Der Gesundheitsdienst zählte in der Volksrepublik Polen zu den wichtigsten politischen Großprojekten, sollten sich doch gerade hier die Vorzüge eines sozialistischen Gesellschaftssystems vorbildlich realisieren. In diesem Sinne kam den in den Krankenhäusern und Ambulatorien Beschäftigten - den "Menschen in weißen Kitteln" - eine besondere Rolle zu: Sie sollten nicht nur "Gesundheitsingenieure" sein, sondern darüber hinaus durch die Vermittlung sozialistischer Ideale als Repräsentanten der neuen Ordnung auftreten. Unter diesen Vorzeichen mag es erstaunen, dass der Alltag der im staatlichen Gesundheitsdienst beschäftigten Krankenschwestern und Ärzte von Missständen geprägt war, die in ihrer Intensität und Kumulation mitunter erheblich über die im sozialistischen Polen gewohnten Beschwernisse hinausgingen.Die Untersuchung nimmt die politisch-ideologischen Einflüsse des kommunistischen Regimes auf den Gesundheitsdienst als Arbeitsplatz am Beispiel des pflegerischen und ärztlichen Personals in den Blick. Aufgrund besonders wirkmächtig tradierter Geschlechterverhältnisse und Klassenzugehörigkeiten eröffnete sich dem System des Staatssozialismus hier ein scheinbar ideales Experimentierfeld zur Umsetzung seines Anspruchs, soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Doch inwiefern erkannten und nutzten die Beteiligten dieses Potenzial überhaupt? Welche Erfahrungen machten Krankenschwestern und Ärzte in ihrem Arbeits- und Lebensalltag angesichts der ideologisch durchdrungenen Wirklichkeit? Und wie positionierten sich sozialistische Visionen ärztlichen und pflegerischen Handelns gegenüber christlichen Traditionen und den weiterhin im Gesundheitsdienst tätigen Ordensschwestern?