn haarsträubende Verwicklungen. Mittels des Charmes wohlgerundeter Beine und einer beiläufig auf ihn gerichteten Pistole verführt bereits die erste Kundin ihn dazu, nachts ein Konvolut von Dokumenten aus den Geschäftsräumen der Firma "Koks & Kies GmbH" zu entwenden. Als der Friseur das Büro auftragsgerecht durchgekämmt hat, stirbt unversehens der Direktor der Firma - "nachdem er sieben Schüsse und den Segen des Papstes erhalten hat", wie seiner Todesanzeige zu entnehmen ist. Vom Haarschneider zum Hauptverdächtigen hochfrisiert, erfährt der namenlose Held mit einem Schlage die Aufwartung der sogenannten besseren Gesellschaft Barcelonas, einschließlich des Bürgermeisters in Person. Denn in der Stadt sind offenbar einige durch Koks und Kies zu dem geworden, was sie sind, und möchten tunlichst vermeiden, die Beziehung zu den Baustoffen ihrer Macht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Unterstützt allein von dem afrikanischen Taxifahrer Magnolio und der auf sadomasochistische Praktiken spezialisierten Prostituierten Purine muß der Friseur, um Haut und Haar zu retten und seine Unschuld zu beweisen, nun selbst in die Rolle des Detektivs schlüpfen und einen inzestuösen Filz von Seilschaften entwirren, welche Macht und Geld in den Händen einiger weniger Familien halten.

Mit teils hintergründigem, teils skurril und karikaturesk überzogenem Humor beleuchtet Eduardo Mendoza die zutiefst klüngelhaft-provinziellen Abgründe einer katalanischen Metropole, die spätestens seit der Austragung der Olympischen Spiele eigentlich weltweit den Ruf als fortschrittliche und kosmopolitische "heimliche Hauptstadt" Spaniens erobert hat. Den Roman des spanischen Erfolgsautors hingegen durchzieht eine Aura des Ewiggestrigen, die bis in die Sprache hineinreicht. In fast barock anmutender Weise spielt Mendoza mit stilistischen Stereotypen einer längst vergangenen Zeit, die in komischem Kontrast zum Barcelona der Jahrtausendwende stehen. Hinter den modernistischen Fassaden, erfahren wir so, hält sich ein anachronistischer Mief, der direkt auf alte Protektionen und Privilegien aus der Franco-Zeit zurückgeht.

"Leben wie eine Made im Speck", findet der Friseur heraus, lautet die heimliche Devise der katalanischen Amigos. Auch die Tage der Maden in Barcelona aber sind gezählt, da diese, Kinder eines obsolet gewordenen Systems, den Anforderungen der neuen Zeit nicht mehr gewachsen sind. Den von ihnen selbst verschuldeten Todesstoß kann jedoch, ohne daß er es je beabsichtigt hätte, niemand anderer als der pikareske Namenlose versetzen. Wenn er sich nach dem turbulenten Finale im wahrsten Sinne des Wortes aus einem Berg von Leichen freischaufelt, hat er die Amigo-Gesellschaft mitten ins Auge getroffen. Ein einziges Mal zumindest zahlt sich hier die Anonymität aus. Denn das verletzte Ungetüm aus einer anderen Zeit kann nicht mehr als brüllen: "Niemand hat mich geblendet."

FLORIAN BORCHMEYER

Eduardo Mendoza: "Niemand im Damensalon". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 364 S., geb., 22,90 [Euro].

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